Hoffen auf die Außenseiter
9. Februar 2016Misty ist immer dabei. Als einzige der vier vierbeinigen Mitbewohnerinnen darf sie sogar mit Mary Gargiulo ins Büro. Mary arbeitet als Personalchefin bei Great North. Die Immobilienverwaltung gehört ihrem Mann Lou, betreut werden 20.000 Einheiten mit einem Gesamtwert von einer Milliarde Dollar.
Wenn die Fitnesstrainerin drei Mal die Woche kommt, ist Misty auch nicht weit. "Wir haben sie aus einem Tierheim gerettet und sie hat große Verlustängste", sagt Mary. Rhilie, die drittälteste Hundedame, wird hingegen jeden Tag in eine Art Hundekindergarten geschickt. "Es gab die Möglichkeit, sie mit Tabletten ruhig zu stellen oder sie tagsüber in Betreuung zu geben. Man sollte Hunden nicht zu viele Medikamente geben."
Mary ist 58. Sie trainiert jeden Tag aufzustehen, ohne dabei ihre Hände zu benutzen. "Klingt einfacher als es ist, probieren Sie es mal." Sie will fit bleiben, um gut auszusehen. "Ich versuche keine Mahlzeit zu essen, die mehr als 300 Kalorien hat." Sie will auch in der Lage sein aufzustehen, wenn sie hingefallen ist - "falls ich mir beim Stürzen meine Arme breche". Mary geht lieber auf Nummer sicher.
Mary und Lou unterstützen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump (Artikelbild, l.). Sie werben für ihn, gehen auf Veranstaltungen und geben eine "ordentliche Summe Geld". In ihren Kreisen - die Villa des Gouverneurs liegt nur wenige hundert Meter von ihrem Anwesen entfernt - finden einige das ziemlich befremdlich. Aber Lou nimmt in Kauf, dass seine politische Passion ihn bei den reichen Republikanern in New Hampshire, seiner sozialen und politischen Heimat, zum Außenseiter macht.
Sorge um die Zukunft der Kinder
"Es muss etwas geschehen, damit unser Land nicht endgültig ruiniert wird", sagt der Geschäftsmann. Anders als alle anderen Politiker wisse Donald Trump, wie man ein Geschäft führt. "Er kann beurteilen, was all die Auflagen, die aus Washington kommen, für Geschäftsleute wie uns bedeuten."
Für ihn ist das derzeitige politische System der Vereinigten Staaten so kaputt, weil die Menschen, die einmal in ein politisches Amt gewählt wurden, "für immer bleiben wollen". Und das mache sie anfällig, korrupt zu werden. "Irgendwann zählen dann nur noch die Geldgeber, die die Politiker in der Macht halten. Und das, was unser Land wirklich braucht, spielt keine Rolle mehr." Jetzt habe er noch keine wirklichen Probleme, seine Geschäfte liefen sehr gut - noch. Aber er sorgt sich um die Zukunft seiner Kinder und Enkel.
Um Schlimmstes zu vermeiden, müsse die Dynamik jetzt unterbrochen werden. "Mr. Trump kann das. Er hat Erfahrung, er kommt von außen und er hat keine Angst." Lou spricht vor allem über Geld und die horrende Staatsverschuldung.
Kein moralisches Urteil fällen
Mary redet viel von Werten und sozialer Verantwortung. "Ich habe nie eine Wahl verpasst. Seit ich 18 bin, habe ich immer Republikaner gewählt. Jetzt sage ich aber nicht mehr, dass ich Republikanerin bin, jetzt bezeichne ich mich als Konservative." Sie ist gläubige Katholikin. Ihr Vater wollte sogar einmal ins Kloster gehen. Aber sie mag es nicht, dass mittlerweile so viele Republikaner mit religiösen Überzeugungen Politik machen. "Wir dürfen Homosexuelle nicht ablehnen, auch nicht die Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen müssen."
Mary und Lou haben vier Kinder. "Ich würde meine Kinder doch auch lieben, wenn sie homosexuell wären. Oder wenn meine Tochter abtreiben lassen würde, um sich nicht finanziell zu ruinieren. Ich habe das nicht zu bewerten. Das ist allein die Aufgabe von Gott."
Neue Schuhe oder Gas für Heizung
Auch Peggie Greenough hat die Nase voll von dem "korrupten System, das unser Land regiert". Sie will endlich einen Präsidenten, der für die Menschen da ist, "nicht für die, die ihn bezahlen". Sie will jemanden, der von außen kommt, Erfahrung hat, unabhängig ist und sich nicht kaufen lässt, stark ist und ohne Angst, der "den Menschen in Washington aber auch im Rest der Welt entgegentritt und sagt und tut, was gesagt und getan werden muss". In vielem klingt sie ähnlich wie die Gargiulos. Peggie unterstützt Bernie Sanders (Artikelbild, r.).
Sie, ihr Mann David und die drei Söhne gehen von Tür zu Tür, werben kurz vor den Vorwahlen in New Hampshire für Sanders und gehen auf Veranstaltungen. Geld können sie nicht geben. David war in der IT-Branche, vor über zehn Jahren wurde er arbeitslos, jetzt schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch. "Wir leben von Woche zu Woche und müssen uns oft entscheiden, ob wir neue Schuhe kaufen oder Gas für die Heizung." Ungefähr 20.000 Dollar hat die fünfköpfige Familie im Jahr zur Verfügung. Peggie ist krank. Sie braucht regelmäßig Medikamente. Ihre Versicherung übernimmt nicht alle Kosten. In den USA müsste sie monatlich 300 Dollar dazubezahlen. "In Kanada bezahlen wir 95 Dollar für eine Packung, die drei Monate reicht." Und das sei so, weil die großen Pharma-Konzerne die Politiker gekauft hätten, meint Peggie. "Die machen nicht mehr, was gut für uns Amerikaner ist, sondern nur noch, womit sie Geld verdienen."
Revolution heißt Hoffnung
Peggie klingt stark. Ihre Augen liegen in tiefen dunklen Ringen. Sie funkeln kämpferisch, wenn sie erklärt, warum Bernie Sanders der einzig richtige Kandidat ist, und wenn sie darüber spricht, dass die Revolution schon begonnen habe, allein deswegen, weil Bernie Sanders mit seinen Inhalten und Plänen den Wahlkampf so sehr präge.
Die Augen füllen sich mit Tränen, wenn sie über ihren Alltag spricht. Darüber, wie man sich fühlt, wenn schon am Montag das Geld für die ganze Woche ausgegeben ist. "Bei der letzten Wahl habe ich Hillary Clinton unterstützt. Aber sie hat nichts für Leute wie uns getan. Jetzt gibt es nur noch eine einzige Hoffnung für uns. Und das ist die Vision, die Bernie hat. Bernie ist unsere Hoffnung. Unsere Revolution heißt Hoffnung."