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Politik

UN fordert Ende von Israels Annexionsplänen

24. Juni 2020

UN-Generalsekretär Guterres schlägt Alarm: Die mögliche Annexion des besetzten Westjordanlandes durch Israel sei eine schwere Verletzung des Völkerrechts, sagte er im UN-Sicherheitsrat. Er rief Israel zum Einlenken auf.

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Coronavirus - UN-Generalsekretär Guterres
Bild: Imago/L. Rampelotto

Die Welt stehe vor einem "Wendepunkt" im Nahost-Konflikt, betonte UN-Chef António Guterres wenige Tage vor möglichen Schritten zu einer Einverleibung des besetzten Westjordanlandes in den Staat Israel. "Im Falle einer Umsetzung würde die Annexion einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, die Aussicht auf eine Zwei-Staaten-Lösung erheblich beeinträchtigen und die Möglichkeit neuer Verhandlungen untergraben", erklärte Guterres vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. Der UN-Chef rief die israelische Regierung auf, ihre Pläne aufzugeben.

Guterres' Bericht wurde für eine Video-Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum israelisch-palästinensischen Konflikt verfasst, die für diesen Mittwoch angesetzt war. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen befasst sich regelmäßig zwei Mal jährlich mit diesem Konflikt. Bei der Konferenz forderte auch die Arabische Liga Israel zur Aufgabe seiner Annexionspläne auf. Eine Annexion werde "jegliche Aussicht auf künftigen Frieden zerstören", sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit. Der palässtinensische Außenminister Riad al-Malki warnte, jegliche Annexion palästinensischer Gebiete durch Israel wäre ein "Verbrechen", das "sofortige Folgen" haben werde.

US-Nahostplan als Grundlage für Annexion

US-Außenminister Mike Pompeo signalisierte hingegen erneut grünes Licht seiner Regierung für eine Annexion. Die Entscheidung über eine "Ausdehnung der Souveränität auf andere Orte" sei von den Israelis zu treffen, sagte Pompeo auf einer Pressekonferenz in Washington. Pompeo beklagte, dass die Palästinenser den Nahost-Plan der US-Regierung abgelehnt hätten. Aus Sicht der Palästinenser bevorzugt dieser Plan eindeutig Israel. Auch die Europäische Union lehnt ihn ab.

Experten uneins über Trumps Nahost-Plan

Der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dient der umstrittene Plan von US-Präsident Donald Trumpjedoch als Grundlage für die geplanten Annexionen. In dem Plan wird den Palästinensern ein eigener Staat in Aussicht gestellt, jedoch unter strengen Auflagen. Er sieht rund 70 Prozent der Fläche des Westjordanlandes für die Palästinenser vor. Die israelischen Siedlungen sollen aber bleiben.

Israel könnte zudem auf das strategisch wichtige Jordantal seine "Souveränität ausweiten". Jerusalem soll ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben. Dagegen beanspruchen die Palästinenser das Westjordanland sowie den Gazastreifen für ihren künftigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Das israelische Militär hatte das Westjordanland 1967 im Sechs-Tage-Krieg besetzt.

Ab 1. Juli könnt es ernst werden

Die neue israelische Regierung hat angekündigt, dass sie ab dem 1. Juli die Annexion jüdischer Siedlungen im Westjordanland und des strategisch wichtigen und seit 1967 besetzten Jordantals einleiten will. Sollte sie dies tatsächlich tun, befürchten Beobachter den Ausbruch neuer Gewalt in der Region. Die EU und Deutschland stufen eine Annexion als Verstoß gegen internationales Recht ein. Auch weite Teile der internationalen Gemeinschaft sehen dies so. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte vor anderthalb Wochen bei einem Besuch in Israel seine Bedenken gegen die Annexionspläne deutlich gemacht.

Israel Jerusalem | Heiko Maas und Benjamin Netanjahu
Heiko Maas traf bei seinem Besuch in Israel auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Bild: picture-alliance/photothek/F. Gaertner

Der UN-Nahostgesandte Nikolai Mladenov sprach davon, dass eine Verhandlungslösung für den Nahostkonflikt momentan weiter entfernt sei als jemals zuvor: "Es besteht die Gefahr, dass mehr als ein Vierteljahrhundert internationaler Bemühungen zur Unterstützung für einen lebensfähigen palästinensischen Staat, der in Frieden, Sicherheit und gegenseitiger Anerkennung mit dem Staat Israel lebt, beendet werden." Wenn die Annexion umgesetzt werde, könne sich die Dynamik in der Region dramatisch verändern und Instabilität im gesamten besetzten palästinensischen Gebiet auslösen.

"In den kommenden Wochen könnten Entscheidungen getroffen werden, die den palästinensischen und israelischen Gesellschaften, der Sicherheit und dem wirtschaftlichen Wohlergehen beider Völker irreparablen Schaden zufügen", sagte Mladenov. Zu den politischen Problemen kämen dabei die Gefahren durch die Corona-Krise, durch die die Palästinenser 80 Prozent ihrer monatlichen Einnahmen verloren hätten.

Parlamentarier warnen Israel

Derweil warnten auch mehr als 1000 Parlamentarier aus 25 Ländern Europas vor Annexionen im besetzten Westjordanland. "Im Einklang mit dem Trump-Plan sieht der neue Koalitionsvertrag in Israel vor, dass die Regierung bereits ab 1. Juli 2020 mit der Annexion beginnen kann", schreiben sie in einem Brief, der unter anderem an die Regierungen der EU gerichteten ist. "Ein solcher Schritt wäre für die Aussichten auf einen israelisch-palästinensischen Frieden fatal und würde die grundlegendsten Normen internationaler Beziehungen einschließlich der Charta der Vereinten Nationen in Frage stellen."

Der Nahost-Plan Trumps fördere "effektiv die dauerhafte israelische Kontrolle über ein fragmentiertes palästinensisches Gebiet, lässt den Palästinensern keine Souveränität und gibt Israel grünes Licht für die unilaterale Annexion bedeutender Teile des Westjordanlandes". Zu den Unterzeichnern zählen auf deutscher Seite unter anderem Grünen-Chefin Annalena Baerbock sowie die Linken-Fraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch.

kle/ww (dpa, afp, rtr)

 

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