Die Kinder der Wanderarbeiter in China
12. Februar 2009Ihre Zukunftsträume ähneln denen anderer chinesischer Kinder und Jugendlicher. Doch ansonsten leben die Kinder der Wanderarbeiter in China wie in einer Parallelwelt. Sozial isoliert, ohne ordentliche Schulbildung - und wie ihre Eltern oft ohne gute Gesundheitsversorgung und Rentenansprüche.
Zur Schule gehen - illegal
Aber die Kinder hier im Südwesten Pekings haben Glück – sie besuchen jeden Morgen eine echte Schule. Vor ein paar Jahren wurde die Xinzhi-Schule als erste Schule für die Kinder von Wanderarbeitern offiziell zugelassen, erzählt der ehemalige Universitätsdozent Huang He stolz. Er hat die Schule gegründet - trotz aller Widerstände. "Unsere Schule wurde dreimal von der Lokalregierung geschlossen. Schließlich war sie nicht genehmigt und damit illegal."
Die Schulen platzen aus allen Nähten
Die billige Arbeitskraft der rund 200 Millionen Wanderarbeiter ist der Motor der chinesischen Wirtschaft und wurde immer geschätzt. Das Wohl der Menschen aber, die ihre Dörfer auf dem Land verließen und sich mit Gelegenheitsjobs in den Städten über Wasser halten müssen, erst seit kurzem. Ihre Kinder stehen ähnlich schlecht da wie ihre Eltern - in Peking sind es allein 400.000.
"Die städtischen Schulen sind kaum in der Lage, so viele Kinder aufzunehmen. Sie sind nur für die Kinder der Städter geplant worden. Für die Kinder von ländlichen Zuwanderern war bis vor einigen Jahren kein Budget vorhanden", erklärt Huang He.
Kein Weg zur Schule zu weit
In ihrer Not schlossen sich Wanderarbeiter zusammen, um ihre Kinder selbst zu unterrichten. Manchmal halfen auch Studenten und Mitarbeiter von Universitäten freiwillig an Wanderarbeiterschulen aus. Überall in der Stadt entstanden so in den letzten zwanzig Jahren private, illegale Schulen. "Die Stadtregierung war damals der Ansicht, dass die Lokalregierungen auf dem Land für die Bildung der Kinder zuständig sind. Die Behörden finanzieren dort öffentliche Schulen, also sollten die Kinder in ihre Heimatorte gehen, um dort die Schule zu besuchen", sagt Huang He.
Bildung nicht für Arme?
Eine Glocke tönt. Es ist Pause. Huang He steht auf dem Schulhof seiner Xinzhi-Schule und schaut den Schülern bei ihrer Gymnastik zu. Viel Energie und Disziplin ist bei den Kindern zu sehen. "Hier gibt es kein einziges dickes Kind. In den staatlichen Schulen sind heute zehn Prozent der Kinder übergewichtig. Bei uns gibt es kein einziges. Warum? Weil in den Familien das Geld knapp ist." Und Armut ist für Huang He kein Grund für schlechte Bildung - ganz im Gegenteil.
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, als der Schulleiter von seinem schönsten Erfolg berichtet. 2003 besuchte Premierminister Wen Jiabao seine Schule. Ein PR-Termin, doch für Huang He das sichere Zeichen, dass die Regierung sozialen Fragen mehr Aufmerksamkeit widmet. "Damals hat auch die Stadtregierung begonnen, ihre Politik gegenüber Privatschulen für Wanderarbeiterkinder zu ändern. 2004 haben wir eine Lizenz vom Bildungsministerium erhalten. Wir waren die erste staatlich anerkannte Schule für die Kinder von Wanderarbeitern." Heute hat Huang Hes Schule mehr als 1200 Schüler, 60 Lehrer und ein richtiges Schulgebäude.
Die Stadt unterstützt die Schule mit insgesamt 300.000 Yuan, das sind knapp 35.000 Euro. Doch eine Hürde ist für manche Eltern nicht zu überwinden: Der Besuch der Schule ist nicht kostenlos. Etwa 500 Yuan müssen jedes Halbjahr bezahlt werden, das sind rund 55 Euro. Für manche Familien ist das viel, zuviel Geld. Außerdem steht noch nicht für jedes Kind ein Platz in einer zugelassenen Schule zur Verfügung. Ein Grund, warum in Peking noch immer Kinder in illegalen Schulen unterrichtet werden.
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Peter Koppen