Schauspieler Sidney Poitier ist tot
7. Januar 2022Als Sidney Poitier 1967 mit dem Regisseur Norman Jewison "In der Hitze der Nacht" drehte, stand er bereits seit siebzehn Jahren vor der Kamera und hatte in 25 Filmen mitgewirkt. Darunter in Werken wie "Flucht in Ketten", "Porgy und Bess" und "Paris, Blues". Mehrfach ausgezeichnete Filme, anerkannt von Kritikern und Publikumserfolge dazu. Und doch kann "In der Hitze der Nacht" als Vermächtnis des Künstlers angesehen werden. Einerseits spielte Poitier den Charakter des Kriminalbeamten Virgil Tibbs herausragend. Auf der anderen Seite war das Südstaatendrama eine grandiose filmische Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung, die sich in den USA seit Ende der 1950er-Jahre formiert hatte.
Durch den rassistischen Sumpf
Die Geschichte spielt in einer Kleinstadt im Bundesstaat Mississippi, wo ein reicher Investor ermordet wird. Virgil Tibbs (Sidney Poitier), der sich gerade zufällig am Bahnhof der Stadt aufhält, wird festgenommen. Ohne jeden Hinweis auf einen Verdacht wird er aufgrund seiner Hautfarbe dem lokalen Polizeichef als Täter präsentiert. Erst als sich herausstellt, dass Tibbs selbst Polizist ist und bei der Mordkommission in Philadelphia arbeitet, ändert sich die Situation. Tibbs wird sogar von seinem Vorgesetzten aufgefordert, die örtliche Polizei bei der Aufklärung zu unterstützen. Wobei er durch den rassistischen Sumpf der Kleinstadt waten muss, ihm überall Vorbehalte, Ablehnung und Neid entgegenschlagen.
"In der Hitze der Nacht" ist bis heute einer der besten Filme zum Thema Rassismus. Auf die im Film gestellte Frage: "Virgil ist ja ein lustiger Name für einen Neger-Jungen aus Philadelphia. Wie nennen sie dich dann da?", antwortet der Polizist schlicht: "Sie nennen mich Mr. Tibbs!"
Vom Tellerwäscher nach Hollywood
Sidney Poitier wurde 1927 in Miami geboren. Seine Eltern waren einfache Landwirte, die von den Bahamas stammten. Dort wuchs er auf und wurde mit fünfzehn nach Miami zu seinem Bruder geschickt. Mit 18 Jahren ging er nach New York, wo er mit dem Theater in Berührung kam. Lesen konnte er damals kaum. Er arbeitete als Tellerwäscher in einem Restaurant, wo ihm ein jüdischer Kellner nach Feierabend das Lesen beibrachte. Poitier spielte dann beim "American Negro Theatre" in Harlem und schaffte kurz darauf den Sprung an den Broadway, wo ihn Hollywood-Produzent Darryl F. Zanuck 1950 entdeckte.
Poitier war der erste Afroamerikaner, der Filmstar wurde, der Hauptrollen in Hollywood übernahm und der im Film eine weiße Frau küsste ("Träumende Lippen - A Patch of Blue", 1965). Wobei viele seiner Filme direkt oder indirekt von Rassismus handeln.
Oscar für Poitier als "Bester Hauptdarsteller"
In "Die Saat der Gewalt" von Richard Brooks spielte er einen High School-Schüler, der einen idealistischen Lehrer gegen feindliche Schüler unterstützt. In Stanley Kramers "Flucht in Ketten" floh er gemeinsam mit einem weißen rassistischen Häftling (Tony Curtis) aus dem Gefängnis. Im Laufe ihrer Flucht lernen die beiden, ihre Vorurteile abzulegen und werden schließlich Freunde. Und in "Lilien auf dem Felde" (Regie: Ralph Nelson) spielte er einen Gelegenheitsarbeiter, der einer Gruppe von Nonnen beim Bau einer Kapelle hilft. Für diese Rolle gewann er als erster Schwarzer 1963 den Oscar als bester Schauspieler.
Eigene Regiearbeiten
1967 wurde Sidney Poitier zum Box-Office-Star des Jahres, als er drei kommerzielle Erfolge nacheinander erzielte: In den Kinokassenschlagern "Junge Dornen", "In der Hitze der Nacht" und "Rate mal, wer zum Essen kommt" spielte er jeweils eine Hauptrolle.
Nach seinen Erfolgen als Schauspieler begann er Anfang der 1970er-Jahre auch Regie zu führen. Dabei überraschte er das Publikum. Denn Poitier drehte vor allem ziemlich erfolgreiche Komödien, zum Beispiel "Samstagnacht im Viertel der Schwarzen" (1974), "Dreh'n wir noch ein Ding" (1975), "Zwei wahnsinnig starke Typen" (1980) oder "Ghost Dad - Nachrichten von Dad" (1990).
Tibbs schlägt zurück
Sein gutes Aussehen, das selbstsichere Auftreten und sein kultiviertes Benehmen machten Sidney Poitier zum ersten schwarzen Filmstar. 1999 nahm das "American Film Institute" Sidney Poitier in die Liste der "Größten männlichen Darsteller aller Zeiten" auf.
Allerdings wurde auch hin und wieder kritisiert, dass Poitiers Figuren fast immer übermäßig idealisierte schwarze Charaktere waren: gutherzig, stolz, stark und fast immer ohne persönliche Schwächen. Der Schauspieler befand sich in einem Dilemma: Einerseits wollte er unterschiedliche Rollen spielen, andererseits aber der schwarzen Community auch ein Beispiel sein. Dies trat besonders in dem Film "In der Hitze der Nacht" hervor. Poitier unterschrieb seinen Vertrag erst nach einer signifikanten Drehbuchänderung: Im Film recherchiert Virgil Tibbs bei einem wichtigen weißen Repräsentanten der Stadt und fragt, ob der Ermordete in seinem Haus gewesen sei. Daraufhin ohrfeigt ihn der Weiße. Poitier bestand darauf, dass Virgil Tibbs zurückschlägt. Und er ließ es sich schriftlich geben, dass diese Reaktion nie geschnitten würde.
Hoch angesehen und preisgekrönt
Der Künstler wurde zum Vorbild der afroamerikanischen Community, da er sich auch jenseits der Leinwand für Gleichberechtigung einsetzte, die Bürgerrechtsbewegung unterstützte und später auch als UNESCO-Botschafter für die Bahamas agierte. 1974 wurde er in Großbritannien zum Ritter geschlagen, nach der Jahrtausendwende wurde er mit einen Ehrenoscar, einen Golden Globe und dem BAFTA-Ehrenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. US-Präsident Barack Obama verlieh Sidney Poitier 2009 die Freiheitsmedaille der Vereinigten Staaten von Amerika, die höchste zivile Ehrung. Da hatte er sich schon weitgehend aus dem Filmgeschäft und der Öffentlichkeit zurückgezogen und genoss die Zeit mit seiner Familie. Dass schließlich 2021 die Sidney Poitier New American Film School in Arizona nach ihm benannt wurde, habe er als große Ehre empfunden, ließ er über seine Tochter ausrichten. Nun ist der Schauspieler im Alter von 94 Jahren gestorben.
US-Präsident Joe Biden würdigte ihn als einen der besten Schauspieler des Landes und ergänzte: "Er ebnete einen Weg für unsere Nation und hinterließ ein Vermächtnis, das heute jeden Teil unserer Gesellschaft berührt." Poitier habe dazu beigetragen, "die Herzen von Millionen zu öffnen und das Selbstverständnis der Amerikaner zu verändern."