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Grünes Oktoberfest: wie die Wiesn klimaneutral werden will

Stuart Braun
19. September 2024

Das größte Volksfest der Welt möchte nachhaltiger werden. Dafür sorgen grüne Energie und Müllreduktion. Zünftige Wiesngaudi ist nach wie vor garantiert - nur die hohen Bierpreise könnten das Vergnügen der Gäste trüben.

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Von unten fotografiert: Riesenrad unter blauem Himmel mit einem Herz aus Kondensstreifen.
Bild: Wolfgang Maria Weber/IMAGO

Zum Oktoberfest 2024, das vom 21. September zwei Wochen lang gefeiert wird, werden über sechs Millionen Menschen aus aller Welt auf dem Rummelplatz und in den Festzelten auf der Theresienwiese in München erwartet.

Bei der 189. Auflage des kultigen Volksfestes werden die ausgelassenen Gäste mehr als 6,5 Millionen Liter Bier (Stand 2023) trinken und tonnenweise Ochsenfleisch, Brathähnchen, Kartoffelsalat und Sauerkraut verzehren. Also alles wie gehabt? Falsch: Selbst die "Wiesn" - so traditionell das Fest auch ist - geht mit der Zeit.

Fragen und Antworten zum Münchner Oktoberfest

Ein Volksfest wird grün

Das Oktoberfest möchte seit Längerem seinen ökologischen Fußabdruck verkleinern, indem es auf erneuerbare Energien setzt und seine riesigen Abfallberge sortiert und recycelt. So werden auch Küchen- und Lebensmittelabfälle getrennt gesammelt und kompostiert.

Der exzessive Konsum von Alkohol und Speisen sowie der dadurch entstehende Energieverbrauch auf dem Münchner Festgelände wird durch die fast ausschließliche Nutzung von Energie aus Sonne und Wind ausgeglichen. Zudem trägt kohlenstofffreies Biogas ebenfalls zur Energieversorgung der Wiesn bei. Das Fest ist nach eigenen Angaben auf dem Weg zur Klimaneutralität, indem es Emissionen reduziert, die zum Klimawandel beitragen.

Einweggeschirr und -besteck sind bereits seit den 1990er Jahren verboten, ebenso der Verkauf von Getränken in Dosen - und auf den Ein-Liter-Bierkrügen ist Pfand.

Eine gut gelaunte Gruppe junger Männer stößt mit Bierkrügen an.
Mitnehmen nicht erwünscht: Auf den Maßkrügen ist PfandBild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Die Maßnahmen scheinen zu wirken. Die Münchner Stadtreinigung berichtet von einem Rückgang der Reinigungs- und Entsorgungskosten um zwei Drittel in weniger als 15 Jahren - der Müll wurde von 247 Tonnen im Jahr 2008 auf 88 Tonnen im Jahr 2022 reduziert.

Zwischen Maßkrug und Bio-Hendl

Das Oktoberfest wirbt inzwischen auch mit biologischen, regionalen und vegetarischen Produkten, die einen vergleichsweise kleinen ökologischen Fußabdruck haben.

Und natürlich stammt auch das Bier aus der Region, gebraut nach dem Deutschen Reinheitsgebot aus nichts anderem als Wasser, Gerstenmalz und Hopfen. Eine Spezialität der sechs großen Münchner Brauereien, die es nur im Herbst gibt - und zum Leidwesen aller Bierfans immer teurer wird.

In jedem Festzelt, auch in denen der großen Traditionsbrauereien, gibt es vegetarische und zunehmend vegane Speisen, andere Zelte wie etwa die Boandlkramerei bieten eine größere Auswahl an vegetarischem oder veganem Essen, vermehrt wird auf Bio gesetzt.

Die grünen Innovationen können dazu beitragen, die Zahl der "Ökopunkte" zur umweltfreundlichen Bewertung aller Wiesn-Unternehmen zu erhöhen. So wurden 2023 für zahlreiche Speisen - vom klassischen Wiesn-Grillhähnchen über gebrannte Mandeln, Bratwurst und Steaksemmeln bis hin zu Schokobananen und Waffeln - regionale Bio-Produkte verwendet.

In wenigen Jahren klimaneutral

Die Standbetreiber sind nicht nur angehalten, regionale und ökologisch nachhaltige Produkte zu verkaufen, deren Verpackungen wiederverwendbar oder recyclebar sind, sondern auch Solaranlagen oder Elektrofahrzeuge einzusetzen.

Blick in ein großes vollbesetztes Festzelt, dessen Himmel hellblau mit weißen Wölkchen gestrichen ist.
Die großen Festzelte wollen bald klimaneutral seinBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Im vergangenen Jahr wurde angekündigt, dass die 15 größten Bierzelte auf der Wiesn in fünf Jahren klimaneutral sein werden; vielleicht sogar schon in drei Jahren, indem sie den CO2-Ausstoß reduzieren und unter anderem mehr klimafreundliche vegetarische und sogar vegane Gerichte auf die Speisekarte setzen.

Diese Bestrebungen gibt es schon seit 2016 - als die bekannte "Ammer Hühner und Entenbraterei" das erste klimaneutrale Festzelt auf der Wiesn wurde.

Dies geschah, indem die unvermeidbaren CO2-Emissionen durch Investitionen in Projekte in anderen Teilen der Welt kompensiert wurden, wie etwa effiziente Kochsysteme für Familien in Nigeria oder emissionsarme Stromerzeugung aus Senfernteresten in Indien.

Inzwischen werden auch immer mehr Fahrgeschäfte auf dem Münchner Messegelände umweltfreundlich. Das Große Karussell, das auf dem Oktoberfest 2023 Premiere feierte, ist mehrstöckig und besteht aus zahlreichen Gondeln und Pferden, alles angetrieben von einem emissionsfreien Elektromotor.

Ein sichereres und integrativeres Fest

Mit der Zeit zu gehen bedeutet auch, dass das Fest ein vielfältigeres Publikum erreicht.

Ein Beispiel von vielen: Das neue integrative Partizipationsprojekt "vr4kids" wird erstmals einen virtuellen Besuch des Oktoberfestes ermöglichen, so dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen aus der Ferne mitfeiern können.

Die Organisatoren versuchen auch, vor sexueller Belästigung zu schützen und dafür zu sorgen, dass das Image des Oktoberfestes als fröhliches Fest vor allem von  gegenseitigem Respekt und Einverständnis geprägt ist.

Leider ist dies nicht immer der Fall, trotz der "Safer-Oktoberfest"-Kampagne, die vom Gesundheitsamt der Stadt München unterstützt wird und Besucherinnen und Besuchern bei Belästigungen zur Seite steht.

Eine Frau trägt ein pinkfarbenes Dirndl mit einer Schleife auf der linken Seite.
Dirndlschleife links: nicht vergeben. Dennoch keine Einladung zum AnfassenBild: Jens Kalaene/ZB/picture alliance

Preis für Zivilcourage

Eine weitere wichtige Kampagne zur Bekämpfung sexueller Gewalt auf dem Oktoberfest ist die Initiative "WiesnGentlemen" der gemeinnützigen Organisation Condrobs. Ziel des Projekts ist es, ein sichereres Umfeld auf dem Oktoberfest zu schaffen, insbesondere für Frauen und Mädchen, indem über soziale Medien, Plakate, Schulkampagnen und die Ansprache von Besuchern auf dem Weg zum Festgelände für respektvolles Verhalten und moderaten Alkoholkonsum geworben wird.

Fester Bestandteil der Kampagne ist der Wiesn-Courage-Preis, der respektvolles Verhalten- und Zivilcourage belohnt und fördert.

"Respektvoll miteinander umgehen", sagt Birgit Treml von Condrobs. "Das gilt immer und überall in unserer Gesellschaft, aber ganz besonders hier auf der Wiesn, wo so viele Menschen zusammenkommen, wo viel Alkohol fließt, wo es vielleicht leichter ist, Grenzen zu überschreiten."

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.