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Brüssel weiter von Terror bedroht

Barbara Wesel 22. November 2015

Die Fahndung nach Paris-Attentäter Salah Abdeslam hält Brüssel weiter in Atem. Darüber hinaus sollen weitere Terrorverdächtige gejagt werden. Aber Premier Charles Michel hält die Begründungen vage.

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Ein belgischer Soldat steht am Abend im weihnachtlich geschmückten Brüssel Wache (Foto: Reuters/Y. Herman)
Bild: Reuters/Y. Herman

Schnell kam der belgische Sicherheitsrat am Sonntagabend zu dem Ergebnis, dass die Hauptstadt Brüssel weiter akut von einem Terroranschlag bedroht sei: "Wir lassen die höchste Sicherheitsstufe 'Vier' für 24 Stunden weiter bestehen", sagte Premierminister Charles Michel am frühen Abend. "Die Situation ist schwierig für alle", und er bitte die Bürger weiterhin vorsichtig und aufmerksam zu bleiben. Man habe die Entscheidung nach einer Evaluierung der Lage getroffen, fügte der Regierungschef hinzu. Am Montag steht weiterhin ein Teil der Verkehrsmittel still, insbesondere die Metro bleibt geschlossen, ebenso Schulen und Universitäten. Großveranstaltungen sollen aus Sicherheitsgründen auch weiterhin nicht stattfinden. Schon an diesem Wochenende waren ein Konzert von Johnny Hallyday sowie mehrere Fußballspiele abgesagt worden.

Die Gründe bleiben rätselhaft

Diese drastischen Maßnahmen, die die belgische Hauptstadt schon in den vergangenen zwei Tagen weitgehend lahm legte, sind einmalig. Unbekannt bleibt, was konkret hinter der Einschätzung steht, Brüssel bleibe unverändert "von einer schwerwiegenden und unmittelbaren Terrorattacke bedroht". Ähnliche Anschläge wie die vor einer Woche in Paris, lautete die vage Erklärung des Premierministers bisher. Am Samstag hatte er noch weiter ausgeführt, es bestünde die Gefahr, dass mehrere Attentäter mit Waffen und Sprengstoff an mehreren Orten gleichzeitig zuschlagen.

Am Sonntagmorgen hatte dann der Bürgermeister der Gemeinde Schaerbeek im Sender RTBF präzisiert, im Großraum Brüssel hielten sich "zwei Terroristen auf ( ….), die Gewalttaten begehen wollten". Einer von ihnen könnte der zurzeit meistgesuchte Mann Europas sein: Salah Abdeslam, mutmaßlicher Mittäter bei den Terroranschlägen von Paris. Er hatte sich danach von zwei Komplizen in seine Brüsseler Heimatgemeinde Molenbeek zurück fahren lassen. Beide sitzen in Polizeigewahrsam und sagten inzwischen aus, Abdeslam sei sehr aufgeregt gewesen und habe möglicherweise eine Sprengstoffweste getragen. Sein Bruder Brahim hatte sich bei den Anschlägen in Paris mit einer solchen Weste in die Luft gesprengt.

Belgien Brüssel Stadtteil Molenbeek Razzia nach Terroranschlägen in Paris
Die Hinweise könnten aus einer weiteren Razzia im Stadtteil Molenbeek stammenBild: Reuters/Y. Herman

Ein dritter Bruder, Mohamed Abdeslam, tourt derzeit durch die belgischen Fernsehstudios. Er beteuert, von den Terrorplänen seiner beiden Brüder nichts gewusst und auch keine Radikalisierung bei ihnen bemerkt zu haben. "Wir haben ein normales Leben geführt, unsere Eltern sind einfache Leute und nicht besonders religiös", erklärt er im Sender RTL. Er könne sich nur vorstellen, dass seine Brüder von anderen manipuliert worden seien. Mohamed Abdeslam glaubt abgesehen davon, dass sein Bruder Salah sich noch in Belgien befinde, wo er sich am besten auskenne. Aber er habe seit den Anschlägen in Paris keinen Kontakt zu ihm gehabt.

Wie groß ist die "belgische Terrorzelle"?

Belgische Zeitungen spekulieren, es könnten bis zu zehn Terrorverdächtige gejagt werden, wie etwa die "Libre Belgique" unter Bezug auf Polizeiquellen schreibt. Wenn das so sein sollte, sind jedoch die Sicherheitsbehörden bei ihrer Suche noch nicht entscheidend weiter gekommen. Freitagabend hatte die Polizei im als Islamisten-Hochburg geltenden Stadtteil Molenbeek bei einer weiteren Razzia eine Wohnung durchsucht. Es seien Waffen gefunden worden, hieß es hinterher in einer knappen Verlautbarung, es sollen jedoch keine Sturmgewehre und kein Sprengstoff gewesen sein. Allerdings sollen der Polizei markierte U-Bahnpläne und andere Hinweise auf drohende Anschläge in die Hände gefallen sein, so wurde berichtet. Die Behörden wiederum bestätigten keines dieser Details.

Am Samstag hieß es lediglich, man habe eine "Schlüsselfigur" festgenommen. Seither wurden keine weiteren Durchsuchungen und Festnahmen gemeldet. Und woher die Regierung tatsächlich ihre Informationen über unmittelbar drohende Terrorattacken hat, bleibt ungewiss. Sie könnten auch von einem ausländischen Geheimdienst stammen. In der Türkei wurden drei Verdächtige festgenommen, die Kontakte zu den Pariser Attentätern gehabt haben sollen.

Belgien höchste Terrorwarnstufe in Brüssel
Bahnhöfe, Passagen und Plätze waren am Wochenende gähnend leerBild: Reuters/F. Lenoir

Brüssel als Geisterstadt

Es war das Wochenende der kleinen Nachbarschaftsläden, denn schon am Samstagmittag waren vor den Einkaufszentren und Kaufhäusern der Stadt die Rollläden heruntergegangen. Also kauften die Bewohner in ihren Wohnquartieren ein, wo die Minimärkte geöffnet blieben. Im Zentrum aber verwandelte sich Brüssel nach und nach in eine Geisterstadt. Auf den großen Plätzen wie dem Touristenmagneten Grand Place, am Bahnhof Midi, am Grand Sablon - an allen zentralen Orten der Stadt zogen Panzerfahrzeuge und Soldaten mit Sturmgewehren auf.

1000 Mann sind inzwischen zur Verstärkung der Polizei eingesetzt worden. Geschlossen blieben auch die Museen und etwa das Atomium. Die Stadt forderte Restaurants und Lokale im Zentrum auf, um 18 Uhr die Türen zu schließen, nur kleine Nachbarschaftskneipen widersetzten sich der Aufforderung. "Wir lassen uns doch von den Terroristen keine Angst einjagen", hieß es im "Chat Noir" unweit des EU Viertels, wo die Anwohner ungerührt weiter ihr Bier tranken.

Belgien höchste Terrorwarnstufe in Brüssel
Panzerfahrzeuge und Soldaten zum Schutz der belgischen HauptstadtBild: Reuters/F. Lenoir

Gute Geschäfte machten auch die Taxifahrer, die unermüdlich entnervte Passagiere an den Bushaltstellen aufsammelten, wo sich große Menschentrauben im nassen Schneeregen sammelten. Ohne U-Bahn und mehrere Tramlinien war der öffentliche Nahverkehr weitgehend lahm gelegt. Die Meinungen bei den Brüsseler Bürgern waren geteilt: "Wir müssen doch verhindern, dass so etwas wie in Paris auch bei uns passiert", erklärten die Vorsichtigen. "Man darf nicht hysterisch werden und nur noch in Angst leben", sagten die, denen die Vorsicht der Regierung zu weit geht. Der Alltagstest für diese besonderen Maßnahmen kommt am Montag, wenn die Bewohner der Stadt zumindest teilweise wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.