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Libyen braucht Geschäfte mit dem Westen

2. September 2011

In Paris hat sich die "Konferenz der Freunde Libyens" bereit erklärt, eingefrorene Milliarden wieder freizugeben. Man hofft auf gute Geschäfte mit der neuen Führung Libyens. Und das zu Recht, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW

Der Wettlauf der Öl- und Gasförderkonzerne in Libyen hat längst begonnen. Die italienische Eni, traditionell führend im Geschäft mit Libyen, hat bereits Vereinbarungen mit dem Übergangsrat unterzeichnet. Alte Verträge aus der Gaddafi-Zeit wollen die neuen Machthaber erst einmal einhalten. Total aus Frankreich, BP aus Großbritannien, Wintershall und DEA aus Deutschland, alle sind mit dabei. Und das ist auch gut so, denn Libyen ist ohne die ausländischen Ölkonzerne nicht in der Lage, seine Ressourcen auszubeuten. Die westlichen Firmen, Experten aus Katar und auch aus China haben auch schon zu Gaddafis Zeiten dort Öl gefördert, und das wird auch so bleiben.

Libyen braucht Öl-Einnahmen

Spannend wird es für die Unternehmen besonders dann, wenn der Übergangsrat nach einer Konsolidierungsphase in einigen Monaten Aufträge neu ausschreibt oder aufstockt. Zunächst ist daran nicht gedacht. Erst einmal muss die Förderung auf das alte Niveau gebracht werden, denn die neue libysche Führung braucht das Geld, um den Staat wieder ans Laufen zu bekommen. Zwar gibt es Andeutungen, dass bei der Auftragsvergabe besonders Länder berücksichtigt werden sollen, die sich an dem NATO-Einsatz gegen Gaddafis Truppen beteiligt haben, aber am Ende, da sind sich Experten einig, werden wirtschaftliche Kriterien die politischen schlagen.

Porträt von Bernd Riegert (Foto: dw)
Bernd Riegert, Deutsche Welle EuroparedaktionBild: DW

Frankreich und Großbritannien werden sicherlich für ihr Handeln belohnt werden, aber Italien wird nicht abseits stehen. Deutsche Firmen werden auch gute Geschäfte machen, einfach weil sie gebraucht werden, um nicht nur die Energieförderung, sondern auch die Wasserversorgung und Meerwasserentsalzung auf- und auszubauen. Und falls der Übergangsrat den Bau eines Atomkraftwerkes weiter verfolgen sollte, werden daran französische und deutsche Firmen verdienen. Der Kuchen muss nach der Revolution in Libyen nicht neu aufgeteilt werden, er war bereits eilig mit dem Diktator aufgeteilt worden, als dieser von 2005 an plötzlich wieder gesellschaftsfähig war. Britische und US-amerikanische Konzerne waren wegen der Terroranschläge auf den PanAm-Jumbo über Lockerbie und auf die Diskothek Labelle, für die Libyen verantwortlich war, noch etwas gehemmt. Diese Hemmungen werden jetzt fallen.

Gute Geschäfte mit oder ohne Diktator

Dabei geht es nicht nur um das Geschäftsfeld Rohstoffe. Libyen braucht auch Infrastrukturprojekte. Baukonzerne aus Österreich, Deutschland und auch China werden sicher zum Zuge kommen. Und wie ist das mit Waffen? Die neue libysche Armee muss ausgerüstet werden, die Waffen Gaddafis und die Flughäfen, die die NATO zerstören musste, müssen ersetzt werden. Auch hierfür stehen Rüstungsfirmen nicht nur aus dem Westen bereit.

Damit dieser Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommt, war es wichtig und richtig, dass die internationale Staatengemeinschaft beim Gipfeltreffen in Paris, Sanktionen aufgehoben und libysche Konten entsperrt hat. Der Übergangsrat bekommt die Milliarden, die Gaddafi im Ausland geparkt hatte. Das wird von Präsident Sarkozy und Kanzlerin Merkel als noble Geste gefeiert, ist aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Denn das Geld gehört ja schließlich dem libyschen Volk, und nicht den Staaten, die es in ihren Banken eingefroren hatten. 50 Delegationen waren nach Paris gekommen: Schau mal einer an, wie viele Freunde siegreiche Revolutionäre, die über Öl verfügen, plötzlich haben.

Nicolas Sarkozy, der französische Präsident im Vor-Wahlkampf, gefällt sich in der Rolle des Befreiers und visionären Militärstrategen. Er hat Glück gehabt, dass Gaddafis Regime so relativ einfach zu besiegen war. Und er hat, anders als die Bundeskanzlerin, die im Nachhinein richtige Entscheidung getroffen, die NATO in die Luftschlacht um Libyen zu führen. Europa geeint hat Sarkozy allerdings nicht, anders als er das vor seinen Botschaftern in Paris Anfang der Woche dargestellt hat. Europa war in der Libyenfrage gespalten und ist es in weiteren Nahost-Themen - siehe Palästina oder Syrien - immer noch.

Sarkozy triumphiert über Amerika

Frankreich hat die Führung in der NATO neu definiert. Die USA haben sich aus Geldmangel und politischem Desinteresse zurückgehalten. Das Weiße Haus nennt das jetzt euphemistisch "Führen aus dem Hintergrund". Den Vordergrund und die große Bühne in Paris beherrschte Sarkozy.

Völlig ins Abseits haben sich die afrikanischen Staaten manövriert. Die Afrikanische Union erkennt den Übergangsrat nicht an. Südafrika hält zu Gaddafi, offenbar bis zum bitteren Ende. Afrika, das von Diktator Gaddafi in den letzten Jahren mit viel Geld gepäppelt wurde, sieht offenbar nicht ein, dass die Zeit des reichen, spendablen Verrückten von Tripolis vorbei ist.

Wenn von Afrika südlich der Sahara und Libyen die Rede ist, darf die Flüchtlingsfrage nicht vergessen werden. Schwarzafrikanische Flüchtlinge werden in Libyen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen misshandelt, weil die Revolutionäre sie für Söldner Gaddafis halten. Das muss aufhören, auch dafür muss der Übergangsrat sorgen. Auf lange Sicht hat die Europäische Union großes Interesse daran, dass Libyen mit seinen afrikanischen Nachbarn ins Reine kommt. Denn oberstes Ziel Italiens und anderer Mittelmeeranrainer ist es, Flüchtlingsbewegungen aus Afrika über Libyen nach Europa zu verhindern. Mit Gaddafi hatte man ein entsprechendes Abkommen geschlossen und dem Diktator die Abwehr der Flüchtlinge überlassen. Jetzt muss mit dem Übergangsrat das Thema neu verhandelt werden. Hier tut ein faires Abkommen Not, das Libyen und den Flüchtlingen echte Hilfestellung bietet.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Friederike Schulz