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Heinrich Breloer im Gespräch

26. Oktober 2011

Der Regisseur war der Erste, der nach der Wende das berüchtigte "Hotel Lux" besuchte. In seinem Film "Wehner - die unerzählte Geschichte" warf er einen kritischen Blick auf die Linke und den Politiker Herbert Wehner.

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Heinrich Breloer
Bild: AP

Heinrich Breloer ist einer der renommiertesten deutschen Fernsehregisseure. Viele seiner Filme haben Fernsehgeschichte geschrieben, zuletzt die aufwendige mehrteilige Serie "Die Buddenbrocks". Als Breloer im Winter 1991 nach Moskau aufbrach um unter anderem im Hotel Lux zu recherchieren, ahnte er noch nicht, auf welches Ausmaß an Terror er stoßen würde. Sein Film "Wehner - die unerzählte Geschichte" stieß Anfang der 1990er Jahre viele Debatten an. Im Gespräch erinnert sich Breloer.

Deutsche Welle: Herr Breloer, die Komödie „Hotel Lux" kommt jetzt in die Kinos. Sie haben sich schon vor vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt. Wie sind Sie damals eigentlich darauf gekommen?

Heinrich Breloer: Die Verbrechen unter Stalin, wie die Säuberungen, waren ein total verschwiegenes und beschwiegenes Thema in der DDR. Da wurde nicht drüber gesprochen über das Hotel Lux, obwohl große Teile der Führungsriege dort mal gewohnt haben. Und nicht wenige sind vom Lux direkt in die Gefängnisse und in die Gräber gewandert. In der Bundesrepublik wusste man auch nur sehr wenig darüber. Mit dem Untergang der Sowjetunion 90/91 stellte sich eine völlig neue Situation dar. Erst jetzt konnte man Überlebende sprechen oder an Parteiakten rankommen. Dann hatte ich das Buch von Ruth von Meyenburg gelesen unnd sie wollte das Haus des Schreckens, dieses Hotel in Moskau, wiedersehen und mit uns durch die Gänge gehen. Damit begann das Abenteuer.

Sie haben dann mit ihr zusammen die Räume des Hotels betreten. Wie war da die Reaktion der Offiziellen, der Bürokraten? Hat man Ihnen die Arbeit leicht gemacht?

Die Sowjetunion brach zusammen, implodierte. Es war keine Polizei da. Wir hatten Berater, einen jungen sowjetischen Wissenschaftler, und Reinhard Müller aus Hamburg mitgenommen, der sich in Archiven auskannte. Wir hatten auch Dollars mitgenommen, um die Schützer im Archiv zu überzeugen. Das war auch notwendig. Dann haben wir die Akten gefilmt. Und konnten dann eben Ruth von Meyenburg nicht nur mit dem Hotel konfrontieren sondern auch mit den Akten. Es war ja nicht nur so, dass man die Bewohner hingestellt und erschossen hat. Man hat sie dazu gezwungen sich selbst zu beschuldigen. Sie wurden brutal gefoltert und mussten Geständnisse unterschreiben. Damit alle quasi daran glauben konnten, dass es diese Verschwörung gab gegen Stalin und gegen die Sowjetunion.

Ursprünglich war das Hotel Lux ein echtes Hotel, was dann eben auch ein Foltergefängnis wurde....

Wir sprechen hier tatsächlich über ein großes, tragisches Kapitel der Menschheitsgeschichte, das sich in diesem Hotel kulminiert hat im Guten wie im Grausigen. Es war teilweise ein Stück Himmel für einige und dann wurde es zur Hölle. Nach 1918 kam die Deutsche Kommunistische Partei nach Moskau zu den Weltkongressen. Zu Stalin, der schon hinter den Kulissen anfing die Galgen zu zimmern, während er vorne noch vom neuen Menschen sprach. Im Hotel sollte es den ersten Besuchern dieser neuen Weltregierung gut gehen. Aber als nach 1934 die Schauprozesse begannen, wurde in diesem Hotel einer des anderen Wolf.

Wie groß war das Leid der deutschen Einwohner? Die waren zahlenmäßig wahrscheinlich neben den Russen am meisten im Hotel Lux verteten.

Ich zitiere aus einem Bericht an die deutsche KPD-Leitung mit Pieck und Ulbricht: "Siebzig Prozent der Partei sind inzwischen verhaftet. Von den 2508 Leuten, die da waren, sind die Spitzenkader verhaftet. Sehr viele wurden gefoltert und in die Gulags verschickt." Die Parteileute die noch lebten, grüßten sich, na du lebst noch, wann kommst du dran. Viele haben Selbstmord begangen, um nicht in die Hände von Genossen zu fallen, die ihnen dann Namen abpressten oder die sie dazu zwangen, Lügengeschichten über Genossen zu erfinden. Das ist eine Tragödie, die bis 1991 nicht bekannt war.

Jetzt kommt ein großer Kinofilm über das Thema, der das auch komödiantisch abhandelt. Wie würden Sie heute beurteilen: Ist die Geschichte des Hotel Lux inzwischen aufgearbeitet, oder bleiben da noch viele weiße Steine und Lücken?

Es ist heute in Russland nicht sehr beliebt, Stalins Leichen auszugraben, in die Archive zu gehen und zu sehen, was damals alles geschehen ist. Da ist sicher vieles schon umgeschrieben, gefälscht oder zerstört worden. Man wird das heute gar nicht mehr richtig aufklären können. Auch die Opferzahlen. Putin hat bestimmt kein Interesse. Deshalb sagen die Filmemacher, wir wollen mit der Komödie eine Tür zur Geschichte aufmachen. Bully Herbig hat ja eine spezielle Klientel, Leute, die von der Geschichte nichts wissen, wer Stalin war, wer Ulbricht und wer Pieck war. Vielleicht bringt er die dazu, ein paar Fragen zu stellen. Ich stehe dahinter. Ich habe ein Buch gemacht, da kann man noch mal nachlesen, was da war. Und Ruth von Meyenburg kann man auch wieder nachlesen. Und das ist gut. Denn die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Da fehlt so viel Material. Da ist noch sehr, sehr viel zu tun.

Das Gespräch führte Jochen Kürten
Redaktion: Klaus Gehrke

Ruth von Mayenburg: "Hotel Lux, Die Menschenfalle - Eine Reise-ein Film von Heinrich Breloer", Elisabeth Sandmann Verlag, München 2011, ISBN 978 3 938045 60 2.