IAEO-Chef schließt Gewalt gegen den Iran nicht aus
16. Januar 2006Der Atomstreit mit dem Iran soll am Montag (16.1.2006) Thema eines Diplomatentreffens in London sein. An der Begegnung nehmen nach Angaben des britischen Außenministeriums hochrangige Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich) sowie der Bundesregierung teil. Dabei geht es auch um die Frage, ob der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet wird.
Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) schließt auch Gewalt nicht aus, um den Iran im Streit um sein Atomprogramm zur völligen Offenlegung zu zwingen. In einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der US- Zeitschrift "Newsweek" sagte Mohammed el Baradei: "Diplomatie ist nicht nur Reden. Diplomatie braucht auch Druckmittel, und - in extremen Fällen - Gewalt." Er sei nicht bereit, die dem Iran gesetzte Frist zur vollen Kooperation, die am 6. März abläuft, zu verlängern.
Kein abschließendes Urteil
Ob die Regierung in Teheran mit seinem Atomprogramm friedliche oder militärische Absichten verfolgt, könne er nicht beurteilen. In den vergangenen drei Jahren habe seine Behörde intensive Nachforschungen dazu betrieben, dennoch sei er immer noch nicht in der Lage, ein abschließendes Urteil über das Nuklearprogramm abzugeben, sagte el Baradei in einem ebenfalls am Sonntag veröffentlichten Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin "Time". Die Frage, ob es Informationen über ein militärisches Nuklearprogramm gebe, verneinte el Baradei zwar. Doch er fügte hinzu, er könne solche Aktivitäten auch nicht ausschließen.
Die IAEO soll feststellen, ob das jahrelang geheim gehaltene Atomprogramm des Iran wie von Teheran versichert nur friedlichen Zwecken dient oder, wie von den USA geargwöhnt, waffenfähiges Material produzieren soll. Dazu müssten noch Bodenproben untersucht werden und bestimmte Wissenschaftler interviewt werden, sagte El Baradei.
Militärschlag als Option
Unterdessen warnte der frühere Chef der IAEO, Hans Blix, vor einer sofortigen Einschaltung des Weltsicherheitsrats. Der Westen müsse sich mehr darum bemühen, den Iran in die internationale Gemeinschaft "zurückzuholen", sagte Blix am Montag im britischen Rundfunksender BBC. Die derzeitigen Überlegungen für Beratungen im Sicherheitsrat brächten einen "immer dramatischeren Ton" in den Konflikt. "Der Westen wird wie ein Papiertiger aussehen, wenn er das jetzt unterlässt."
In den USA forderten Senatoren aus beiden politischen Lagern ebenfalls einen Militärschlag als Option. Ein solcher Schritt müsse als letztes Mittel verstanden werden, sagten sie am Sonntag in Diskussionssendungen des US-Fernsehens. "Das ist die letzte Option. Alles andere muss zuvor ausgeschöpft werden. Es wäre aber verrückt zu sagen, dass wir unter keinen Umständen einen Militärschlag einsetzen werden", sagte der Republikaner John McCain. Der demokratische Senator Evan Bayh erklärte, die Entwicklung des iranischen Atomprogramms würde dramatisch verlangsamt, wenn bestimmte Teile davon angegriffen werden. "Aber das sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Option sein", fügte er im Nachrichtensender CNN hinzu. "Wir müssen alles andere versuchen, um zu verhindern, dass wir vor dieser Entscheidung stehen."
Ölpreis steigt
Am Wochenende hatte der Iran die Europäische Union zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Zugleich stellte sich das Parlament in Teheran hinter die harte Linie von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Sollten die USA und die EU den Fall vor den Weltsicherheitsrat bringen, werde das Parlament darauf bestehen, die Kontrollen iranischer Atomanlagen durch Inspekteure der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien zu stoppen.
Am Sonntag drohte die Führung in Teheran indirekt mit einer Erhöhung der Ölpreise. Sanktionen gegen sein Land könnten zu einer Ölkrise führen, sagte Finanzminister Dawud Danesch-Dschafari. Dies trieb den Ölpreis deutlich in die Höhe. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Montagmorgen 62,80 Dollar und damit 54 Cent mehr als zum Handelsschluss am Freitag. Zeitweise war der Preis für Brent-Öl über die Marke von 63 Dollar geklettert. Damit ist der Brent-Ölpreis im neuen Jahr bereits um knapp vier Dollar gestiegen. (stu)