Historisches Debakel für die FDP
22. September 2013"Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei". So kommentierte der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler das Scheitern seiner Partei an der Fünf-Prozent-Hürde. Damit geht nach 64 Jahren Parlamentszugehörigkeit eine politische Ära in Deutschland zu Ende. Im 18. Deutschen Bundestag wird es erstmals keine FDP-Fraktion geben.
Als das Scheitern durch immer neue Hochrechungen zur Gewissheit wurde, erschien das komplette FDP-Führungspersonal gemeinsam auf der Bühne im Kongresszentrum am Berliner Alexanderplatz: Neben Partei-Chef Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle die vier übrigen liberalen Bundesminister: Guido Westerwelle (Außen), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz), Daniel Bahr (Gesundheit) und Dirk Niebel (wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Ein letztes Bild der Geschlossenheit, das es im politischen Tagesgeschäft in Wirklichkeit schon lange nicht mehr gab.
Rösler vor dem Rücktritt
Bereits Anfang des Jahres stand der 2011 erstmals ins Amt gewählte Bundesvorsitzende Rösler vor dem Sturz. Davor bewahrten ihn die Wähler in Niedersachsen mit einem völlig unerwarteten 9,9-Prozent-Ergebnis. Plötzlich war er der starke Mann. Doch nach dem Schock des Bundestags-Wahlergebnisses kündigte der 40-Jährige im Beisein seiner Frau Wiebke an, die Verantwortung zu übernehmen. Damit kann nur der Rücktritt gemeint sein.
Als Nachfolger wünschen sich viele in der FDP den schon einmal als Hoffungsträger gehandelten Christian Lindner. Der war wegen Differenzen mit Rösler Ende 2012 als Generalsekretär zurückgetreten. Kurze Zeit später führte er die Liberalen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit unerwarteten 8,6 Prozent in das Parlament des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Entsprechend einflussreich ist der FDP-Landesverband.
Klare Worte eines potenziellen FDP-Chefs
Auf der Berliner Wahlparty, die in eine Trauerfeier mündete, fand Lindner deutliche Worte. Die FDP habe die Erwartungen nicht erfüllt, auch im Stil nicht. Eine deutliche Anspielung auf die zahlreichen Dissonanzen innerhalb der Partei, aber auch in der Koalition mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die FDP müsse sich "grundsätzliche Gedanken" machen, sagte Lindner. Deutschland brauche eine liberale Partei, wie sie die FDP traditionell einmal war. Was er darunter versteht, wird der 34-Jährige schon in den kommenden Tagen erläutern können, wenn die Parteigremien über die Zukunft der FDP beraten wollen. Lindner ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender.
Wie schwierig der Neuanfang für die FDP werden dürfte, zeigt ein Blick auf die politische Landkarte Deutschlands. Lediglich in neun von 16 Bundesländern ist die Partei künftig noch vertreten. Erst vergangene Woche scheiterten die Liberalen bei der Landtagswahl in Bayern an der Fünf-Prozent-Hürde. Jetzt haben sie zwar knapp den Einzug in den hessischen Landtag geschafft, eine Regierungskoalition mit der CDU ist jedoch nicht mehr möglich. Nur in Sachsen trägt die Partei jetzt überhaupt noch Verantwortung.