Honduras: Fußball gegen Armut und Gewalt
15. Juni 2014Es ist heiß an diesem Sonntag am Stadtrand von Tegucigalpa. Im Staub spielen ein paar Dutzend Kinder Fußball. Mit kaputten Schuhen, großer Begeisterung und Trikots, die gesponsert sind. Kaum ein Kind hier geht zur Schule. Es ist ein Projekt der Kirche für die Armen. Hier im Staub schlägt die Seele des Landes. Hier lebt Honduras seinen Fußball. Pastor Armando Meza leitet das Projekt und sagt, der Fußball an sich helfe natürlich nicht direkt: "Aber durch diese Leidenschaft des Landes wollen wir die Kinder von der Straße holen. Und jedes Kind hier, das garantiere ich Ihnen, würde eher Fußball spielen als zum Essen zu gehen."
Jeder spielt Fußball, überall
Honduras ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, dazu das gefährlichste Land der Welt und der vielleicht überraschendste WM-Teilnehmer. Alle 72 Minuten stirbt hier, statistisch gesehen, ein Mensch einen gewaltsamen Tod. Die Hauptstadt Tegucigalpa ist eine Stadt im Sicherheitsmodus. Leben findet im klimatisierten Auto statt oder hinter hohen Mauern mit Stacheldraht. Aber in kaum einem Land hat der Fußball eine so elementare Bedeutung wie in Honduras. Unbequeme Gesetze werden schon mal im Umfeld von Länderspielen verabschiedet, damit die Aufregung über das Gesetz durch jene über den Fußball übertönt wird. Jeder im Land spielt Fußball, an jeder Ecke, überall. Nur professionelle Strukturen gibt es kaum.
Wichtig fürs Selbstwertgefühl
Ein neuer Kunstrasenplatz in der Nähe des Zentrums. Solche Plätze sind rar in Honduras, finanziert oft vom Weltfußballverband FIFA. Heute sind Dutzende Jugendliche aus ganz Honduras angereist. Es ist einer der wenigen Sichtungslehrgänge für Talente im Land. Denn eigentlich hat der nationale Fußballverband nicht mal das Geld für die Bustickets der Spieler. Heute bezahlt diese Kosten das deutsche Auswärtige Amt, genauso wie den Technischen Direktor des nationalen Fußballverbandes, den Deutschen Christoph Rocholl. Und der beschreibt, was die WM-Teilnahme für Honduras bedeutet: "Dass Honduras unter den 32 besten Ländern der Welt genannt wird, ist für das Selbstwertgefühl der Honduraner unglaublich wichtig."
Dritte WM-Teilnahme
Zweimal war Honduras bisher bei einer WM mit dabei, 1982 und 2010. Für Brasilien 2014 qualifizierte sich das Team hinter den USA und Costa Rica, aber sogar noch vor Mexiko. Eine Riesen-Überraschung war das. Jetzt geht es bei der WM gegen Frankreich, Ecuador und die Schweiz. Es ist keine unendlich Hammergruppe, aber sie wird zu schwer sein für Honduras. Das wissen sie hier, auch wenn das keiner so deutlich sagen will.
Zelaya: "Wir sind Fußballer von Geburt an"
Der richtige Gesprächspartner, um zu verstehen, was der Fußball für das Land bedeutet, ist das größte Fußball-Idol des Landes: der Torschütze des ersten honduranischen Tores der WM-Geschichte, Hector Zelaya. Die Haare sind ein bisschen kürzer als damals, 1982. Auf der Straße in Tegucigalpa wird er ständig angesprochen. "Na klar fragen sich die Leute wahrscheinlich, wie kann sich ein so kleines Land wie Honduras mit solchen ökonomischen und Gewalt-Problemen für die WM qualifizieren", nimmt Zelaya die Frage auf, die sich viele während der WM stellen werden. "Honduraner sind Fußball-verrückt. Wir lieben den Fußball. Unsere Spieler spielen in England, Spanien, China oder den USA. Und wir spielen, seit wir klein sind. Wir sind sozusagen Fußballer von Geburt an."
Wie dritte Liga in Deutschland
Die Hälfte der Nationalspieler spielen noch in der heimischen Liga. Christopher Rocholl, der deutsche Technische Direktor des honduranischen Fußballverbands, setzt die Qualität der Liga etwa auf eine Stufe mit der dritten deutschen Liga. Auch deshalb ist Honduras sicher kein Geheimfavorit. Die Vorbereitungsspiele gingen in den letzten Wochen zumeist verloren. Und trotzdem zeigt sich: Talent und Fußballbegeisterung führen zur WM - trotz Gewalt und Armut.