In Polen verfestigt sich die illiberale Strömung
15. Oktober 2019Die polnischen Parlamentswahlen haben der regierenden PiS-Partei den Machterhalt gesichert. Die Nationalkonsverativen haben im Wahlkampf ihre Wählerschaft mit allerlei Versprechungen geködert. Die eigentliche Programmatik aber bleibt eine nationalistische, die sich unter anderem in dem Bestreben ausdrückt, die Medien des Landes zu "Re-Polonisieren”. Die Behauptung, die die PiS aufstellt, ist, dass die Medien im Land von Deutschland aus gesteuert werden. Diese Fremdsteuerung solle nun künftig unterbunden werden. Die Gleichschaltung der Medien ist das Ziel im einstigen Vorzeigeland post-kommunistischer Demokratie.
Die PiS braucht einen Sündenbock im Ausland, vor allem, weil die Bevölkerung des Landes Europa sehr positiv gegenüber eingestellt ist, in Umfragen sind die Polen sogar bisweilen führend, wenn es um die Zustimmung zur Union geht. Noch immer wehen an allen öffentlichen Gebäuden in Warschau die polnische und die europäische Fahne. Das ist in Ungarn schon lange nicht mehr der Fall. Auch hier wurde am Wochenende gewählt, auf kommunaler Ebene. Hier kam es zum ersten Mal seit zehn Jahren zu einer Niederlage der regierenden Fidesz-Partei von Viktor Orban. Auch er ist, wie sein polnischer Amtskollege, ein Verfechter der so genannten illiberalen Demokratie, die den Diskurs des Landes vereinheitlichen und gegen alles vermeintlich Fremde abschirmen soll.
Der Faktor Bevölkerungsdichte
Der Kampf um das europäische Projekt wird also in Mitteleuropa, in Polen und Ungarn, weiter ausgetragen. Wer Warschau besucht, findet eine weltoffene Metropole vor, in der die Menschen nicht den Eindruck machen, als ob sie den ganzen Tag damit beschäftigt wären, Fremde nicht ausstehen zu können. Außerhalb der Metropolen sieht das aber anders aus. Wer beispielsweise den gemeinsamen Faktor zwischen dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump sucht, der findet ihn weder in den Einkommensverhältnissen der jeweiligen Wähler, noch bei Alter, Geschlecht oder Religion. Es ist, wie der Stanford-Professor Francis Fukuyama in seinem neuen Buch "Identität” aufgeschrieben hat, der Faktor der Bevölkerungsdichte.
Wo weniger Menschen auf einem Flecken leben, neigen sie mehr dazu, das Fremde, das sie nicht kennen, von dem sie aber hören, dass es irgendwo nahe sei, abzulehnen und sich entsprechend politisch zu positionieren. Das ist auch der Fall gewesen beim Votum gegen Minarette in der Schweiz und trifft auch auf die Teile der neuen Bundesländer in Deutschland zu, in denen die wenigsten Ausländer leben, die AfD aber die meisten Stimmen erhält.
Mit einer solchen Sündenbock-Politik werden aber keine Probleme politisch gelöst, vielmehr stellt sich die Frage, wohin die Reise in den Ländern einmal gehen wird, wenn die Protagonisten einer illiberalen Demokratie einmal abgewählt sein werden. In Ungarn hat man einen ersten Schritt in diese Richtung getan, in Polen hingegen verfestigt sich die illiberale Strömung.
Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.