Onlinehandel boomt
8. Mai 2012Ende April gab der deutsche Versandhändler Neckermann bekannt, seinen Bestellkatalog abzuschaffen und fast 1400 Beschäftige zu entlassen. Fast zynisch klang die Überschrift der Pressemitteilung: "Neckermann.de beschleunigt E-Commerce-Ausrichtung." Übersetzt heißt das: Wir werfen das klassische Katalog-Geschäft über Bord und setzen auf den Online-Versand.
"Mittlerweile macht Neckermann.de 80 Prozent seines Umsatzes über den Online-Shop, fast alle Neukunden kommen aus dem Internet", begründet Anne Putz, Unternehmenssprecherin bei Neckermann.de, gegenüber DW die Entscheidung des Konzerns. Laut Neckermann halbierte sich im ersten Quartal 2012 der Umsatz im Katalog-Geschäft, während der Online-Versandhandel um 30 Prozent zunahm.
Fast zwei Drittel aller Bestellungen online
Die Umstrukturierung bei Neckermann ist Symptom für einen Wandel der Branche. Laut Bundesverband des Deutschen Versandhandels fanden im vergangenen Jahr fast zwei Drittel aller Bestellungen online statt. Seit Jahren wächst das Geschäft.
Marktführer in Deutschland ist der amerikanische Anbieter Amazon. Sein Erfolgsgeheimnis: Auf der Plattform können auch andere Anbieter ihre Produkte verkaufen. Auf Platz zwei und drei folgen mit Otto.de und Neckermann.de Online-Ableger traditioneller deutscher Katalogversender. Ihnen kam beim Gang ins Internet zugute, dass sie im Netz mit ihrer Erfahrung und der bestehenden Logistik im Warenversand durchstarten konnten.
Traditionelle Versandhändler und neue Konkurrenten
Gleichzeitig drängen seit Jahren neue Konkurrenten auf den Markt, allen voran das Berliner Unternehmen Zalando. Mit einer aggressiven Werbestrategie hat sich der Schuh- und Kleiderversand in kurzer Zeit auf dem Markt etabliert. Immer wieder liest man vom "Start-Up-Erfolg" Zalando. Eine Beschreibung, die missverständlich ist, so Ingmar Böckmann vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels.
Schon vor dem Start von Zalando hätten seine Gründer, die Unternehmerbrüder Samwer, zahlreiche Geldgeber an der Hand gehabt. "Zalando war nie wirklich ein Start-Up. Sie sind in einer ganz anderen Liga gestartet, als Start-Up-Unternehmen heutzutage eigentlich starten", so Böckmann im DW-Gespräch.
Erfolg von Zalando noch ungewiss
So liest sich die Geschichte Zalandos wie ein Online-Märchen: Erst vor rund dreieinhalb Jahren gestartet, liefert das Unternehmen mittlerweile in sieben europäischen Ländern aus. Und doch es wäre es verfrüht, Zalando als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen, sagt Bernd Skiera, Professor für E-Commerce in Frankfurt: "Zalando hat sicherlich Beachtliches hinbekommen. Die letzten Zahlen sagten ja auch: über 160 Millionen Euro Umsatz, allerdings auch bei einem Verlust von 20 Millionen Euro. Die Umsatzzahlen sind beachtlich, der Verlust allerdings auch."
Gerade haben ausländische Investoren ihre Anteile bei Zalando erhöht, um den Online-Versand auf weitere Länder auszuweiten. Mit seinem rasanten Wachstum muss Zalando allerdings auch seine Infrastruktur entsprechend aufstocken: Im Moment baut das Unternehmen ein weiteres Warenlager für rund 100 Millionen Euro.
Herausforderung Warenabfertigung
Das zeigt die Herausforderungen, mit denen Internetversandhändler zu kämpfen haben: Während ihre Kunden primär die Webseiten wahrnehmen, entscheidet sich die Rentabilität des Unternehmens im Hintergrund: Bei der Abfertigung der Waren.
Das ist kein neues Phänomen, genauso war es schon im traditionellen Kataloggeschäft. Neu ist, dass kleine Anbieter im Internet auf offenen Plattformen wie Amazon aus dem Stand Kunden bedienen können. Damit können auch kleine Unternehmen in Konkurrenz mit den traditionellen Versandunternehmen wie Otto.de, Neckermann.de oder neuen Großhändlern wie Zalando treten.
Der Neckermann-Katalog ist Geschichte. Wie sich die traditionellen Versandhändler im Internet bewähren werden, wird auch von ihren Strategien abhängen, sich im Netz zu positionieren. Der rasante Aufstieg von Zalando hat gezeigt, wie wichtig gerade dort ein aggressives Auftreten ist.