Maas: Ein Siegertyp, der schon oft verloren hat
8. März 2018"Mir geht es um Gerechtigkeit. Dafür kämpfe ich mein ganzes politisches Leben. Dafür stehe ich." So charakterisiert sich der neue deutsche Außenminister Heiko Maas auf seiner Internet-Seite. Zum Bundesjustizminister passt diese Einschätzung perfekt. Doch dieses Amt gibt der Sozialdemokrat nach gut vier Jahren auf, um Chefdiplomat Deutschlands zu werden. Seine Grundhaltung muss er deshalb keinesfalls ändern, allerdings wird er sich häufiger als in der Vergangenheit in Zurückhaltung üben müssen. Denn in seiner neuen Funktion kann ein vermeintlich falsches Wort noch schneller unbeabsichtigte Nebenwirkungen auslösen als auf anderen Politik-Feldern.
Zwar ist Maas keiner, der unbedacht und voreilig Meinungen herausposaunt, aber er ist selbstbewusst und meinungsfreudig. Das verübeln ihm vor allem die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) und die islamfeindliche Pegida-Bewegung. Stein des Anstoßes ist das von Maas initiierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Damit sollen Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter in die Pflicht genommen werden, wenn auf ihren Plattformen strafrechtlich relevante Inhalte auftauchen. Im Zweifelsfall müssen sie gelöscht werden.
Für Rechte ist er ein "Volksverräter"
Auch Journalisten-Organisationen wie "Reporter ohne Grenzen" lehnen das Gesetz ab, weil sie darin eine Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit sehen. Persönliche Anfeindungen und Bedrohungen erlebt Maas jedoch nur im rechten Milieu. Einschüchtern lässt sich der 51-Jährige davon aber nicht - im Gegenteil: Kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes stellte er sein Buch vor: "Aufstehen statt wegducken - Eine Strategie gegen Rechts". Darin beschreibt der Volljurist seine Erfahrungen mit Hass-Kommentaren und gewaltbereiten Gegnern seiner Politik.
Unter dem Eindruck oft unsachlicher Vorwürfe ("Zensurgesetz") und Beschimpfungen ("Volksverräter") sorgt sich Maas um den Zusammenhalt der Gesellschaft: "Hier geht die Streitkultur unserer Demokratie zu Ende." Eine Sorge, die er womöglich auch als Außenminister auf der großen internationalen Bühne hegen wird. Denn außerhalb Deutschlands sitzen Populisten nicht nur im Parlament, sondern gleichzeitig auf der Regierungsbank. Mit schrillen Tönen aus Hauptstädten wie Ankara muss Maas wohl jederzeit rechnen.
Flotte Tweets vom Außenminister sind tabu
Da wird die deutsche Politik gelegentlich mit "Nazi-Methoden" verglichen. Sollte es mal wieder zu einem ähnlichen Fehltritt kommen - von wem auch immer - wird sich der Außenminister Maas eine flotte Reaktion via Twitter verkneifen müssen. Dass er und sein Team den Kurznachrichtendienst aber sehr zu schätzen wissen, belegen weit über 4000 Tweets, die mehr als eine Viertelmillion Follower erreichen. Die erleben auch auf diesem Kanal einen Politiker, der gerne Klartext redet ("Die hohe Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge bleibt beschämend für unser Land.")
Die Welt darf sich also auf einen deutschen Außenminister einstellen, der die Lösung gesellschaftlicher Probleme als sportliche Herausforderung betrachtet. Dazu passt, dass Maas leidenschaftlicher Triathlet ist. Ob er auf seinen Reisen rund um den Globus aber noch oft zum Laufen, Schwimmen oder Radfahren kommt, ist eher fraglich. Schon in seiner Zeit als Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz gehörte viel Disziplin dazu, den zeitaufwändigen Beruf mit seinem Privatleben und eben Sport in Einklang zu bringen. Eine Zäsur gab es dabei 2016, als sich der Vater von zwei Söhnen nach gut 15 Jahren von seiner Frau trennte und seitdem mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert ist.
Auch wegen seiner Vorliebe für gute Kleidung ist Maas gelegentlich ein Thema in den Medien - seine Mutter war Schneiderin, der Vater Berufssoldat. Vielleicht erklärt sich auch dadurch, dass Stilsicherheit und klare Ansagen seit jeher zum Repertoire des neuen deutschen Außenministers gehören. Einer, der diesen Mix früh zu schätzen wusste, war Oskar Lafontaine. Der später zur Linken gewechselte ehemalige SPD-Bundesvorsitzende berief als damaliger Ministerpräsident des Saarlands Maas 1996 zum Staatssekretär. Zwei Jahre später übernahm er das Umwelt-Ressort und avancierte mit 32 Jahren zum jüngsten Minister Deutschlands.
Als Spitzenkandidat im Saarland scheiterte er dreimal
Dem schnellen Aufstieg folgte 1999 der erste Rückschlag, als die SPD im kleinen Saarland die Wahl verlor und Maas damit seinen Ministerposten. Als Oppositionsführer konnte er dennoch weiter sein Profil als politisches Talent schärfen. Zur Jahrtausendwende wurde er zum SPD-Landesvorsitzenden und in den Vorstand der Bundes-SPD gewählt. Dem innerparteilichen Aufstieg standen zwei klare Wahl-Niederlagen als Spitzenkandidat im Saarland gegenüber. Sowohl 2004 als auch 2009 siegte die CDU. Und auch beim dritten Anlauf im Rahmen vorgezogener Neuwahlen scheiterte Maas 2012, wurde aber in der neuen schwarz-roten Koalition Wirtschaftsminister und stellvertretender Regierungschef.
Ministerpräsidentin war damals Annegret Kramp-Karrenbauer, die Ende Februar als Generalsekretärin der CDU nach Berlin gewechselt ist. Dort, in der deutschen Hauptstadt, ist Maas schon 2013 angekommen: als Justizminister unter Bundeskanzlerin Merkel. Mit 47 Jahren gehörte er noch immer zu den Jüngeren im Kabinett und profilierte sich anfangs als Verteidiger von Bürger- und Freiheitsrechten. Dabei nahm er auch Streit mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Kauf, insbesondere mit seiner ablehnenden Haltung zur Vorratsdatenspeicherung.
Vom Gegner zum Befürworter der Vorratsdatenspeicherung
Allerdings rückte er nach mehreren islamistischen Anschlägen in Europa von dieser Position ab und wurde - wohl auf Druck aus den eigenen Reihen - zum Befürworter der verdachtsunabhängigen Speicherung elektronischer Kommunikationsdaten. Ein Sinneswandel, der Maas bei Kritikern den Ruf des "Umfallers" einbrachte. Nach weiteren Attentaten, darunter das auf einen Berliner Weihnachtsmarkt 2016, befürwortete Maas erneut schärfere Sicherheitsgesetze. Dazu zählt die sogenannte elektronische Fußfessel für Personen, denen als "Gefährder" Anschläge zugetraut werden.
Am insgesamt positiven Image änderte sich für Maas trotz seiner zuletzt zahlreichen Zugeständnisse an das konservative Lager offenbar wenig. Sonst würden die SPD und Angela Merkel dem smarten Saarländer nicht das Auswärtige Amt anvertrauen. Maas ist offenkundig der seltene Fall eines Politikers, der trotz vieler Niederlagen am Ende immer wieder als Siegertyp dasteht.