Helfer fürchten Regenzeit im Südsudan
2. Februar 2014Aus Sand und Zement wird Beton. Routiniert mischen ihn Arbeiter der britischen Hilfsorganisation Oxfam zusammen. Sie wollen eines der Hauptprobleme im "UN-House", einem Lager für Binnenflüchtlinge in Südsudans Hauptstadt Juba, verbessern: die sanitären Einrichtungen. Notdürftig zusammengezimmerte Holzkonstruktionen bekommen jetzt dauerhafte Betonfundamente.
Denn: Die Regenzeit naht heran und wird den Boden weiter aufweichen, ihn teilweise unter Wasser setzen. "Damit wächst das Risiko von Epidemien", sagt Oxfam-Sprecherin Grace Cahill. "Deshalb versuchen wir, jetzt nach der ersten Notphase permanente Anlagen und ein Abwassersystem zu bauen, damit das Wasser keine Krankheitsgefahr wird".
Wie groß diese Gefahr im Moment schon ist, kann man sehen: In der Hitze von rund 40 Grad Celsius tummeln sich in den Abwasserpfützen rund um die Waschräume des Lagers bereits erste Maden.
Die Regenzeit, die spätestens im April einsetzt, droht nicht nur, die hygienischen Verhältnisse der mehr als 500.000 Binnenflüchtlinge im ganzen Land weiter zu verschlechtern. Das Wasser macht jedes Jahr einen großen Teil der Straßen und Pisten im Land für Monate unpassierbar. Bis zum Beginn des Regens müssen die Hilfsorganisationen daher alle Binnenflüchtlinge im Land mit Hilfsgütern erreicht haben. Ob das gelingt, ist wegen des aktuellen Konflikts allerdings fraglich.
60 Prozent des Landes nicht erreichbar
Zwar gilt seit dem 23. Januar 2014 im Südsudan ein Waffenstillstand zwischen Rebellen und Regierungstruppen. Aber es kommt immer wieder zu Gefechten, und die eigentlichen Friedensverhandlungen haben noch gar nicht begonnen. So drängt schon jetzt die Zeit.
Denn normalerweise sind die Hilfsorganisationen in all den Monaten vor Beginn der Regenzeit damit beschäftigt, die Lebensmittellager in den Regionen aufzufüllen. In diesem Jahr können die Helfer aber erst seit dem Waffenstillstandsabkommen wieder hoffen, nach und nach alle Landesteile zu erreichen. Allerdings, befürchtet Challiss McDonough vom Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen: "Wir gehen davon aus, dass es Gebiete geben wird, in denen wir nicht genügend Essen vor der Regenzeit einlagern können."
Die rund 15.000 Menschen im UN-House in Juba hätten es etwas besser als hunderttausende Bürgerkriegsflüchtlinge in anderen Landesteilen, sagt McDonough. Denn in Juba seien sie leicht erreichbar. "Der Südsudan ist auch in normalen Jahren das Land mit der kompliziertesten Logistik", sagt McDonough. Zehntausende Flüchtlinge müssten derzeit "schlichtweg unter Bäumen schlafen."
Das Flüchtlingslager in Juba hat sich derweil in wenigen Wochen zu einer Stadt in der Stadt entwickelt. Es gibt kleine Geschäfte, Krankenhäuser, Wasserstellen. Noch denkt hier keiner daran, nach Hause zurückzukehren. Er traue dem Friedenswillen der Konfliktparteien nicht, sagt Ladenbesitzer Kong Tjol. "Es gibt zu viele Menschen da draußen, die sich weigern, den Waffenstillstand einzuhalten."
Truppenmobilisierung in der Regenzeit
Tatsächlich wird an verschiedenen Stellen im Land weiterhin gekämpft. Wer wen angreift, kann unabhängig nicht überprüft werden. Sollte sich das bis zur Regenzeit nicht dauerhaft ändern, befürchtet der Sprecher der Regierungsarmee, Philip Agwer, werde sich der Konflikt mindestens bis zum Herbst hinziehen. "Wenn es bis zur Regenzeit keine Lösung gibt, werden die Rebellen die Zeit zur Mobilisierung nutzen", sagt Agwer. Und auch die Regierungstruppen dürften die Regenzeit nutzen, um sich zu verstärken. Große Truppenbewegungen seien in der Regenzeit zwar kaum möglich, erklärt der Armeesprecher, aber man könne Truppen mobilisieren.
Je näher die Regenzeit rückt, ohne dass die Kämpfe ein Ende nehmen, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Hunderttausende Flüchtlinge die gesamte Regenzeit in den Lagern verbringen müssen, in die sie sich derzeit geflüchtet haben. John Garbel, der im UN-House in Juba Schutz gefunden hat, hat sich bereits darauf eingestellt, noch lange im Lager zu bleiben. "Derzeit können wir nicht rausgehen. Denn dann werden wir getötet", sagt Garbel, während er neben einer Wasserstelle im Lager seine Kleidung wäscht.
Als Nuer, ein Angehöriger der Volksgruppe von Rebellenführer Riek Machar, hat Garbel Angst vor Verfolgung. In die Friedensverhandlungen zwischen den Konfliktparteien setzt er keine Hoffnung. "Wir sind hier“, sagt er, "und wir bleiben hier, bis die Rebellen nach Juba kommen und wir wieder nach Hause können."