Havannas banger Blick nach Caracas
14. März 2019Ärzte gegen Öl heißt der Deal, und die kubanische Führung feierte den Vertrag, der bis 2021 gilt, als "wichtigstes Abkommen beider Länder in den letzten Jahren". Kuba schickt sein wichtigstes Exportgut, seine größte Devisenquelle, nämlich hervorragend ausgebildete Ärzte, im Gegenzug erhält die sozialistische Karibikinsel dafür Erdöl. An den Namen des Handelspartners muss man sich erst noch gewöhnen: Algerien. Kuba wappnet sich also schon jetzt für den Ernstfall - falls in näherer Zukunft gar kein Öl mehr vom Verbündeten Venezuela kommt.
Enge Beziehungen seit Chávez
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Venezuela und Kuba sind seit dem Amtsantritt von Präsident Hugo Chávez 1999 eng. Venezuela übernahm damals die hilfreiche Rolle der verblichenen UdSSR und ist auch zwei Jahrzehnte später noch Kubas zweitwichtigster Handelspartner nach China.
"Öl aus Venezuela deckt den Großteil der Energieversorgung Kubas, es zu ersetzen würde Kuba in eine tiefe Krise stürzen", erklärt Bert Hoffmann, Politikwissenschaftler vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien, "das würde auf jeden Fall zu dramatischen Sparprogrammen und zu einer großen Belastung für die Bevölkerung führen."
Auch Nicaragua ist von der venezolanischen Krise betroffen
Neben Kuba profitiert auch Nicaragua vom 2005 initiierten "Petrocaribe"-Programm, wenn auch in kleinerem Rahmen. Das Abkommen mit einigen Karibikstaaten garantiert venezolanisches Öl zum Vorzugspreis. Es wird nur zur Hälfte direkt bezahlt, der Rest kann über einen Zeitraum von 25 Jahren bei niedrigen Zinsen abgestottert werden.
Für Kuba, sagt Hoffmann, stehe beim Machtkampf in Caracas viel mehr auf dem Spiel als für die Regierung von Daniel Ortega in Nicaragua. "Der Tauschhandel mit Kuba ist viel größer. Kuba hat 30.000 Ärzte und anderes medizinisches Personal im Austausch für Erdöllieferungen nach Venezuela geschickt."
Brasilien steht als Partner auf der Kippe
Offizielle Daten, wie viel Erdöl Kuba täglich aus Venezuela bezieht, gibt es nicht. Zu Hochzeiten sollen es 115.000 Barrel gewesen sein, was rund 80 Prozent des gesamten Erdölverbrauchs auf der Karibikinsel ausmachte. Heute wandern wahrscheinlich noch um die 50.000 Barrel jeden Tag nach Havanna. Die Zeiten, in denen Kuba so raue Mengen erhielt, dass es das Erdöl auf dem internationalen Markt sogar weiterverkaufen konnte, sind längst vorbei.
Einen Ähnlichen "Ärzte gegen Öl"-Deal hat Kuba mit Brasilien. Etwa 10.000 kubanische Mediziner arbeiten zurzeit noch in Brasilien. Doch auch diese Partnerschaft steht auf der Kippe: Nachdem Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro schon im Wahlkampf gegen die kubanischen Ärzte wetterte, kündigte Kuba an, Ärzte abzuziehen.
"Inzwischen hat Kuba viele Ärzte abgezogen, da bricht jetzt auch ein großer Teil weg", erklärt Manuel Neumann vom Lateinamerika Verein in Hamburg.
Kuba ist deswegen gezwungen, nach neuen Erdöllieferanten Ausschau zu halten, sei es seit 2017 Russland, oder eben auch Algerien, Mexiko und Katar. "Wenn Kuba eines aus langjähriger Erfahrung kann, dann ist es, politisch clever zu agieren", sagt Neumann, "die Regierung in Havanna ist da nicht radikal, sondern sehr pragmatisch."
Trumpfkarte Tourismus
Wie dieser Pragmatismus aussehen könnte, erläutert der kubanische Wirtschaftswissenschaftler Pavel Vidal Alejandro, der an der Universität von Cali in Kolumbien lehrt. "Kuba wird den Privatsektor auf der Insel weiter öffnen und zudem direkte Investitionen aus dem Ausland erleichtern, darüber besteht bei der kubanischen Regierung ein breiter Konsens." Genauso wie daran zu arbeiten, internationale Wirtschaftsbündnisse mit neuen Partnern zu schließen.
Vor allem aber werde Havanna verstärkt auf die Tourismus-Karte setzen, sagt Vidal Alejandro: "Der Tourismus ist im letzten Jahr um 16 Prozent gestiegen und war damit wie ein Stoßdämpfer für die Krise in Venezuela." Cuba Libre für die Touristen also statt kostenloses Erdöl aus Venezuela. Im Gegensatz zu Venezuela hat Kuba in den letzten 60 Jahren noch jede akute Versorgungskrise gemeistert.