"Harter Hund" wird neuer Chef
18. Juni 2018Es dürfte ein Amtsleiter ganz nach dem Gusto von Bundesinnenminister Horst Seehofer sein: Hans-Eckhard Sommer - CSU-Mann, Jurist und laut Expertenmeinung asylrechtlicher Hardliner - soll die frisch entlassene Jutta Cordt ablösen und neuer Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden. Cordt hatte das Amt zwar erst Anfang 2017 übernommen, musste aber im Zuge Seehofers "personeller Konsequenzen" rund um die Affäre der Bremer Außenstelle gehen. Schon länger war sie unter Druck geraten.
Mit Sommer will sich Seehofer offenbar eine Leitung ins BAMF holen, auf die er sich politisch verlassen kann. Der 1961 geborene Jurist ist schon seit Jahrzehnten im bayerischen Staatsdienst. Unter dem damaligen Ministerpräsident Edmund Stoiber war er Büroleiter, unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein persönlicher Referent. Zuletzt war Sommer Leiter des Sachgebiets Ausländer- und Asylrecht im bayerischen Innenministerium und gehörte der zehnköpfigen Härtefallkommission in Bayern an, die über das Bleiberecht ausreisepflichtiger Ausländer entscheidet. Seehofer dürfte ihn deshalb gut kennen.
Restriktiver Fachmann
Viel ist über die Person Sommer seit Bekanntgabe der Personalie nicht in Erfahrung zu bringen. Aus Fachkreisen heißt es, er wäre ein "harter Hund", der abgelehnte Asylsuchende schneller ausweisen soll und Migranten stärker auf terroristische Kontakte hin überprüfen lassen will. "Er ist sicherlich ein ausgewiesener Fachmann für Asylrecht, aber er hat schon immer eine sehr restriktive Linie verfolgt", sagt auch Hannes Schammann, Professor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim und Mitglied im "Rat für Migration", der DW.
"Das heißt, dass er versucht, unter anderem Bleibemöglichkeiten für abgelehnte Flüchtlinge auszuschließen - auch wenn der Asylsuchende beispielsweise einen Ausbildungsplatz gefunden hat." Das sollte eigentlich durch das bundesweite Integrationsgesetz, die sogenannte 3+2 Regelung, vermieden werden. Doch in Bayern wurde unter Ausnutzung eines juristischen Schlupflochs eine deutlich restriktivere Praxis angewendet. Der abgelehnte Asylsuchende konnte vielfach trotz Ausbildungszusage der Betriebe den Job doch nicht antreten, was auch in der Wirtschaft für Verärgerung sorgte. Beim bayerischen Flüchtlingsrat rief Sommer großen Unmut hervor, als er Verbesserungen der Lebensbedingungen - also Bargeld statt Essenspakete - für Flüchtlinge ablehnte. "Ich kann nur davor warnen, Sommer zum Leiter zu ernennen", sagte der Sprecher des Rates, Alexander Thal, der DW.
"Harte Linie aus Bayern" könnte das BAMF verändern
Auf Konferenzen zum Thema Flucht und Asyl eilte Sommer deshalb seinem Ruf bereits voraus. "Wenn er dort auftrat, war immer klar: Jetzt kommt die harte Linie aus Bayern", sagte Schammann. Für das BAMF dürfte der neue Leiter deshalb auch einige Veränderungen bringen. "Ich bin skeptisch, dass er viel von der Verknüpfung der Aufgaben von Asylverfahren und Integration hält", sagt der Migrationspolitik-Experte. Das entspreche auch Sommers Kompetenzen: Er sei zwar im Asylrecht ein Fachmann, aber nicht unbedingt bei Integrationsfragen. "Das wird für ihn sicherlich eine Herausforderung, wenn das Bundesamt diese Aufgaben der Integration behalten sollte." Denn zurzeit koordiniert das Amt neben den Entscheidungen zu Asylverfahren auch Integrationskurse, Migrationsberatung und Forschung zu Asyl und Migration.
Auch die arbeitsmarktorientierte Ausrichtung des BAMF - die ehemalige Leiterin Jutta Cordt war immerhin viele Jahre für die Bundesagentur für Arbeit (BA) tätig und Ziehtochter des ehemaligen BA- und BAMF-Chefs Frank-Jürgen Weise - könnte sich ändern. Flüchtlinge sollten schnell in Jobs gebracht werden, auch um den demographischen Wandel mit immer mehr Rentnern und immer weniger Arbeitnehmern etwas entgegen zu setzen. "Das wird jetzt durch eine stärkere Sicherheitsorientierung abgelöst", sagt Schammann. "Das BAMF wird sich möglicherweise noch stärker auf seine - wie man so schön sagt - Kernaufgaben konzentrieren, also die Entscheidung von Asylverfahren."
Zwischen Herkulesaufgabe und Innovationen
Neben den Kernaufgaben dürften auf Sommer jedoch viele weitere Aufgaben warten: Die Affäre um die Bremer Außenstelle muss aufgeklärt, die Behörde reformiert und den Mitarbeitern wieder Selbstvertrauen gegeben werden. Zudem will Seehofer eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und Asylsuchende künftig in Massenunterkünften mit bis zu 1500 Bewohnern unterbringen, in den sogenannten Ankerzentren. Dort sollen sie bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Sommer soll bei dem Aufbau der Zentren mitwirken.
Bei Innovationen werde sich Sommer vermutlich eher zurückhalten, fürchtet der Migrationsexperte. "Mit Hans-Eckhard Sommer wird jemand besetzt, der den Status von vor dem Zuwanderungsgesetz 2005 wieder herstellen möchte", sagt Schammann. Aber vielleicht überrasche der Jurist auch. "Für NGOs ist er aber auf jeden Fall keine Wunschbesetzung."