Habeck in China: Kritik und Diplomatie
22. Juni 2024Es ist keine einfache Aufgabe für Deutschlands Wirtschaftsminister und Vizekanzler: Wie kann Robert Habeck europäisches Missfallen an Chinas Handelsgebaren und der Haltung der Volksrepublik in Sachen Ukraine-Krieg äußern, ohne diesen wichtigen Partner in Ostasien zu vergrätzen?
Zum Auftakt seines China-Besuchs ist der Gast aus Deutschland einerseits bemüht, den Konflikt um EU-Zölle zu entschärfen. Andererseits warnte er die chinesische Seite vor den wirtschaftlichen Folgen einer zu großen Russlandnähe. Konkret geht es um chinesische Lieferungen von so genannten Dual-use-Gütern, also Produkte, die sowohl zivil als auch in Russlands Krieg gegen die Ukraine genutzt werden können.
Laut Habeck ist Chinas Handel mit Russland im vergangenen Jahr um 40 Prozent gewachsen. Ungefähr die Hälfte dieses Anstiegs sei bei Dual-use-Gütern zu verzeichnen. Deutsche und europäische Sicherheitsinteressen seien durch Russlands Krieg gegen die Ukraine direkt berührt, so Habeck. "Wir würden anders und sicherlich nicht ganz so hart vorgehen", betonte der deutsche Minister, wenn es die Unterstützung in diesem Krieg von China "gegenüber Russland nicht geben würde".
Habeck warnt vor Abschottung
Im Handelsstreit um Zölle für günstige chinesische Elektroautos forderte Habeck die chinesische Seite auf, die Befunde der EU-Kommission ernst zu nehmen. Die Brüsseler Behörde wirft der chinesischen Regierung unfaire Subventionen vor und hat mit hohen Zöllen gedroht.
"Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich nicht um Strafzölle handelt", sagte Habeck beschwichtigend in Peking. Länder wie die USA, Brasilien und die Türkei hätten Strafzölle verhängt, aber nicht die Europäische Union. Europa gehe anders vor: Die EU-Kommission habe neun Monate lang detailliert überprüft, ob chinesische Firmen von staatlichen Subventionen profitiert hätten.
Bei den geplanten Zöllen handele es sich daher um einen Ausgleich der gewährten Vorteile. "Es sollen gerade gemeinsame, gleiche Standards für Marktzugänge erreicht werden", sagte der Vizekanzler. Vor Habecks Ankunft in Peking hatte die Volksrepublik wegen der geplanten Abgaben vor einem Handelskrieg mit der EU gewarnt.
Es gehe um die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, sagte Habeck bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission, Zheng Shanjie. "Wir werden alles tun, um chinesische Firmen zu schützen", antworte Zheng. Habeck hofft, dass die Strafzölle noch verhindert werden können, die von der deutschen Autobranche aus Furcht vor einem Handelskrieg mit chinesischen Vergeltungsmaßnahmen abgelehnt werden.
Der Bundeswirtschaftsminister verwies zuletzt zwar darauf, dass er nicht für die EU verhandeln könne, dies sei Aufgabe der EU-Kommission. Aber als größte europäische Volkswirtschaft habe die Stimme Deutschlands besonderes Gewicht. Seine China-Reise könne vielleicht einen Beitrag bei der Suche nach einer Lösung leisten.
Tacheles und Versöhnliches
Deutliche Worte bekam Habeck aber auch von Chinas Handelsminister Wang Wentao zu hören. Einige Länder hätten die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit "als Waffen eingesetzt", sagte Wang nach den Worten eines Sprechers in Bezug auf Maßnahmen gegen chinesische Unternehmen.
Allerdings machte der chinesische Minister auch klar, dass China an Verhandlungen interessiert sei. "Wenn die Europäische Kommission bereit ist, dann hofft China, dass beide Seiten so bald wie möglich mit den Verhandlungen beginnen", so Wang. Aber wenn die europäische Seite darauf besteht, ihren eigenen Weg zu gehen, dann würde China "alle notwendigen Maßnahmen" ergreifen.
Auch Industrieminister Jin Zhuanglong traf Habeck am Samstag. Ein Gespräch mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang kam hingegen nicht zustande. Warum, wisse er nicht, sagte Habeck. Aus Delegationskreisen verlautete, dass es "terminlich nicht darstellbar" gewesen sei.
Nach seinen Gesprächen in Peking reiste der Bundeswirtschaftsminister in die ostchinesische Wirtschaftsmetropole Shanghai weiter. Dort zog Habeck auf einer Pressekonferenz eine Bilanz seines Tages in China: "Das Miteinander reden hat vielleicht heute mit dem Tag einen Impuls bekommen. Es wäre gut, wenn das gegenseitige Verständnis ein Stück weit gewachsen wäre", so der Minister. Auf europäischer Seite seien die Türen offen und es gebe ein Gesprächsangebot - "jetzt muss es auch angenommen werden".
AR/haz (afp, rtr, dpa)