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Großes Brüsseler Drama

Christoph Hasselbach, Brüssel19. Februar 2016

Kein Ergebnis in Sicht: Die Reform-Verhandlungen zwischen Großbritannien und dem Rest der EU-Staaten ziehen sich hin. Womöglich ist ein weiterer Verhandlungstag nötig. Von Christoph Hasselbach, Brüssel.

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David Cameron und Angela Merkel - Foto: Stephane de Sakutin (AFP)
Bild: Getty Images/AFP/S. de Sakutin

Aus der Hoffnung auf einen schnellen Abschluss schon am Donnerstag wurde eine lange Nachtsitzung, aus dem englischen Frühstück am Freitag ein sehr spätes Mittagessen. Dann am Nachmittag wurden die Verhandlungen unterbrochen, weil nichts mehr ging. Nun ist ein englisches Dinner angesagt, und die Teilnehmer wurden aufgerufen, ihre Hotelzimmer um eine Nacht zu verlängern.

Für Aufregung hatte die griechische Regierung gesorgt. Sie stellte plötzlich eine Verbindung zum anderen großen Gipfelthema, der Flüchtlingskrise, her und drohte unverblümt, sie werde einer Vereinbarung mit Großbritannien nur zustimmen, wenn bis zum EU-Türkei-Gipfel am 6. März kein Land seine Grenzen schließe.

Bis dahin hatten manche Teilnehmer in den sich hinziehenden Verhandlungen vor allem ein Drama fürs britische Publikum gesehen: Premierminister David Cameron müsse dem heimischen Publikum einen hart erkämpften Sieg präsentieren. Und dasselbe gilt selbstverständlich auch für manchen anderen Regierungschef, der zu Hause unter dem Druck steht, den Briten nicht zu viel zu geben.

Flüchtlinge mit Rucksäcken - Foto: Nemanja Rujević (DW)
Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze: Veto-Drohung von GriechenlandBild: DW/N. Rujević

Cameron wollte von Anfang an einem "Deal" nur zustimmen, wenn Großbritannien das bekomme, was es brauche. Ihm war von vornherein klar, dass die euroskeptischen Mitglieder seiner Partei und ein großer Teil der britischen Presse jedes Ergebnis sofort zerreißen werden, das "schwach" oder unvorteilhaft für das Vereinigte Königreich aussehen könnte.

Viel guter Wille

Am guten Willen bei den übrigen 27 fehlt es jedenfalls insgesamt nicht. Es gibt niemanden, der Großbritannien leichten Herzens ziehen lassen würde. Andererseits machten verschiedene Staats- und Regierungschefs klar, es könne nicht sein, dass Cameron einfach beliebige Forderungen stelle und die anderen darauf eingingen.

Nicht alle von Camerons Forderungen sind gleich wichtig und gleich problematisch. Der Wunsch nach mehr europäischer Wettbewerbsfähigkeit ist ziemlich unumstritten, auch wenn fraglich ist, wie man sie mit Leben füllt. Auch das Ansinnen, sich aus dem offiziellen Ziel des immer engeren Zusammenschlusses der Staaten auszuklinken, stellt kein unüberwindliches Hindernis dar.

Londoner Bankenviertel Foto: Andy Rain (EPA)
Londoner City: Wer reguliert letztlich die britischen Banken, London oder Brüssel?Bild: picture-alliance/dpa/A. Rain

Die Alarmglocken in manchen Ländern schrillten aber bei dem Gedanken, dass das Nicht-Euro-Land Großbritannien Entscheidungen der Euro-Länder mit einem Veto torpedieren könne. Hier geht es vor allem um den Schutz des britischen Bankensektors, der dem Land absolut heilig ist, weil er so viel Einkommen generiert. Vor allem Frankreich wollte die Regulierung der britischen Banken durch EU-Institutionen gewahrt sehen, um einen Wettbewerbsvorteil Londons gegen den Kontinent zu verhindern. Auch deshalb jetzt die Unterbrechung.

Merkel stellt sich hinter Cameron

Doch dabei geht es um Dinge, deren Konsequenzen der Laie kaum durchschaut. Wirklich greifbar für jeden EU-Bürger ist dagegen die Frage der Sozialleistungen. Während der Verhandlungen hat sich gezeigt, dass an einer Reform auch manche anderen Staaten interessiert sind. Das gilt für die Zahlung von Kindergeld von EU-Ausländern, deren Kinder nicht im Gastland leben.

Die Briten wollten, dass sich die Höhe des Kindergeldes nach dem Lebensstandard im jeweiligen Herkunftsland richtet. Reiche Gastländer mit hohen Sozialleistungen würden also Geld sparen. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel unterstützt "die Frage der Indexierung des Kindergeldes ganz besonders", ebenso Österreich. Der dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen nannte die Idee gegenüber Journalisten gar poetisch "eine Blume in meinem Garten".

Doch die Anspannung steht vielen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben, und das nicht nur wegen der kurzen Nacht, die hinter ihnen liegt. Viele befürchten, wenn eine Einigung auf dem Tisch liegt, könnten die Zugeständnisse an London die Büchse der Pandora öffnen und ein allgemeines Feilschen um Sonderwünsche in Gang setzen.

Dabei ist nicht einmal klar, ob Cameron seine Landsleute überhaupt überzeugen kann. Der belgische Ministerpräsident Charles Michel sagte: "Wenn die Briten im Referendum Nein (zur weiteren EU-Mitgliedschaft) sagen, wird der Text automatisch verdampfen. Wir können nicht zulassen, dass andere Nationen den Text als Grundlage feindseliger Handlungen gegenüber Europa benutzen." Man könne nicht in den nächsten Monaten und Jahren "nochmal so ein Drama haben". Egal, wie lange es bis zu einem "Deal" nun dauert, alle hoffen, dass das Drama dieses Gipfels eine Einmalveranstaltung bleiben wird.