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Hitzewelle in der Arktis beschleunigt Klimawandel

Michael Hartlep
26. Juli 2019

Eine extreme Hitzewelle sucht derzeit die Arktis heim. Die Folge sind die größten Waldbrände seit 20 Jahren. Der Klimawandel taut auch den Permafrostboden, sehr viel CO2 wird frei. Experten warnen vor einem Teufelskreis.

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USA Waldbrand in Alaska
Löschflugzeug in Alaska Bild: Imago Images/ZUMA Press/M. Risinger

In der Arktis stehen in diesen Tagen unvorstellbar große Flächen in Flammen. Wissenschaftler zählten auf Satellitenbildern hunderte Feuer, die sich derzeit durch den Norden Kanadas, Russlands und der USA ziehen. Manche von ihnen sollen über 1000 Quadratkilometer groß sein.

Auf einer Live-Karte der Feuerwehr von Alaska sind so viele rote Punkte, dass viele übereinander liegen - jeder von ihnen ist ein Feuer. Klickt man auf sie, steht bei vielen der Hinweis: "Feuer-Management-Optionen: Limitiert." Denn die Brände sind zu zahlreich und die Gegenden sehr abgelegen.

Das Ausmaß der Feuer sei "erschreckend", sagt Stefan Kruse. Der Wissenschaftler am Alfred-Wegner-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Potsdam klingt erstaunlich ruhig, besonnen sogar, wenn er von der Gefahr für das Klima und damit der Menschheit spricht, die in den Böden der Arktis lauert.

Waldbrände in der Arktis sind in den Sommermonaten an sich nicht ungewöhnlich. Oft werden die Feuer durch Blitzschlag ausgelöst. Doch in diesem Jahr fallen sie beispiellos groß und andauernd aus. Üblicherweise, sagt Kruse, beginne die Feuersaison erst im Juli oder August, wenn die Vegetation durch den Sommer ausgetrocknet ist. 

Mehr dazu: Klimawandel: Gefahr durch tauenden Permafrost in Sibirien

"Dieses Jahr ist einfach ganz anders", erklärt er. Der Grund: Durch den menschengemachten Klimawandel hat sich der Jetstream verändert, der starke Windstrom hoch oben in der Atmosphäre. Die Folge sind Wetterextreme, die sich festfahren. In Alaska wurden Anfang Juli neue Temperaturrekorde aufgestellt, mit teilweise über 30 Grad Celsius.

Dadurch, so der Ökologe, taute der sonst gefrorene Boden früher als üblich. Die Vegetation trocknete in diesem Jahr derart aus, dass es ein explosives System entstand: Sobald ein Blitz einschlägt, wird ein Feuer ausgelöst. So eine Extremsituation habe es in den vergangenen 20 Jahren nicht gegeben, sagt Kruse.

Durch die Brände werden Millionen Tonnen CO2 frei

Die Folgen der Brände sind verheerend: In Alaska, sagt Kruse, seien in diesem Jahr bereits 50 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangt – so viel wie bei allen arktischen Waldbränden der letzten zehn Jahr zusammengenommen.

Auch der Rauch stellt eine Gefahr dar. Der Wind transportiert Feinstaub und Kohlenstoffmonoxid innerhalb von wenigen Tagen Tausende Kilometer weit. Die Menschen, die in der Region leben, sind nun der doppelten Gefahr von Feuer und Smog ausgesetzt.

Die Arktis ist noch aus einem weiteren Grund relevant für den Klimawandel. Dort befindet sich der sogenannte Permafrostboden. Das sind Böden, die mindestens zwei Jahre durchgehend gefroren sind. Die oberste Schicht taut nur im Sommer auf und gefriert im Winter wieder. 19 Millionen Quadratkilometer gelten auf der Nordhalbkugel als Permafrost. Das ist eine Fläche, in der Deutschland 50-mal Platz hätte. 

Wie Wissenschaftler jetzt feststellten, taut der Permafrostboden durch den Klimawandel deutlich schneller als bislang angenommen. In einigen Regionen ist er bereits heute so warm, wie die Forscher es ursprünglich erst für das Jahr 2090 prognostiziert hatten. Für das Weltklima könnte die Entwicklung fatale Folgen haben. 

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Organisches Material im Permafrostboden wird zu Emissionen

Denn der Permafrostboden enthält gewaltige Mengen abgestorbener Pflanzen, die sich im Laufe der Jahrtausende ansammelten und durch die Kälte konserviert wurden. Es ist ein riesiger Speicher, der doppelt so viel CO2 enthält wie die Atmosphäre. Taut der Boden, wird das Material durch Bakterien zersetzt. CO2 und insbesondere das noch klimaschädlichere Methangas werden freigesetzt und erwärmen das Klima noch weiter.

Der Permafrostboden gilt deshalb als einer der bedeutendsten Kipppunkte für das Klimasystem. Das bedeutet, ab einem bestimmten Punkt könnte ein Teufelskreis in Gang kommen, der sich selbst verstärkt und sich nicht mehr umkehren lässt. Die Frage ist: Wann ist dieser Punkt erreicht? 

Das ist eine Frage, die Stefan Kruse nicht beantworten kann. Dafür sei einfach noch zu unklar, was mit den großen Mengen CO2 passiere: Möglich sei, dass die Weltmeere einen Teil aufnehmen. Doch auch diese könnten sich irgendwann so stark erhitzen, dass sie die klimagefährdenden Gase nicht mehr speichern können - ein erneuter Kipppunkt.

Kruse appelliert angesichts der Entwicklung, den CO2-Ausstoß so schnell es geht zu reduzieren, um die globale Temperatur zu begrenzen. 

Auch sollen sich die Menschen darauf einstellen, dass die Brände in den kommenden Jahren immer früher und unkontrollierbarer um sich greifen. "Es wird vermutlich so kommen, dass wir in den nächsten Jahren verstärkt solche Extremsituationen haben" sagt der Ökologe, "und das ist natürlich unglaublich drastisch." 

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