Haarausfall bei Frauen: Was sind die Ursachen?
16. Oktober 2023Für viele Frauen, die von Haarausfall betroffen sind, gibt es eine gute Nachricht: "Was von allein kommt, geht auch wieder von allein". Sprich: Bei Frauen wachsen die Haare oft wieder nach. "Eine komplette Glatze ist eher Männersache und fängt meist bei den Geheimratsecken an", sagt Andreas Finner, Berliner Dermatologe und Haarspezialist.
In Deutschland hat fast jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens mit Haarproblemen zu kämpfen. Haarausfall bei Frauen führt meist zu einer Ausdünnung am Oberkopf und an den Seiten. Das ist der sogenannte diffuse Haarausfall." Der kann Frauen schon um das dreißigste Lebensjahr treffen, hört aber meist irgendwann wieder auf. Wichtig sei es, die Ursache zu finden, so Finner.
Wann wird es ernst mit dem Haarausfall?
Ein gewisser Haarausfall ist ganz normal: Täglich verlieren Frauen alle etwa 60 bis 100 Haare, bei Männern sind es geringfügig weniger. Aus den sogenannten Follikeln wächst jeweils ein neues Haar. Dessen Lebensdauer variiert je nach Person zwischen zwei und sieben Jahren. Dann entsteht ein neues Follikel, aus dem dann ein neues Haar wächst. In dieser Zeit wächst das Haar etwa einen Zentimeter pro Monat.
Entwicklung und Wachstum sind dabei genetisch bedingt. Verlieren wir wesentlich mehr als 100 Haare pro Tag und das über einen längeren Zeitraum, ist es ratsam, eine Haar-Sprechstunde aufzusuchen. Viele Dermatologen bieten diese Beratungen an, aber es gibt auch spezielle Haarkliniken und online-Sprechstunden. Andreas Finner ist nur einer von vielen Dermatologen, die eine solche Beratung anbieten. Fast jede dermatologische Praxis führt solche Sprechstunden durch oder aber kann weiterführende Tipps geben. Auch viele Kliniken sind auf Haarausfall spezialisiert.
Was sind die Ursachen für Haarausfall?
Oft liege der Haarausfall bei Frauen an einer Hormonstörung, sagt Finner. Dabei werden zu viele männliche Hormone in den Eierstöcken produziert und zu wenig Östrogen, das das Haarwachstum fördert. Bei jüngeren Frauen kann die Abnahme der Haardichte auch durch ein sogenanntes Polyzystisches Ovar Syndrom (PCOS) bedingt sein. Auch in diesem Fall produziert der Körper übermäßig viel Testosteron.
Weitere mögliche Auslöser sind Schilddrüsenerkrankungen, bestimmte Medikamente, chronische Erkrankungen, aber auch Autoimmunkrankheiten. Zu letzterem zählt der sogenannte kreisrunde Ausfall – Alopecia areata. Dabei fallen die Haare in Form von kleinen Kreisen aus.
Nährstoffmängel können ebenfalls zu Haarausfall führen. Hier sind Vitamine wie Vitamin B12 oder Vitamin D oder Spurenelemente wie Zink und Selen entscheidend. Eine Ernährungsumstellung und entsprechende Nahrungsergänzungsmittel können helfen, den Mangel auszugleichen.
Untersuchung mit der Lupe
Mithilfe einer Blutuntersuchung kann festgestellt werden, ob ein Mangel vorliegt. Darüber hinaus nehmen die Ärztin oder der Arzt auch die Kopfhaut unter die Lupe. "Dabei schaue ich, wie die Haarlängen sind und wie aktiv der Haarausfall", erklärt Finner. "Dazu zupfe oder ziehe ich vorsichtig an den Haaren, um festzustellen, ob die Haare nur oben leicht ausgehen oder am ganzen Kopf."
"Mit einer speziellen Lupe, einem Trichoskop, schaue ich, wie die Kopfhaut aussieht und wie die Haardichte ist. Kommen aus jeder Pore - wie es ganz normal ist – drei dicke Haare oder kommt vielleicht nur noch ein Haar aus jeder Pore und die anderen fangen schon an zu verkümmern?" Das wären Hinweise auf anlagebedingten Haarausfall und darauf, dass die Haare allmählich dünner werden, die Anzahl nimmt ab.
Liegt Haarausfall in der Familie?
Hat der Haarausfall einen genetischen Ursprung, spricht man von der sogenannten androgenetischen Alopezie. "Wenn man weiß, dass Haarausfall in der Familie vorkommt, empfiehlt es sich, zur Früherkennung zu gehen." Mit der Lupe können die Expertin oder der Experte Veränderungen erkennen, die man selbst im Spiegel noch gar nicht sieht. Vorbeugend könne man dann bereits mit einer Tinktur behandeln.
Das zurzeit gängige Mittel ist Minoxidil. Es ist als Medikament zugelassen und wurde ursprünglich gegen Bluthochdruck eingesetzt. Es wird eingesetzt, wenn der Haarausfall bereits begonnen hat, aber auch zur Vorbeugung, wenn der Verdacht besteht, dass die Haare irgendwann ausfallen werden. Es muss täglich und dauerhaft auf die Kopfhaut aufgebracht werden. Durch das Mittel werden die Blutgefäße erweitert und die Durchblutung verbessert. So beeinflusst es u.a. das Wachstum der Haare und die Vermehrung von Haarfollikeln.
Eine weitere Form ist der vernarbende Haarausfall oder auch vernarbende Alopezie. Dabei werden die Haarfollikel komplett zerstört. Es wachsen keine Haare nach. Frauen sind davon genauso betroffen wie Männer und Kinder. Hierbei handelt es sich nicht um genetisch bedingten Haarausfall. Es ist viel mehr eine Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem richtet sich gegen die körpereigenen Follikel. Dadurch entsteht eine Entzündung, die wiederum die Follikel völlig zerstört.
Haarausfall unter besonderen Umständen
Eine Schwangerschaft kann Einfluss auf die Haare haben, denn der Hormonhaushalt verändert sich in dieser Zeit. Nach der Geburt regulieren er sich wieder und es kann zu verstärktem Haarausfall kommen. Aber der ist kein Grund zur Sorge, denn er ist nur vorübergehend.
Auch schwere Operationen können zu Haarausfall führen, bei Frauen ebenso wie bei Männern. Der Eingriff und der Stress, der damit verbunden ist, können bewirken, dass eine größere Anzahl von Haarfollikeln in die sogenannte Telogenphase übergeht. Das ist die Ruhepause im normalen Haarzyklus, während der das Haar inaktiv ist und nicht wächst. Den verzögerten Haarausfall erklären Spezialistinnen und Spezialisten u.a. damit, dass Anästhesie und Medikamente, die während eines Eingriffes gegeben werden, sich vorübergehend auf die Haare auswirken. Sie machen sich aber erst später bemerkbar, treten also mit einiger Verzögerung auf.
Auch die Psyche leidet
Für Frauen ist die psychische Belastung durch den Haarausfall meist größer als für Männer. Haarverlust bei Frauen sei eine Urangst, sagt Finner. "Es ist ein Zeichen von Krankheit, die Frauen fühlen sich ausgegrenzt. Haare sind ein wichtiges Ausdrucksmerkmal, ein Merkmal für Schönheit und Jugend."
Frauen haben oft Probleme über ihren Haarverlust zu sprechen. Es ist ein Tabuthema, das von der Industrie genutzt wird. In der Werbung haben Frauen meist dickes, gesundes und glänzendes Haar, wenn sie nur bestimmte Pflegemittel anwenden. Finner ist der Meinung, dass solche Produkte kaum etwas bewirken.
Warten auf die Wunderpille gegen Haarausfall
Trotz aller Forschung – die Wunderpille gegen Haarausfall gibt es noch nicht, und sie wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Erfolge aber kann die Forschung zumindest beim kreisrunden Haarausfall verbuchen. Die Tabletten, die ursprünglich gegen rheumatoide Arthritis entwickelt worden waren, sind mittlerweile auch für die Behandlung von kreisrundem Haarausfall zugelassen. Der sogenannte Januskinase Hemmer werden in der Medizin vor allem bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Dazu gehört auch der kreisrunde Haarausfall. Gedacht ist das Medikament für Patienten, die über 50 bis 100 Prozent Haarausfall haben. Aber die Tabletten haben ihren Preis, sagt Finner: "Sie kosten um die 1000 Euro - im Monat."