Haidar: "Aktivistin für meinen Mann"
11. September 2015Bei manchen Fragen schüttelt Ensaf Haidar den Kopf und lächelt sanft: Fragen etwa, ob ein Regimewechsel in Saudi-Arabien ihrem Mann helfen würde, oder aber, wie es anderen Bloggern dort seit seiner Verhaftung gehe. "Kein Kommentar", dazu könne sie keine Stellung nehmen. Und: In erster Linie sei sie nur und ausschließlich Aktivistin für ihren Mann, nicht mehr, nicht weniger, politische Fragen wolle sich nicht beantworten.
Seit 2012 kämpft die zierliche, zurückhaltende Frau unablässig für die Freilassung ihres Mannes, reist von einer Pressekonferenz und Demonstration zur nächsten und nimmt Preise für ihn entgegen: 2012 wurde Raif Badawi verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis, einer Geldstrafe und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Die ersten 50 Schläge erhielt Badawi im Januar öffentlich in der Stadt Dschidda. Anschließend und nach heftigen internationalen Protesten wurde die eigentlich wöchentlich geplante Auspeitschung zunächst ausgesetzt - offiziell aus gesundheitlichen Gründen
Die Anklage: Der 31-jährige saudische Blogger soll den Islam beleidigt haben. Ein Vorwurf, der internationale Kritik hervorrief und den Haidar, die selbst Islamwissenschaften studiert hat, vehement zurückweißt: Er habe nie Grenzen überschritten, er sei immer respektvoll mit allen Religionen umgegangen, so Haidar im Gespräch mit der DW, habe sich immer für Meinungsfreiheit für alle eingesetzt.
Stiftung setzt sich für Meinungsfreiheit ein
Es sei seit einigen Jahren Badawis Wunsch gewesen, eine Stiftung für Religions- und Meinungsfreiheit zu gründen - jetzt hat seine Frau es in seinem Namen getan: Am Freitag verkündete Haidar in Berlin, wo sie stellvertretend für ihren Mann den “Deutsche Welle Freedom of Speech Award" entgegennahm, die Gründung der "Raif-Badawi-Stiftung für Menschenrechte" mit Sitz in Kanada. Die Stiftung, so Haidar, solle eine Plattform werden, um Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsaktivisten in der arabischen Welt zu fördern und ihnen einen Kommunikationskanal zu bieten, so Haidar.
Unterstützt wird das Projekt unter anderem von der Deutschen Welle, der FDP nahestehenden Friedrich-Naumann-Stiftung sowie den Ehrenmitgliedern Desmond Tutu und Salman Rushdie. Der Sitz der Stiftung ist in Kanada, wo Badawis Frau mit den drei Kindern in Exil lebt.
Es gehe ihr nicht darum, "gegen bestimme Regierungen zu arbeiten (oder) irgendetwas in Saudi-Arabien zu bewirken", so Haidar: Ihre Stiftung solle eine Plattform für alle sein, unabhängig von Religion oder Politik.
Haidar: Wünsche mir mehr Engagement von Deutschland
Ihr Mann wisse noch nichts von der Stiftung, so Haidar. Die Gründung solle eine Überraschung für ihn sein, "wenn er aus dem Gefängnis kommt und endlich zu uns nach Kanada ziehen kann."
Dann aber wird sie doch noch einen Hauch politisch: Sie wünsche sich, dass alle Staaten sich stärker für ihn einsetzten, sich mehr engagierten. Deutschland etwa, könne ihm doch Asyl anbieten oder die deutsche Staatsbürgerschaft. Denn ihrem Mann, mit dem sie nach eigenen Angaben ein bis zwei Mal pro Woche telefonieren kann, gehe es "psychisch und körperlich nicht gut". Die Auspeitschung drohe weiterhin, derzeit liege der Fall beim Obersten Gericht in Saudi-Arabien.
Sie sehne sich nach ihrem Mann, so Haidar, "und meine Kinder vermissen ihn so sehr". Aber sie seien stolz auf ihren Vater, sagt sie, und ihre Stimme klingt bestimmt. Dann dreht sie sich zur nächsten Kamera, für das nächste Interview, die nächsten Fragen und Antworten, mit denen sie, die Aktivistin, für ihren Mann kämpft.