"Ich will"
23. April 2017"Ich habe meiner Partei gesagt, dass ich will." Ministerpräsident Horst Seehofer verkündete am Montag, worauf seine Partei seit Monaten mit Spannung wartete. Er möchte im kommenden November als CSU-Vorsitzender bestätigt werden und auch nach 2018 - im Falle eines Wahlsiegs bei der Landtagswahl - als Ministerpräsident den Freistaat führen. Auch nach 37 Jahren als Berufspolitiker sei er noch "mit Leidenschaft unterwegs", sagte der 67-Jährige nach einer Sitzung des CSU-Parteivorstands.
Dabei hatte Seehofer über viele Monate den Eindruck eines möglichen Führungswechsels gepflegt und gerne auf diverse geeignete CSU-Spitzenleute verwiesen. Aber die Partei kennt ihren Chef und rechnete längst mit ihm. Auch für die Bundespolitik hat diese Personalie Bedeutung. Denn der christsoziale Spitzenmann nannte für die kommenden Jahre Kernthemen, die mindestens so sehr die Bundes- wie die Landespolitik berühren: "internationale Kriminalität, Terrorismus, Zuwanderung".
"Horst Seehofer hat die CSU aus der Talsohle 2008 herausgeführt und sie in den letzten Jahren in hervorragender Weise geleitet", sagt Stephan Mayer der Deutschen Welle. Das Mitglied des Fraktionsvorstandes der Union, seit 2002 als CSU-Vertreter im Bundestag, findet Seehofers Entscheidung richtig. Mayer gibt sich überzeugt, dass die CSU mit der stärksten Aufstellung in die anstehenden Wahlkämpfe gehen sollte, zur Bundestagswahl im September wie zur bayerischen Landtagswahl im nächsten Jahr. Der Wahlkampf werde den Christsozialen "sehr viel abverlangen".
Ähnlich äußert sich Hans Reichhart, Abgeordneter im Bayerischen Landtag und Vorsitzender der CSU-Nachwuchsorganisation Junge Union Bayern. Er finde ein weiteres Engagement Seehofers gut, sagt er der DW. Der Parteichef sei ein "sehr, sehr guter Politiker" mit Strategien und Visionen.
Ein Vollblut-Politiker
Dabei wollte sich im Vorfeld der Entscheidung nicht jeder CSU-Repräsentant äußern. Denn Seehofer, einer der klassischen "Vollblut-Politiker" im deutschen Politikbetrieb mit ausgeprägtem taktischem Instinkt und mit Gespür für die Meinung an der Basis, führt seine Partei mit striktem Regiment und eigenem Stil. Im Jahr 2015, kündigte er ziemlich eindeutig an, 2018 nicht erneut antreten zu wollen. Ein Jahr später sprach er davon, bereits 2017 eines der beiden Spitzenämter, wohl den Parteivorsitz, abgeben zu wollen. Nun also das Umdenken. Heute sagt Seehofer, es sei ein Fehler gewesen, solche zeitlichen Perspektiven zu nennen. "Sie hören nichts mehr in dieser Form von mir."
Dass es Spekulationen gab, lag nicht nur an dem selbstbewussten, manchmal verstörenden Auftreten Seehofers. Im Jahr 2002 litt der damals 52-Jährige an einer lebensgefährlichen Herzmuskelerkrankung. In diversen Interviews sprach er später über diese schwierige Zeit, aus der er mit vielen guten Vorsätzen ins politische Geschäft zurückkehrte. Seitdem schauen CSU-Vertreter stets sehr aufmerksam, wenn der Chef plötzlich Termine absagt oder - was auch vorkam - auch mal einen Schwächeanfall auf offener Bühne erleidet. Und Seehofer beriet sich, wie er jetzt erläuterte, vor seiner Entscheidung auch mit seinem Arzt. Er sei "körperlich, nach eingehender medizinischer Beratung und Untersuchung" für die weiteren Aufgaben belastbar. Die letzte Entscheidung, sagt er, sei dann im Gespräch mit seiner Frau gefallen.
Diverse Thronfolger
Schon seit Jahren schaut Seehofer auf die zwei bis drei Thronfolger, die immer mal wieder genannt werden und nun weiter warten dürfen: Bayerns Finanzminister Markus Söder (50), Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (52) und Innenminister Joachim Herrmann (60). Mal lobt Seehofer die personelle Breite der CSU, mal verteilt er feinen Spott. Und keiner der drei kann sich seiner Zukunft sicher sein. Das zeigte sich auch zuletzt wieder, als Seehofer neben dem oft laut sprechenden Generalsekretär Andreas Scheuer (42) mit dem von ihm hochgeschätzten Markus Blume (42) einen stellvertretenden Generalsekretär installierte. Für letzteren wünscht der Parteichef sicher noch einen weiteren Aufstieg. Vielleicht ist das ja längst sein Favorit für einen Führungswechsel 2023.
Macht mit Merkel
Seehofer ist seit Oktober 2008 Ministerpräsident im Freistaat. Bei der kommenden Landtagswahl ist er zehn Jahre im Amt. 2013 führte er die CSU, die zuvor unter wechselnden Spitzenleuten schwächelte, wieder zu alter Stärke und starker Dominanz im Land. In Bayern dauert eine Legislaturperiode fünf Jahre, auf Bundesebene wird dagegen alle vier Jahre gewählt.
Jetzt stellt Seehofers Entscheidung auch die Weichen für das weitere Miteinander der Schwesterparteien CDU und CSU. Es ist das Mit- und Gegeneinander von Angela Merkel und Horst Seehofer. Bald nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer 2015 die deutschen Grenzen für Hunderttausende Flüchtlinge öffnete, wurde Seehofer über Monate zum kräftigsten Kritiker am Kurs der CDU-Chefin. Er pflegte die Rolle der zankend-zeternden Opposition in der Berliner großen Koalition. Am deutlichsten wurde das, als Seehofer beim CSU-Parteitag 2015 Merkel regelrecht vorführte. Das ging selbst CSU-Delegierten zu weit.
Zank und Eintracht
Immer wieder fordert Seehofer eine Obergrenze bei der Zahl von Flüchtlingen. Und jedes Mal verweigert ihm Merkel diese Zusage. Anfang Februar 2017 gab es dazu in München einen "Friedensgipfel" der Parteispitzen, von denen vor allem der gemeinsame Auftritt der beiden Parteichefs zum Abschluss in Erinnerung blieb. Sie sahen aus wie zwei Geschwister, die nach langjährigem Streit mal wieder nebeneinander sitzen müssen und ihr Erbe nur behalten dürfen, wenn sie sich einträchtig geben. Seitdem, sagt Mayer, hätten CSU und CDU ja schon wieder einiges "in hervorragender Zusammenarbeit" erreicht. "Man sollte jetzt nicht die Gefechte der Vergangenheit führen, sondern gemeinsam nach vorne blicken." Und Seehofer selbst sagt, die Union werde bei der Wahl im Herbst nur mit Merkel gewinnen.
Falls die Bundeskanzlerin auch nach der Bundestagswahl eine Koalition im Bund anführen sollte, bleibt ihr Seehofer als kritisches Gegenüber treu. Klar ist schon jetzt, dass er die umstrittene "Obergrenze" in einem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben möchte - oder eben nicht koalieren will.
Und er setzt ein weiteres Signal nach Berlin: Aus Sicht der CSU soll Bayerns Innenminister Herrmann das gleiche Amt nach der Bundestagswahl auf Bundesebene übernehmen. Merkel hätte dann an einer Schlüsselposition der Inneren Sicherheit einen Münchner Sheriff an ihrer Seite. "Joachim Hermann steht für Sicherheit wie kein zweiter, er steht für eine vernünftige Zuwanderungspolitik." Im Mai soll Herrmann CSU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl werden. Neben Seehofer gab er schon mal den Ton vor: "Auf in die Schlacht."