Hunderttausende protestieren gegen Babis
23. Juni 2019Neuer Höhepunkt der Massenproteste in Prag: Mehrere hunderttausend Menschen haben am Sonntag gegen den tschechischen Regierungschef Andrej Babis und seine Regierung demonstriert. Bei der größten Kundgebung in Prag seit 30 Jahren haben nach Veranstalterangaben mindestens 250.000 Menschen teilgenommen. Die Mobilfunkdienste fielen wegen Überlastung aus. Eine U-Bahn-Station musste wegen Andrangs gesperrt werden.
Der Versammlungsort auf der Letna-Ebene hoch über der Moldau hat eine hohe Symbolkraft für die Tschechen. Denn hier, in unmittelbarer Nähe des Innenministeriums, fanden im November 1989 einige der größten Demonstrationen der Samtenen Revolution statt. Die Proteste führten damals zum Sturz des sozialistischen Regimes in der Tschechoslowakei.
Babis lehnt Gespräche ab
Die Aktivisten fordern den sofortigen Rücktritt und unabhängige Ermittlungen gegen den Multimilliardär Babis. Mehr als 400.000 Menschen haben eine entsprechende Internet-Petition unterzeichnet. Dem Gründer der populistischen Partei ANO wird vorgeworfen, unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert zu haben und als Unternehmer in einem Interessenskonflikt zu stehen. Der 64-Jährige weist alle Anschuldigungen zurück und lehnt Gespräche mit den Demonstranten ab. In Tschechien droht dem Multimilliardär bereits eine Anklage. Der 64-jährige Babis wird auch beschuldigt, in den 80er Jahren mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammengearbeitet zu haben.
Mit einem geschätzten Vermögen von vier bis fünf Milliarden Euro gilt Babis als zweitreichster Mann Tschechiens. 2011 gründete Babis die populistische Protestbewegung ANO und wurde 2014 Finanzminister. Ende Mai 2017 wurde er unter anderem wegen des Verdachts auf Steuerbetrug aus dem Amt entlassen. Ein halbes Jahr später gewann die neu gegründete Partei ANO die Parlamentswahlen. Wegen der Betrugsvorwürfe gegen Babis weigerten sich die anderen tschechischen Parteien zunächst, mit dem Populisten Babis und seiner ANO eine Regierungskoalition zu bilden.
Die Minderheitsregierung aus ANO und sozialdemokratischer CSSD muss sich am Mittwoch im Parlament einer Misstrauensabstimmung stellen. Beobachter halten einen Erfolg der Opposition für unwahrscheinlich, da die Kommunisten (KSCM) erklärt haben, das seit einem Jahr amtierende Kabinett weiter zu stützen.
sth/kle (dpa, afp)