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Glaube

Gönnen Sie sich mehr Geduld an Weihnachten

20. Dezember 2024

Eigentlich ist es die schönste Zeit des Jahres - und trotzdem ist es um Weihnachten herum oft ganz schön stressig. Die Lösung wirkt dabei so simpel und schwer zugleich: Geduld. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Deutschland | Bad Wörishofen | Weihnachtstraum im Garten von Daniel und Harry Löwenthals Haus
Bild: Bernd Feil/M.i.S./IMAGO

Nun können wir schon fast die Stunden zählen, der Advent neigt sich dem Ende zu und Weihnachten steht unmittelbar bevor. Jedes Jahr aufs Neue ist es eine besondere Zeit - der Advent, in dem wir das Warten und die Vorfreude auf das Weihnachtsfest zelebrieren. Das klingt sehr simpel, doch auch das Vor-Freuen will gekonnt sein, denn es verlangt eine Menge Geduld von uns. Hatten Sie in den letzten drei Wochen genug Zeit, sich ausgiebig auf den Advent einzulassen? Von Jahr zu Jahr erlebe ich, dass vor allem die Geduld der Menschen kurz vor Weihnachten auf die Probe gestellt wird.

Wenn ich im Dezember durch die erleuchteten Straßen gehe, selbst nicht von einer Verpflichtung oder einem Termin getrieben werde und dann nur die Menschen um mich herum beobachte, bestätigt sich eine Erkenntnis: Der Advent lebt von zwei großen Gegensätzen - von Stress und Besinnlichkeit, die sich an Weihnachten bestenfalls auflösen. Die meisten Menschen sehnen sich nach besinnlichen, ruhigen Stunden zu Hause mit der Familie oder mit Freunden. Dann haben wir nämlich die Chance, Vorfreude entstehen zu lassen und zu begreifen, dass wir uns in einer besonders schönen Zeit befinden. Und dann erlebe ich trotz dieser Sehnsucht nach Gemütlichkeit, eine beispiellose Hektik und Ungeduld in den Städten, Kaufhäusern und Weihnachtsmärkten, die zu keiner anderen Zeit so deutlich wird, wie im Advent. Jedes Jahr wird es zur Herausforderung, diese Tendenz aufzuhalten und etwas anders zu machen als in den Vorjahren.

Im Dezember entlarvt sich die Geduld nicht nur als Tugend, sondern als Mammutaufgabe. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass es als Kind nahezu unmöglich war, geduldig auf Weihnachten zu warten? Das ist mit der Zeit sicherlich immer einfacher geworden. Aber die Herausforderung des geduldig-seins, besteht täglich, wenn wir mit anderen Menschen zu tun haben und die Geduld mit uns selbst ist häufig noch viel schwieriger. Der Advent und die Weihnachtszeit zeigen uns jährlich, wie schwer es tatsächlich ist, sich einzugestehen, dass man doch nicht alles schafft, was man sich vornimmt und dass nicht jede Verabredung wahrgenommen werden kann.

Dabei stellt sich mir die Frage, warum gerade die Geduld mit uns selbst so kompliziert erscheint. Wir leben in einer Welt, die schnelle Ergebnisse, Perfektion und ständige Optimierung fordert. Bereits in jungen Jahren lernen wir, uns an Leistung zu messen und uns mit dem Können der anderen zu vergleichen. Diese Vergleiche, kombiniert mit dem Anspruch, in allem mindestens gut zu sein, erzeugen inneren Druck und eine unnötig kritische Haltung uns selbst gegenüber. Wir erlauben uns keine Fehler und verlieren oft die Freude an den Prozessen des Lebens, die Ihre Zeit brauchen - an dem Lernen, dem Wachsen und dem Heilen. Hinzu kommt, dass wir oft ungeduldig mit unseren eigenen Schwächen umgehen, weil wir sie als Hindernisse statt als Teil unserer Menschlichkeit wahrnehmen.

Doch gerade Geduld mit uns selbst kann unser Leben ungemein bereichern. Sie schenkt uns innere Ruhe, mehr Selbstakzeptanz und die Fähigkeit, uns über kleine Schritte zu freuen. Statt uns von ständigen Erwartungen treiben zu lassen, entdecken wir, dass auch Unvollkommenheit schön sein kann und enorm wichtig ist. Im Advent, der Zeit des Wartens und der Besinnung, kann Geduld mit uns selbst helfen, den Moment bewusster zu erleben. Wir dürfen innehalten, statt uns im Streben nach Makellosigkeit zu verlieren. Advent bedeutet, auf das Kommen Gottes zu warten - und das kann uns lehren, mit uns selbst milder zu sein. Es zeigt uns, dass nicht alles sofort sein muss, sondern dass das Wichtige oft Zeit braucht, um zu wachsen.

Die Unvollkommenheit ist deswegen so wichtig und eine zutiefst menschliche Eigenschaft, weil sie uns grundlegend von Gott unterscheidet. Gerade deshalb dürfen wir uns selbst mit Nachsicht und Liebe betrachten - so, wie Gott uns sieht. Machen Sie sich bewusst: Sie müssen nicht alles können und Sie dürfen auf sich selbst hören. Geduld mit sich zu haben, bedeutet auch, sich einen Raum zum Leben zu schenken. Gönnen Sie sich diese Geduld - bestimmt wird das Leben so ein wenig leichter, Weihnachten entspannter und das neue Jahr noch schöner.

Tim Helssen
Tim HelssenBild: Julia Steinbrecht/KNA

Zum Autor: Tim Helssen (Jahrgang 1997) hat an der Universität Hamburg Historische Musikwissenschaften und Katholische Theologie studiert. Nach dem Studium absolvierte er ein Volontariat bei DOMRADIO.DE in Köln und ist heute als Redakteur bei der Katholischen Hörfunk- und Fernseharbeit tätig, sowie als freier Journalist für den Norddeutschen Rundfunk und DOMRADIO.DE.

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.