"Das habe ich so nicht gesagt"
22. Juli 2012
Fußballstar Lukas Podolski ist in diesen Tagen richtig sauer. Sauer, wegen eines Interviews, das der Sender ESPN im Internet veröffentlichte, das Podolski nach eigenen Angaben aber gar nicht gegeben hatte. Zugegeben, ein extremes Beispiel - aber dass es zu Streit zwischen einem Prominenten und einem Journalisten wegen eines Interviews kommt, ist keine Seltenheit mehr.
Um zu verhindern, dass nach einem Interview etwas geschrieben oder gesendet wird, was den Befragten nicht gefällt, gibt es in Deutschland die Möglichkeit eine sogenannte "Autorisierungsvereinbarung" zu treffen. Das heißt, der Journalist handelt vor dem Interview die Bedingungen für die Veröffentlichung des Interviews aus. Das kann zum Beispiel sein, dass der Interviewte nach dem Gespräch den Text einsehen oder sogar ändern kann, bevor er in den Druck geht.
Kein Interview ohne Vereinbarung
Diese Möglichkeit wird heute exzessiv genutzt. Kaum ein Politiker oder Fußballstar gibt noch ein Interview ohne Autorisierungsvereinbarung. Zu groß ist die Angst, dass etwas geschrieben oder gesendet wird, was dem Interviewten nicht gefällt.
Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserates, der gemeinsam von Verleger- und Journalistenverbänden in Deutschland getragen wird, sieht diese Entwicklung sehr kritisch. Problematisch sei die Autorisierungsvereinbarung vor allem dann, wenn sie genutzt würde, um den Interviews im Nachhinein einen genehmen Inhalt zu geben und kritische Passagen zu entfernen. "Dadurch wird die Autorisierungsvereinbarung immer stärker als Druckmittel gegenüber Redaktionen eingesetzt", so Tillmanns.
Im Herbst 2003 sorgte das Beispiel der "tageszeitung" für Aufsehen. Der sozialdemokratische Politiker Olaf Scholz hatte der linken Zeitung ein Interview gegeben. Kurz danach wollte er bestimmte Passagen streichen. Die "taz" veröffentlichte das Interview trotzdem - mit den geschwärzten Passagen, um auf die Problematik der Autorisierungsvereinbarung aufmerksam zu machen.
Das Recht am eigenen Wort
Uwe Dolderer vom Bundesverband der Pressesprecher kann die Kritik an der Autorisierungsvereinbarung nicht nachvollziehen. "Ich sehe das ganz klar so: Der Betroffene hat das Recht am eigenen Wort". Wie der Journalist das Recht habe, das Interview nicht zu veröffentlichen, müsse der Interviewte das Recht haben, etwas zu ändern, was er so nicht gesagt oder gemeint habe, so Dolderer.
Dieses Recht auf das letzte Wort für den Interviewten sei auch deshalb wichtig, weil Interviews, vor allem in der Zeitung, häufig verkürzt und pointiert dargestellt werden, da der Platz begrenzt ist. Das Problem hierbei: In Zeiten großer Medienkonkurrenz bekommen nur noch die Sender und Zeitungen ein Interview, die der Autorisierungsvereinbarung zustimmen. Lutz Tillmanns vom deutschen Presserat will das zwar nicht als Erpressung bezeichnen, spricht aber von einem ernsthaften Problem in der alltäglichen journalistischen Arbeit.
Autorisierung - ja oder nein?Was kann die Lösung sein? Auf der einen Seite hat der Interviewte das Recht, dass das, was er gemeint hat, auch so vermittelt wird. Auf der anderen Seite müssen Journalisten auch das, was einmal gesagt wurde, in einem Interview verwenden dürfen. Für Uwe Dolderer vom Bundesverband der Pressesprecher ist die Autorisierungsvereinbarung zwingende Voraussetzung, damit Interviews nicht falsch wiedergegeben werden, gerade, wenn Journalisten im Zuge des Online-Journalismus immer schneller arbeiten müssten. Lutz Tillmanns sieht das anders. Er hofft, dass sich Journalisten in Zukunft häufiger wehren und nicht immer die Interview-Bedingungen einfach akzeptieren, auch wenn das mal bedeuten kann, kein Interview zu bekommen.
Für Lukas Podolski, der nun in England lebt, dürften die Interviews in Zukunft schwieriger werden. In Großbritannien und den Vereinigten Staaten gibt es keine Autorisierungsvereinbarung. Dort gilt: Gesagt ist gesagt.