Hitzige Diskussionen nach Präsidentenwahl
1. Juli 2010Es war zu erwarten. Die Wahl von Christian Wulff erst im dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten hat am Tag danach eine Diskussionslawine losgetreten. Deutlich wird, dass der Graben zwischen SPD und Grünen einerseits und der Linkspartei andererseits wieder tiefer geworden ist. Aber auch die Risse im Regierungslager zwischen Union und FDP sind nicht zu übersehen.
Gegenseitige Schuldvorwürfe
Linke und SPD gaben sich am Donnerstag (01.07.2010) gegenseitig die Schuld dafür, dass der schwarz-gelbe Kandidat Christian Wulff zum neuen Staatsoberhaupt gewählt wurde. So warfen die Grünen der Linkspartei Politikunfähigkeit vor.
Hintergrund ist der Verlauf der Bundesversammlung. Die Spitzen von SPD, Grünen und Linken hatten nach dem Scheitern Wulffs in den ersten beiden Wahlgängen Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen geführt. Rot-Grün forderte die Linke vergeblich auf, den Gegenkandidaten Joachim Gauck mitzuwählen. Die lehnte ab und brachte die Nominierung eines neuen gemeinsamen Kandidaten ins Gespräch. Das war für SPD und Grüne kein Thema. Die Linke zog daraufhin zwar ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurück, die meisten der 124 Wahlleute enthielten sich in der entscheidenden Abstimmung aber auf Empfehlung der Parteispitze.
Die Linke ist andererseits enttäuscht, dass SPD und Grüne nicht den Versuch gestartet haben, einen gemeinsamen Oppositionskandidaten aufzustellen. Gauck war ohne Absprache mit der Linken nominiert worden. Linke-Chef Klaus Ernst warf dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel vor, Gauck "verheizt" zu haben. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Manuela Schwesig, entgegnete, es sei "lächerlich", dass die Linkspartei die Fehler immer bei anderen suche.
Streit auch im Regierungslager
Deutliche Worte wurden aber auch innerhalb des Regierungslagers ausgetauscht. FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki sagte, die Wahl hätte nicht zum Neustart von Schwarz-Gelb hochstilisiert werden dürfen. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller appellierte an die Koalition, besser und zielorientierter zu arbeiten. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte mehr "Teamgeist" von Union und FDP. Gelassener sieht dies – ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel - FDP-Chef Guido Westerwelle. Der turbulente Ablauf der Bundespräsidentenwahl belaste die Arbeit der Regierung nicht, so Westerwelle.
McAllister ist Nachfolger von Wulff in Hannover
Gelassenheit war auch im niedersächsischen Landtag angesagt. Mit großer Selbstverständlichkeit – und innerhalb von nur 30 Minuten - wurde der CDU-Politiker David McAllister zum Nachfolger von Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen gewählt. Mit 39 Jahren ist er nun der jüngste Ministerpräsident in Deutschland. Aber auch McAllister musste Federn lassen. Er erhielt nicht alle denkbaren Stimmen. Die Mehrheit war aber trotzdem komfortabel.
Der neue Bundespräsident machte sich unterdessen schon mit seinem neuen "Dienstgebäude" vertraut. Er ließ sich seine Arbeitsräume im Berliner Schloss Bellevue zeigen. Im Schlosspark findet auch am Freitagabend das große und beliebte Sommerfest des Bundespräsidenten statt. Wulff rechnet mit 5000 Gästen aus Politik und Gesellschaft. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte das Fest weniger turbulent verlaufen, als seine Wahl ins neue Amt.
Autor: Walter Lausch (mit dpa und apn)
Redaktion: Ursula Kissel