HafenCity Hamburg: Mit viel Luft nach oben
6. Januar 2023Andreas Kleinau schaut optimistisch aus seinem Bürofenster in der HafenCity. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der städtischen HafenCity Hamburg GmbH hat die historische Speicherstadt und die modernen Wohn- und Geschäftshäuser in der Osakaallee vor Augen. "Das passt optisch einfach gut zusammen! Das Rot der typischen Hamburger Backsteine verbindet alt und neu", so Kleinau, der sich zum Jahreswechsel auch viel Kritik anhören muss.
Der schwerste Vorwurf: Der neue Stadtteil "sauge" Kaufkraft von der Innenstadt ab, die ohnehin schon mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen hat. Dass es keine Verbindungen von der HafenCity in das Stadtzentrum gebe, weist Kleinert zurück: "Es gibt schon heute viele Wege, ob zu Fuß oder mit Bus und U-Bahn, unterirdisch oder klassisch über eine der vielen Brücken, die vom Zentrum an die Elbe führen. Aber man kann und sollte diese Verbindungen noch deutlich verbessern. Wir bündeln gerade in der Stadt unsere Interessen, um auch für diese Fragestellung an Lösungen zu arbeiten."
Größte innerstädtische Baustelle Europas
Vor 25 Jahren begann die Geschichte mit dem Beschluss des Hamburger Stadtparlaments, der Bürgerschaft. Damals war es schwer vorstellbar, dass aus einer muffigen Ansammlung von Hafenbecken, leeren Hallen, Speichern und Kränen ein schillernder neuer Stadtteil mit Leuchtturmprojekten wie der Elbphilharmonieund dem Elbtower entstehen würde. 150 Hektar Wohn-, Büro-, Kultur- und Parkflächen, 2,4 Millionen Quadratmeter Bruttogeschossfläche locken heute bereits nicht nur die Hamburger und Neu-Hamburger in das Viertel, sondern auch internationale Firmen, Hotels und Museen. Der erste Spatenstich erfolgte am 9. April 2001.
Für die Freie und Hansestadt Hamburg ist das Elbprojekt noch immer ein Kraftakt: 25 Jahre Bauzeit, das bedeutete jede Menge Skandale, Baustopps und Investorensterben. Allen voran die Elbphilharmonie, die auch mit ihrer Kostenexplosion Geschichte schrieb (aus den ursprünglich veranschlagten 60 Millionen Euro wurde knapp eine Milliarde Euro). Heute sonnen sich Stadt, Investoren und Betreiber nach überstandener COVID-19-Pandemie im Erfolg: Seit ihrer Eröffnung 2017 gab und gibt es einen regelrechten, zum Teil auch internationalen Boom um das "Elphi" genannte Konzerthaus.
Riesiges Investitionsvolumen
Mehr noch: "Insgesamt wurden in die HafenCity bis 2020 bereits circa 13 Milliarden Euro investiert, davon sind allein zehn Milliarden private Investitionen. Etwa drei Milliarden sind öffentliche Investitionen, davon wird wiederum die Hälfte aus den Grundstückserlösen gegenfinanziert", rechnet Andreas Kleinau vor und erklärt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg schon zu Beginn der Entwicklung der HafenCity die Grundstücke in ein sogenanntes Sondervermögen Stadt und Hafen eingebracht hatte. Aus dem Verkauf der Grundstücke werden Infrastrukturprojekte wie Straßen, Brücken oder Parks gebaut. Die andere Hälfte der öffentlichen Investitionen wie für die Universität, Schulen oder Kulturbauten kommen aus dem städtischen Haushalt gepaart mit Bundesmitteln.
Nächtigen neben den Ozeanriesen
Im Visier stehen Zigtausende Besucher aus aller Welt, die auch mit Kreuzfahrtschiffen im Hamburger Hafen anlanden, übernachten und konsumieren sollen. Im "The Westin", einem Lifestyle-Hotel direkt in der Elbphilharmonie zum Beispiel, wollten seit der Eröffnung vor mehr als fünf Jahren so viele übernachten, dass man den Ansturm kaum bewältigen konnte. Musik- und Architekturliebhaber aus dem In- und Ausland hatten nicht nur den Konzertsaal im ehemaligen Kaispeicher A als Ziel. Generalmanagerin Madeleine Marx: "Die Idee von einem Konzerthaus für alle mit eigenem Hotel zu moderaten Preisen ist aufgegangen."
Das Hotel mit Schwimmbad und großem Spa-Bereich, das sich über 14 Stockwerke sowohl im alten Kern des Speichers und hinter den geschwungenen, mehr als 1000 Riesenfenstern der Elphi befindet, sei "sehr gut ausgelastet", sagt die Hotelchefin. Hamburg sei durch die Elbphilharmonie international zu einem "Sehnsuchtsort" aufgestiegen.
"Die Pandemie konnte diesem Trend lediglich eine Delle verpassen", bestätigt Michael Otremba von der Hamburg Tourismus GmbH. Das heißt in einer Zahl: Mehr als 1,5 Millionen Übernachtungen in einem einzelnen Monat im Sommer. 88.000 Menschen arbeiten in der Tourismusbranche der Hansestadt.
Kritik an Europas größter Baustelle
Unterdessen drehen sich die Baukräne weiter. Zum Beispiel im Überseequartier, wo an einem unterirdischen Einkaufszentrum gebaut wird. Auch die Fundamente für drei weitere Hotels sind fertig. Kreuzfahrttouristen werden dann direkt vom neuen Kreuzfahrtterminal in das Einkaufszentrum geleitet.
Dieser architektonische Kniff wird nur einen Kilometer landeinwärts von den Geschäftsleuten in der City heftig kritisiert. Entbrennt jetzt ein Konkurrenzkampf? Madeleine Marx vom Westin sieht das Potenzial der Hansestadt noch lange nicht ausgeschöpft: "Wir haben schon vor 30 Jahren gesagt, noch ein Hotel? Wo sollen die Gäste herkommen? Und bisher gab es immer genug Gäste." Sie sieht für Hamburg noch große Reserven im ausländischen Markt - gerade in Übersee.
Viel Luft nach oben hat buchstäblich der künftige Elbtower, ein 245 Meter hoher Wolkenkratzer mit einer Investitionssumme von knapp einer Milliarde Euro, der im Osten der Hafencity an den Elbbrücken liegt und die HafenCity abschließen soll. Die Finanzierung ist in trockenen Tüchern, eine Aussichtsplattform im 55. Stockwerk geplant. Mit dem in schwindelerregender Höhe geplanten "Nobu" Hotel, das dem Hollywood-Star Robert de Niro mitgehört, hat sich der Bauherr Signa allerdings für ein hochpreisiges Luxushotel entschieden.
Der Artikel wurde korrigiert. In einer ersten Fassung war vom ersten Spatenstich vor 25 Jahren die Rede. Richtig ist, dass vor 25 Jahren der Baubeschluss von der Hamburger Bürgerschaft verabschiedet wurde.