Hauptstadtflughafen erneut vor Gericht
3. Juli 2012"In der gesamten Planfeststellung war dem Ministerium klar: Die Auswirkungen werden andere sein", sagte der Kläger-Anwalt Frank Boermann. Der Sprecher des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Klaus-Peter Dolde wies den Täuschungsvorwurf zurück. "Diese Verschwörung bei den Flugrouten hat es nicht gegeben." Mit diesem, den Sachverhalt in aller Kürze gut beschreibenden Dialog begann am Dienstag (03.07.2012) am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Prozess, der den Start des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg erneut verschieben könnte.
Kern der Klage von Anwohnern, Gemeinden und Wohnungsbauunternehmen ist die Behauptung, dass der Öffentlichkeit über Jahre verschwiegen worden sei, dass es mit den ursprünglich vorgesehenen Flugrouten wohl nichts würde. Jahrelang und offiziell im Planungsprozess hieß es, dass die Flieger geradeaus starten und landen werden. Entsprechend richteten sich viele Einwohner des sogenannten Speckgürtels um Berlin darauf ein und bauten ihre Häuser dort, wo sie vermuteten, in relativer Ruhe vor Fluglärm leben zu können.
Doch im September 2010 kam an die Öffentlichkeit, dass die Flugrouten aus Sicherheitsgründen wohl abknicken müssen. Laut Medienberichten soll das den Verantwortlichen bereits 1998 klar gewesen sein.
Falsche Flugrouten
Nach der Veröffentlichung der neuen Flugrouten kam es zu einem Aufschrei in der Bevölkerung. Plötzlich waren ganz andere Anwohner vom Fluglärm betroffen. Dutzende Bürgerinitiativen wurden gegründet, die teilweise noch heute zu wöchentlichen Protest-Demonstrationen aufrufen. Nach monatelangem Streit einigte man sich auf einen Kompromiss. Doch dieses ist durch die Klage nun erneut in Frage gestellt ist.
"Wir sind optimistisch", sagte Matthias Schubert, Vorsitzender der Bürgerinitiative Kleinmachnow gegen Flugrouten zum Verhandlungsbeginn in Leipzig. Bei dem Flughafen handele es sich um einen Fall von Versagen des Staates. Unter anderem moniert die Gemeinde Kleinmachnow, sie habe erst jetzt erfahren, dass das Land Brandenburg und die Flughafengesellschaft "die Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren wider besseres Wissen ausgehend von geradlinigen und nicht von abknickenden Flugrouten dargestellt hätten". Dadurch sei sie von einer fristgerechten Klage abgehalten worden. Die Klagefrist müsse daher wieder eingesetzt werden.
Die mündliche Verhandlung ist auf zwei Tage angesetzt. Mit einem Urteil wird noch im Juli gerechnet. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass das gesamte Planfeststellungsverfahren gekippt wird.
Bereits im Jahr 2006 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Flughafen befasst und den Betrieb unter Auflagen bestätigt. Weitere Klagen in den Folgejahren betrafen zum Beispiel Fragen eines Nachtflugverbots.
Schon jetzt viele Schrammen
Der neue Flughafen, das größte Infrastrukturprojekt im Osten des Landes, gehört zu 26 Prozent dem Bund und zu jeweils 37 Prozent den Bundesländern Berlin und Brandenburg. Deren Ministerpräsidenten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft stehen derzeit nicht nur wegen der Leipziger Klage unter Druck. Der Start des immer noch im Bau befindlichen Flughafens wurde bereits zwei Mal verschoben. Die jüngste Verschiebung vom 3. Juni 2012 auf den 17. März 2013 kündigte die Flughafengesellschaft zudem erst kurz vorher an. Deshalb drohen nun hohe Strafen, unter anderem von den beiden größten Airlines Lufthansa und Air Berlin. Da der neue Flughafen auch ein riesiges Shopping-Center sein soll, sind zudem hunderte Unternehmen wirtschaftlich betroffen, die bereits Personal eingestellt und Ware eingekauft hatten.
Der Berliner Senat hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der klären soll, warum die Verschiebung - offiziell wegen mangelnden Brandschutzes - so knapp bekannt gegeben wurde. Angeblich sollen die Verantwortlichen weit vorher gewusst haben, dass der Termin nicht zu halten ist.
Deutlich teurer als geplant
Doch die Strafgelder sind nicht der einzige Grund, weshalb der Flughafen deutlich teurer als geplant wird. Ein anderes Gericht entschied vor wenigen Tagen, dass die geplanten Schallschutzkosten bei weitem nicht ausreichen. Sie werden nun vier Mal so hoch berechnet und steigen auf fast 600 Millionen Euro.
Der Flughafenbau wird wohl insgesamt 1,17 Milliarden Euro mehr kosten als vorgesehen und insgesamt 4,2 Milliarden Euro verschlingen.
Der neue Eröffnungstermin steht übrigens auch schon wieder zur Disposition. Eine Auskunft darüber soll es im August geben. Sollte den Klägern am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig allerdings grundsätzlich Recht gegeben werden, dann wird der erste Flugzeg am neuen Hauptstadtflughafen allein aus diesem Grund ein bis zwei Jahre später starten müssen.