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Hauptstadtflughafen erneut vor Gericht

Kay-Alexander Scholz3. Juli 2012

Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg sollte ein Vorzeigeobjekt werden. Bisher aber überwiegen die Negativ-Schlagzeilen. Nun müssen sich die Richter erneut mit dem Projekt befassen. Angeklagt ist der Staat.

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Brandenburg/ ARCHIV: Ein Mitarbeiter steht auf dem zukuenftigen Grossflughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt (BER) in Schoenefeld vor dem BER-Tower (Foto vom 04.03.12). Der Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg wird spaeter in Betrieb genommen als geplant. Er soll einem Medienbericht zufolge nicht am 3. Juni eroeffnet werden. Hintergrund fuer die erneute Verzoegerung sollen der "Bild"-Zeitung zufolge Probleme beim Brandschutz sein. (zu dapd-Text) Foto: Steffi Loos/dapd
Bild: dapd

"In der gesamten Planfeststellung war dem Ministerium klar: Die Auswirkungen werden andere sein", sagte der Kläger-Anwalt Frank Boermann. Der Sprecher des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Klaus-Peter Dolde wies den Täuschungsvorwurf zurück. "Diese Verschwörung bei den Flugrouten hat es nicht gegeben." Mit diesem, den Sachverhalt in aller Kürze gut beschreibenden Dialog begann am Dienstag (03.07.2012) am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Prozess, der den Start des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg erneut verschieben könnte.

Kern der Klage von Anwohnern, Gemeinden und Wohnungsbauunternehmen ist die Behauptung, dass der Öffentlichkeit über Jahre verschwiegen worden sei, dass es mit den ursprünglich vorgesehenen Flugrouten wohl nichts würde. Jahrelang und offiziell im Planungsprozess hieß es, dass die Flieger geradeaus starten und landen werden. Entsprechend richteten sich viele Einwohner des sogenannten Speckgürtels um Berlin darauf ein und bauten ihre Häuser dort, wo sie vermuteten, in relativer Ruhe vor Fluglärm leben zu können.

Die Richter des 4. Senats, (l-r) Ulrike Bumke, Renate Philipp, Rüdiger Rubel (Vorsitzender), Alexander Jannasch und Helmut Petz sitzen am Dienstag (03.07.2012) vor Beginn eines Prozesses gegen den neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Anwohner und Anrainer-Gemeinden werfen dem Land Brandenburg und dem staatlichen Flughafenbetreiber vor, sie bei den Flugrouten getäuscht zu haben. Sie sehen sich um ihre Klagerechte gebracht und wollen den Planfeststellungsbeschluss für das Milliardenprojekt kippen. Foto: Jan Woitas dpa/lsn/lbn
Das Gericht will ein Urteil erst Ende Juli verkündenBild: picture-alliance/dpa

Doch im September 2010 kam an die Öffentlichkeit, dass die Flugrouten aus Sicherheitsgründen wohl abknicken müssen. Laut Medienberichten soll das den Verantwortlichen bereits 1998 klar gewesen sein.

Falsche Flugrouten

Nach der Veröffentlichung der neuen Flugrouten kam es zu einem Aufschrei in der Bevölkerung. Plötzlich waren ganz andere Anwohner vom Fluglärm betroffen. Dutzende Bürgerinitiativen wurden gegründet, die teilweise noch heute zu wöchentlichen Protest-Demonstrationen aufrufen. Nach monatelangem Streit einigte man sich auf einen Kompromiss. Doch dieses ist durch die Klage nun erneut in Frage gestellt ist.

ARCHIV - Nikolaus Herrmann, Direktor des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BFA), hält am Donnerstag (26.01.2012) in Berlin eine Karte, die die Flugrouten für den Flughafen Berlin Brandenburg zeigt. Der Hauptstadtflughafen beschäftigt wieder das Bundesverwaltungsgericht . Am 3. und 4. Juli will das höchste Verwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen von Anwohnern verhandeln, die sich bei den Flugrouten getäuscht sehen. Foto: Maurizio Gambarini dpa/lbn
"Mit den Flugrouten wurde getrickst", sagen die KlägerBild: picture-alliance/dpa

"Wir sind optimistisch", sagte Matthias Schubert, Vorsitzender der Bürgerinitiative Kleinmachnow gegen Flugrouten zum Verhandlungsbeginn in Leipzig. Bei dem Flughafen handele es sich um einen Fall von Versagen des Staates. Unter anderem moniert die Gemeinde Kleinmachnow, sie habe erst jetzt erfahren, dass das Land Brandenburg und die Flughafengesellschaft "die Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren wider besseres Wissen ausgehend von geradlinigen und nicht von abknickenden Flugrouten dargestellt hätten". Dadurch sei sie von einer fristgerechten Klage abgehalten worden. Die Klagefrist müsse daher wieder eingesetzt werden.

Die mündliche Verhandlung ist auf zwei Tage angesetzt. Mit einem Urteil wird noch im Juli gerechnet. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass das gesamte Planfeststellungsverfahren gekippt wird.

Bereits im Jahr 2006 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Flughafen befasst und den Betrieb unter Auflagen bestätigt. Weitere Klagen in den Folgejahren betrafen zum Beispiel Fragen eines Nachtflugverbots.

Schon jetzt viele Schrammen

Der neue Flughafen, das größte Infrastrukturprojekt im Osten des Landes, gehört zu 26 Prozent dem Bund und zu jeweils 37 Prozent den Bundesländern Berlin und Brandenburg. Deren Ministerpräsidenten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft stehen derzeit nicht nur wegen der Leipziger Klage unter Druck. Der Start des immer noch im Bau befindlichen Flughafens wurde bereits zwei Mal verschoben. Die jüngste Verschiebung vom 3. Juni 2012 auf den 17. März 2013 kündigte die Flughafengesellschaft zudem erst kurz vorher an. Deshalb drohen nun hohe Strafen, unter anderem von den beiden größten Airlines Lufthansa und Air Berlin. Da der neue Flughafen auch ein riesiges Shopping-Center sein soll, sind zudem hunderte Unternehmen wirtschaftlich betroffen, die bereits Personal eingestellt und Ware eingekauft hatten.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit äußert sich auf einer Pressekonferenz am Donnerstag (17.05.2012) in Schönefeld bei Berlin. Auf einer Aufsichtsratssitzung des Flughafens Berlin Brandenburg GmbH wurde entschieden, dass die Flughafeneröffnung auf den 17. März 2013 verschoben und der Technikgeschäftsführer das Unternehmen verlassen wird. Foto: Jörg Carstensen dpa/lbn pixel
Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, steht wegen der Flughafen-Affäre mächtig unter DruckBild: picture-alliance/dpa

Der Berliner Senat hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der klären soll, warum die Verschiebung - offiziell wegen mangelnden Brandschutzes - so knapp bekannt gegeben wurde. Angeblich sollen die Verantwortlichen weit vorher gewusst haben, dass der Termin nicht zu halten ist.

Deutlich teurer als geplant

Doch die Strafgelder sind nicht der einzige Grund, weshalb der Flughafen deutlich teurer als geplant wird. Ein anderes Gericht entschied vor wenigen Tagen, dass die geplanten Schallschutzkosten bei weitem nicht ausreichen. Sie werden nun vier Mal so hoch berechnet und steigen auf fast 600 Millionen Euro.

Der Flughafenbau wird wohl insgesamt 1,17 Milliarden Euro mehr kosten als vorgesehen und insgesamt 4,2 Milliarden Euro verschlingen.

Der neue Eröffnungstermin steht übrigens auch schon wieder zur Disposition. Eine Auskunft darüber soll es im August geben. Sollte den Klägern am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig allerdings grundsätzlich Recht gegeben werden, dann wird der erste Flugzeg am neuen Hauptstadtflughafen allein aus diesem Grund ein bis zwei Jahre später starten müssen.