Großbritannien beginnt mit Corona-Impfungen
8. Dezember 2020Die Weltgesundheitsorganisation hat sich gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht ausgesprochen. "Ich denke nicht, dass Vorschriften besonders bei dieser Impfung der richtige Weg sind", erklärte die WHO-Impfexpertin Kate O'Brien in Genf. Eine Impfung gegen das Virus vorzuschreiben oder nachdrücklich zu empfehlen, könne in bestimmten Berufsfeldern wie der Intensivmedizin sinnvoll sein. Es gebe aber Beispiele, in denen eine Impfpflicht den gegenteiligen Effekt gehabt und nicht zu einer höheren Immunisierungsrate in der Bevölkerung geführt habe.
"Ich denke, wir sind viel besser beraten, den Menschen die Daten und die Vorteile zu präsentieren und sie selbst entscheiden zu lassen", fügte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan hinzu. Allerdings gebe es manche Umstände, unter denen eine Impfung seiner Meinung nach die einzige verantwortungsvolle Option sei.
"Wird keine Impfpflicht geben"
Die Debatte darüber, ob eine Impfung gegen den Erreger SARS-CoV-2 vorgeschrieben sein soll, wird in verschiedenen Staaten ganz unterschiedlich geführt. In Deutschland hat die Bundesregierung einer allgemeinen Impfpflicht schon mehrfach eine klare Absage erteilt. "Ich gebe ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben", betonte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag.
Skeptiker befürchten allerdings, die Bundesregierung könnte ihre Ansicht noch ändern, wenn sich nicht so viele Menschen in Deutschland impfen lassen wie erhofft. Sie verweisen auf mögliche Nebenwirkungen und Spätfolgen einer Impfung - insbesondere bei verkürzten Test- und Zulassungsphasen. Zudem gibt es die Besorgnis, dass es eine Art "indirekte Impfpflicht" geben könnte, wenn Menschen ohne Impf- oder Immunitätsnachweis von bestimmten Tätigkeiten ausgeschlossen würden.
90-Jährige Großmutter als Erste geimpft
Derweil hat Großbritannien als erstes westeuropäisches Land an diesem Dienstag eine großangelegte Corona-Impfkampagne gestartet. Nach Angaben der Regierung in London sollen zunächst 800.000 Impfdosen des Mainzer Pharmaunternehmens BioNTech und seines US-Partners Pfizer verabreicht werden. Geimpft werden demnach zuerst Menschen über 80 Jahre und das Gesundheits- und Pflegepersonal als Hochrisikogruppen. Als Erste bekam die 90-jährige Margaret Keenan das Mittel in einem Krankenhaus im englischen Coventry.
Keenan ist der erste Mensch, der außerhalb einer klinischen Studie das Medikament bekam, auf dem die Hoffnungen zur Eindämmung der Pandemie liegen. "Ich fühle mich unglaublich privilegiert die erste Person zu sein, die gegen COVID-19 geimpft wird", sagte die Seniorin.
Der Virologe Muhammad Munir von der Universität Lancaster sprach von einem "guten Start". Die neue Impfung könne Leben retten, sagte Munir im Interview der Deutschen Welle. Weil aber noch nicht sicher sei, wie lange der Impfschutz anhalte, werde auf absehbare Zeit eine jährliche Impfung vermutlich nötig sein.
Auch die 94-jährige Queen Elizabeth II. und ihr 99-jähriger Mann Philipp wollen sie sich laut Medienberichten frühzeitig impfen lassen, um ein "mächtiges Gegengewicht zur Bewegung der Impfgegner" zu bieten.
Großbritannien ist in Europa mit über 61.000 Toten das von der Lungenkrankheit COVID-19 am stärksten betroffene Land. Es hat noch vor anderen europäischen Ländern und den USA das BioNTech-Pfizer-Medikament für Massenimpfungen zugelassen. Auch Impfungen anderer Konzerne stehen in mehreren Ländern kurz vor Abschluss des Zulassungsprozesses.
Großbritannien hatte dem BioNTech-Pfizer-Impfstoff am vergangenen Mittwoch als erstes Land der Welt eine Notfallzulassung erteilt. Insgesamt wurde die Lieferung von 40 Millionen Dosen vereinbart. Weitere Impfstoff-Kandidaten könnten bald folgen.
as/wa/rk (dpa, afp)