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Hamid Karsai - Vom Hoffnungsträger zur Marionette

2. Juni 2010

Auf dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ruhten einmal die Hoffnungen der internationalen Gemeinschaft. Doch die Kritik an seiner Person nimmt zu. Er sei längst Geschichte heißt es.

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Hamid Karsai (Foto. ap)
Hamid KarsaiBild: AP

Der 1957 in der südafghanische Stadt Kandahar geborene Hamid Karsai von der Volksgruppe der Paschtunen studierte Politik in Indien und schloss sich dem afghanischen im Exil an, der gegen das damalige sowjetisch unterstützte Regime in Kabul kämpfte. Sein fließendes Englisch half ihm später im Nachbarland Pakistan dabei, sich in diplomatischen Kreisen, vor allem bei der US-Vertretung, als ein engagierter Afghane zu profilieren.

In der Folge blieb Karsai eher am Rande des politischen Geschehens. Nach dem Sturz des sowjetischen Stellvertreter-Regimes von Nadschibullah 1992 fungierte Karsai als Vize-Außenminister im neuen "Islamischen Staat Afghanistan", der in den Wirren des Bürgerkrieges Bürgerkrieg aufgerieben wurde.

Erst pro, dann contra Taliban

Bald wechselte er die politische Seite und unterstützte die von Islamabad als Ordnungs-macht konzipierten Taliban-Milizen. Nachdem diese 1996 eine Gewaltherrschaft in Afghanistan errichtet hatten, distanzierte sich der Clan Karsais von den militanten Taliban. Die Ermordung seines Vaters durch die Taliban-Milizen im pakistanischen Exil machte Karsai umso entschlossener im Kampf gegen die obskuren Milizen.

Hamid Karsai (Mitte) und Gerhard Schröder (re.), und Lakhdar Brahimi (li.) (Foto. ap)
Inthronisierung auf dem Petersberg - Hamid Karsai (Mitte) und Gerhard Schröder (re.)Bild: AP

Auf die Weltbühne trat Hamid Karsai dann im November 2001 auf der Petersberger Afghanistan-Konferenz in Bonn, als er zum Chef einer Interimsregierung ernannt wurde. Unbefleckt durch seine Vergangenheit war Karsai der perfekte Kompromiss-Kandidat für die internationale Gemeinschaft. Nach afghanischer Tradition benötige Karsai aber noch die Zustimmung seiner Landsleute. Dafür bot sich eine "Loja Dschirga" an, die traditionelle afghanische "große Versammlung". 2002 behauptete sich Karsai in einer solchen Versammlung. Gemäß der neuen Verfassung des Landes wählte Afghanistan 2004 zum ersten Mal seinen eigenen Präsidenten.

Erster demokratisch gewählter Präsident

In dieser Wahl setzte sich Karsai gegen 17 weitere Präsidentschaftskandidaten durch und ging als Sieger und erster demokratisch gewählter Präsident Afghanistans in die Geschichte ein. Zunächst agierte er sehr vorsichtig. An seinem Kabinettstisch saßen nämlich Vertreter aller politischer Lager. Als Paschtune hatte er streng darauf geachtet, dass bei der Besetzung der wichtigen politischen Ämter alle Interessengruppen berücksichtigt wurden. Mit der internationalen Rückendeckung hatte Karsai eigentlich sehr günstige Vorsaussetzungen, um Frieden im Land wiederherzustellen, doch durch den Einfluss der Warlords blieb Karzais Macht beschränkt. In letzter Zeit sah sich Karsai vermehrter Kritik ausgesetzt. Zuletzt verlor er sogar die Unterstützung der USA. Die Amerikaner bemängeln die schlechten Leistungen der afghanischen Sicherheitskräfte und hinter vorgehaltener Hand werfen sie Karsai auch einen Mangel an Durchsetzungsfähigkeit vor.

Bisher fand Karsai auch kein Mittel, die Korruption, die bis in höchste Regierungskreise reicht, und den Drogenhandel einzudämmen. Beide Aspekte erschweren die Stabilisierung Afghanistans erheblich. Der ehemalige Geheimdienst-Chef von Pakistan nannte die afghanische Regierung sogar eine Marionette und fügte hinzu, Karsai sei eigentlich längst Geschichte.

Massive Stimmenfälschungen

Hamid Karsai und sein Kontrahent Abdullah Abdullah (re.) (Foto. ap)
Hamid Karsai und sein Kontrahent Abdullah Abdullah (re.)

Bei der Präsidentschaftswahl 2009 stellte sich Karsai erneut zur Wahl. Dabei kam es zu mehreren hunderttausend Stimmenfälschungen zugunsten von Karsai. Daraufhin wurde eine Stichwahl zwischen ihm und seinem Kontrahenten Abdullah Abdullah angesetzt, die aber ausfiel, weil Abdullah aus Protest vor erneuten Unregelmäßigkeiten seine Kandidatur zurückzog. Die afghanische Wahlkommission rief Karzai daher erneut zum Präsidenten aus.

Zuletzt liess Karsai aufhorchen, als er ankündigte, er wolle sich mit den Aufständischen versöhnen. Deren Forderung nach einem Abzug der ausländischen Truppen bis Juli 2010, nach Entlassung aller politischen Gefangenen sowie nach Auflösung des Parlaments in Kabul wird er aber wohl kaum nachkommen können.

Autor: Arne Lichtenberg/Said Samimy
Redaktion: Hartmut Luening