Gedenkprojekt für Shoah-Opfer
24. August 202011.908 - leben so viele Menschen in einem Ort, gilt dieser per Definition bereits als Kleinstadt. Und eben so viele Menschen aus Frankfurt am Main sind im Holocaust von den Nationalsozialisten ermordet worden. Das Gedenkprojekt "Schreiben gegen das Vergessen" will an die jüdischen Opfer erinnern. "Viele hundert Meter an Namen entlang zu gehen, macht das unglaubliche Ausmaß der Vernichtung sichtbar", sagt die Initiatorin Margarete Rabow im DW-Gespräch.
Bis zur Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 zählte die Jüdische Gemeinde in Frankfurt mehr als 30.000 Mitglieder, eine der größten Gemeinden Deutschlands. Seit diesem Sonntag können sich Freiwillige fünf Tage lang am derzeit für den Autoverkehr gesperrten Mainkai beteiligen. Mit Kreide sollen die Namen der jüdischen Opfer auf den Asphalt geschrieben werden. Wer mitmachen will, kann sich über die Website des Projekts anmelden oder einfach vorbeikommen. "Die Begegnungen der Menschen sind das größte Geschenk", sagt die Frankfurter Künstlerin. Es komme zwischen Teilnehmern und Passanten zu einem offenen und häufig sehr emotionalen Austausch.
Schon früher jüdischer Opfer der NS-Zeit gedacht
Rabow forschte vor Jahren in der eigenen Familiengeschichte, ihr jüdischer Großvater war nach Buchenwald deportiert worden - so wie tausende Menschen. Bei den Recherchen habe sie dann das Ausmaß der antisemitischen Säuberungen realisiert. "Mir wurde sofort klar, dass ich das Thema nicht mehr isoliert betrachten kann."
Bereits 2013 schrieb sie in Buchenwald die Namen der 9845 nach dem Novemberpogrom 1938 deportierten jüdischen Männer aus ganz Deutschland auf. Das aktuelle Gedenkprojekt führte sie im Juni 2018 schon in Wien durch, wo 800 Freiwillige die Namen der österreichischen Shoah-Opfer auf die Prater Hauptallee schrieben. Wegen starker Regenfälle musste das Projekt damals nach drinnen verlegt werden, wo 17.000 der insgesamt 66.000 Namen komplettiert wurden.
Selbst ein Projekt der Vergänglichkeit
Besonders die demütige Haltung, die Namen im Knien zu schreiben, erzeuge ein Bild, das sich bei den Besuchern einpräge, sagt Margarete Rabow. Die Kreide sei zudem ein einfaches Mittel, das jeder kenne. Und irgendwann verblasse sie oder werde vom Regen weggespült. "Die Kreide ist so vergänglich wie der Lauf der Geschichte. Wir können die Verbrechen nicht ungeschehen machen, sondern nur daran erinnern."
Ursprünglich hatte das Projekt am 21. April starten sollen, dem jüdischen Gedenktag Jom haScho'a, an dem der Opfer der Shoah gedacht wird. Wegen der Corona-Pandemie musste das Gedenkprojekt, das von Filmaufnahmen begleitet wird, verschoben werden.