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Hayes: "Vertrauen ist der Schlüssel"

Gerhard Elfers11. Dezember 2013

Im DW-Interview spricht der stellvertretende irische Finanzminister Brian Hayes über das Ausscheiden Irlands aus dem Rettungsschirm - und über eine mögliche Vorbildfunktion für andere krisengeschüttelte Länder.

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Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Staatsminister, wie fühlt es sich an, dass die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank Ihr Land wieder verlassen hat?

Brian Hayes: Wenn man in eine Schieflage gerät, ist es sehr wichtig, auch wieder herauszukommen. Noch wichtiger ist es allerdings, sich auch tatsächlich halten zu können, wenn man sich erst einmal zurück auf die internationalen Währungsmärkte begeben hat. Das Schlimmste für Irland wäre, nun dieses Programm verlassen zu haben, um dann in ein anderes Programm zu fallen - auch wenn es ein Schutzprogramm ist.

Warum waren Sie gegen eine Sicherheits-Kreditlinie?

Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die irische, die sehr abhängig von ihrem guten Ruf ist, ist es sehr wichtig, ihren Platz auf dem Währungsmarkt wieder zu finden. Wir haben uns gegen eine Sicherheits-Kreditlinie entschieden, weil wir in unseren Prognosen mit signifikanten Geldreserven rechnen, die sich aus der engen Überwachung der Staatsverschuldung ergeben sollen.

Dadurch hätten wir selbst dann noch ausreichend Kapital, wenn wir nächstes Jahr gar nichts durch die jährlichen Staatsanleihenverkäufe einnehmen sollten. Das Defizit ist niedrig, das Wirtschaftswachstum zieht wieder an und die Arbeitslosigkeit geht zurück - die Leute gehen wieder arbeiten. Ich glaube, wir erbringen gerade den Beweis, dass man - in Anbetracht der Krise, die unser Land vor einigen Jahren erfasst hat - auch in einem sehr viel stärkeren Wettbewerb den Rettungsschirm verlassen kann.

Welche Botschaft sendet Irland damit den anderen Ländern, die noch unter dem Rettungsschirm stehen?

Unsere Botschaft ist: Du musst deine Rechnung korrigieren. Man kann immer eine wachstumsfördernde, stabilisierende Finanzpolitik betreiben. Wir haben 28 Milliarden Euro aus der irischen Wirtschaft abgezogen, durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen. Und dennoch erleben wir derzeit ein Wirtschaftswachstum. Wenn man die Ausgangsdaten korrigiert, kann man Geld aus einer Volkswirtschaft abziehen und dennoch ihr Wachstum fördern.

Wird Irland damit zum neuen Rollenmodell für Enthaltsamkeit?

Das sollen andere beurteilen. Als wir 2011 an die Regierung kamen, war es unsere Aufgabe, die irische Wirtschaftslage zu verbessern, das Land aus dem Rettungspaket heraus zu holen und es wieder auf die eigenen Füßen zu stellen.

Wie wichtig ist Psychologie bei der Nachfragestimulierung?

Wichtiger als alles andere. Vertrauen ist der Schlüssel. Ich denke, die Leute werden anfangen, einen Teil ihrer Ersparnisse auszugeben und sich wieder auf dem Markt zu engagieren. Sobald sie das Gefühl haben, dass wir die Krise hinter uns haben, werden sie wieder Geld ausgeben. Langsam, aber sicher wächst das Vertrauen der Iren wieder - besonders in den letzten drei Monaten.

Wo steht die irische Wirtschaft gerade?

Es ist eine wendige Wirtschaft. Wir sind exportorientiert, anders als vielleicht andere mediterrane Länder. Wir haben keinen starken öffentlichen Sektor.

Wie unterstützen Sie kleine und mittelständische Unternehmen?

Der Schlüssel ist, das Kreditwesen wieder anzukurbeln. Nach dem Bankenkollaps haben wir dem irischen Bankensektor sehr klare Ziele vorgegeben, um kleinen und mittelständischen Unternehmen Geld zur Verfügung zu stellen. Wir haben mit der "Credit Review Office" (CRO) eine Finanzmarktaufsicht ins Leben gerufen. Wenn ein Kredit abgelehnt wird, kann ein Unternehmen hier Berufung einlegen. In 60 Prozent aller Fälle hat die CRO dann zugunsten des Antragstellers entschieden - und gegen die Bank.

Zudem haben wir interessante Steueranreize für diese Unternehmen geschaffen. Wenn sie zum Beispiel einen Arbeitslosen einstellen, wird der zwei Jahre lang von steuerlichen Abgaben befreit.

Auch wenn man nicht mit Geld um sich werfen kann, um die Wirtschaft anzukurbeln, kann man das Steuersystem also als ein Instrument nutzen, um Kleinunternehmen und Mittelständlern zu Wachstum und zur Gesundung zu verhelfen. Sie sind unsere Zukunft. Wir kennen das ja aus Deutschland: Wenn in irgendeinem Land kleine und mittelständische Firmen das Herzstück der Wirtschaft ausmachen, dann in Deutschland. Wir brauchen starke kleine und mittelständische Unternehmen, die wachsen und exportieren.

Ist jetzt Schluss mit der Enthaltsamkeit?

Wir kommen da nur heraus, wenn es uns gelingt, das hohe Staatsdefizit abzubauen. Die Staatsverschuldung ist zwar schon gesunken - aber wir sind noch nicht am Ziel. 2015 werden wir unter drei Prozent (Neuverschuldung, Anm. d. Red.) liegen.

Außerdem müssen wir unsere öffentlichen Ausgaben in Griff bekommen - damit wir nie wieder in eine solche Lage geraten. Wir müssen unsere Ausgaben und unsere Steuerpolitik sehr genau überwachen, um sicherzustellen, dass wir mehr einnehmen als ausgeben.

Was vielen Leuten gar nicht so sehr bewusst ist: Wir haben unsere Ausgaben für Beamtenbesoldung und -pensionen bereits um 17 Prozent gesenkt. Wir haben im öffentlichen Dienst dramatisch eingespart, etwa 10 Prozent aller Stellen. Die Gewerkschaften haben das akzeptiert - und das ist ihnen nicht leicht gefallen. Ich kenne kein anderes Land, das so radikal im öffentlichen Dienst eingespart hat - sowohl in der Besoldung alsauch beim Personal - und das dies im Sinne eines Konsenses aller Tarifpartner umgesetzt hat. Die Iren aber verstehen, dass wir diese Opfer bringen müssen, um unser Land wieder aufzurichten.

Brian Hayes ist stellvertretender irischer Finanzminister.