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Hilfe zur Entwicklung

Ute Schaeffer19. Januar 2008

Nothilfe ist zu wenig und nicht nachhaltig: In den Flüchtlingslagern Nordwestugandas versucht man sich an einer integrierten Flüchtlingspolitik. Die ganze Region soll davon profitieren.

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In der Westnile-Region: Ein Flüchtlingslager, das nicht nur als Notbehelf gebaut wurde. Zwei Kinder vor zwei Hütten. (Quelle: Schaeffer/DW)
In der Westnile-Region: Ein Flüchtlingslager, das nicht nur als Notbehelf gebaut wurdeBild: DW/Ute Schaeffer

Integrierte Flüchtlingspolitik versucht den Menschen ein Auskommen zu geben. Nicht Nothilfe wird geleistet, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Dass viele Flüchtlinge über Jahre bleiben, will man nutzen, um eine ganze Region zu entwickeln. Das genau ist die Idee der Flüchtlingscamps in der Westnile-Region im Norden Ugandas, in denen sich der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) seit 1997 engagiert.

Keine Spur zeigt sich vom 20 Jahre langen Bürgerkrieg, wenn man durch die Westnile-Region fährt. Die Region ist trockener, schwieriger zu bewirtschaften und weit dünner besiedelt, als das grüne Landesinnere. Die Ansammlungen der Lehm-Rundhütten mit den Strohdächern sind weit verstreut. Dass es sich dabei um Flüchtlingslager handeln könnte, sieht man nicht - überall im ländlichen Uganda leben die Menschen so.

Das Rhino Camp ist das größte der drei Flüchtlingslager an der Grenze zum Kongo und zu Sudan. Mit auf Zeit gebauten Lagern hat es wenig zu tun. Hier leben seit 1994 Ugander und Flüchtlinge aus dem Sudan Tür an Tür.

Flüchtlinge: In- und Ausländer

Auch die Ugander sind Flüchtlinge. Sie gehören zu den Millionen, die der Bürgerkrieg vertrieben hat. Seit zwei Jahren hat der Schrecken ein Ende. Doch von den zwei Millionen Vertriebenen kehrten erst etwa eine halbe Million zurück - die anderen trauen dem Frieden noch nicht. Hinzu kamen zehntausende Flüchtlinge aus dem Südsudan.

Flüchtlingskinder in Norduganda (Foto: Schaeffer/DW)
Sie brauchen eine ZukunftBild: DW/Ute Schaeffer

14.000 Sudanesen und 20.000 Ugander leben hier im Rhino Camp. Eines Tages werden in den Rundhütten nur noch Ugander leben, wenn die Sudanesen zurückgegangen sind. Nicht alle sind entschlossen, das zu tun. Eric Mabe aus dem Südsudan beispielsweise, der 1993 als einer der Ersten kam, hat eine große Familie zu versorgen und hat als Lehrerausbilder eine gute Arbeit. Hört man genau hin, dann sieht er seine Zukunft mehr in Uganda als im Südsudan - auch wenn er das sehr vorsichtig ausdrückt. "Man weiß man ja nicht, wie es im Sudan weitergeht", sagt Mabe. "Es gibt große Spannungen. Der Präsident droht dem Südsudan, vielleicht wird der Südsudan autonom."

Neue Märkte

Seit dem Friedensschluss im Januar 2005 ist über der Grenze ein neuer Markt entstanden. Im südsudanesischen Juba wird alles gebraucht – und alles gehandelt: Lebensmittel vor allem, aber auch Maschinen, Gebrauchsgegenstände aller Art. Ein florierender Grenzhandel ist entstanden. Im Südsudan ist Geld zu verdienen, das hat sich auch zu den Menschen im Rhino Camp herum gesprochen. Das erhöht die Bereitschaft zurückzukehren.

Doch immer noch sind in der Region rund 150.000 Flüchtlinge aus dem Sudan und anderen Nachbarstaaten. Uganda ist nicht nur durch den eigenen Bürgerkrieg, sondern auch durch die vielen Konflikte in der Nachbarschaft stets besonders vom Flüchtlingsproblem betroffen gewesen. Gerade einmal 15 Kilometer sind es von der Provinzhauptstadt Arua bis zur Grenze des Kongo, rund 80 bis zu der des Sudan.

20 Jahre Bürgerkrieg

Allein der eigene Bürgerkrieg hat in Uganda zu einem völligen Stopp von Entwicklung geführt: Der Konflikt zwischen der Rebellenarmee LRA und der Regierung dauerte zwei Jahrzehnte und kostete mehr Opfer als der Krieg im Irak. Nach dem Sturz Idi Amins 1979 kämpften in der Region West-Nile zudem weitere Rebellengruppe gegen Kampala. Frühere Amin-Soldaten schlossen sich zur Uganda National Rescue Front zusammen (UNRF). Offiziell ging die West-Nile-Rebellion 2002 zu Ende. 2006 wurde auch ein Waffenstillstand zwischen LRA und Regierung geschlossen. Die Waffen ruhen – auch wenn es noch keinen echten Friedensschluss gibt.

Keine Spur vom Bürgerkrieg in diesem Flüchtlingslager (Foto: Schaeffer/DW)
Keine Spur vom Bürgerkrieg in diesem FlüchtlingslagerBild: DW/Ute Schaeffer

Eine integrierte Flüchtlingspolitik soll helfen, die Region von den Kriegsfolgen zu befreien. Infrastruktur, Wasser- , Gesundheits- und Bildungsstrukturen werden geschaffen – um die Region insgesamt zu fördern und zu entwickeln, auch wenn die Flüchtlinge zurückgekehrt sind.

Die beste Lösung wäre natürlich die Ansiedlung der Menschen in ihrem eigenen Land. "Da die Flüchtlinge bleiben, geht es nicht darum, nur Almosen zu verteilen", sagt Jane Koby, die für das Flüchtlingsprogramm in der West-Nile-Region zuständig ist. "Wir wollen, dass die Flüchtlinge sich selbst versorgen – deshalb geben wir ihnen zum Beispiel Saatgut. Uns geht es um das Erwerben von Fähigkeiten, die den Menschen bei einer Rückkehr auch wirklich nützen." Allerdings geht es auch um würdige Lebensbedingungen und um die Entwicklung der Region. Daher werden Wasserversorgung, Schulen und Krankenstationen aufgebaut. "Wenn der DED das Projekt verlässt, wird Uganda das ganz alleine machen", sagt Koby. "Wir wollen auf den einheimischen Strukturen aufbauen, um die besondere Last der Flüchtlinge zu schultern."

Nicht alle mögen Selbsthilfe

Nicht alle der Flüchtlinge finden das gut. Seitdem die Ugander Teile der Arbeit übernommen haben, sei das Leben schwieriger geworden, meinen manche. Hilfe zur Selbsthilfe ist kein Luxusprogramm – die Lebensbedingungen im Rhino Camp sind genauso schwierig wie überall im ländlichen Uganda. In der Region Westnile sind die Böden steinig, trocken und wenig ertragreich. Selbst wenn es regnet, können die Böden das Wasser kaum aufnehmen. So wie in diesem Jahr, als die Ernte der viel zu langen Regenzeit zum Opfer fiel.

Im Rhino Camp kann man aber immerhin eine weiterführende Schule besuchen. 300 Kinder gehen auf die Secondary School – Sudanesen und Ugander gemeinsam. Die Quiver-Shule ist eine Privatschule, eine Elterninitiative. Sie entstand auf Initiative der Flüchtlinge selbst und ist von ihnen getragen. Die Schule ist ein Beispiel für die Hilfe zur Selbsthilfe, die der DED in die Flüchtlingslager im Westnile bringen will – und dass das funktionieren kann. Aus dem Kraftakt, zehntausende Flüchtlinge notdürftig zu versorgen, wurde Entwicklung für eine ganze Region.