10 Jahre 9/11
7. September 2011Als Elaine Donovan an jenem Morgen versuchte, ihren Mann William telefonisch zu erreichen, war die Leitung tot. "Ich hatte sofort ein ganz schlechtes Gefühl“, erzählt die brünette Frau, "Das ist gar nicht gut, dachte ich." Seit einem Jahr arbeitete der damals 37-jährige Marine-Pilot an einem Schreibtisch im Pentagon. Sein Büro lag dort, wo die Boeing 757 in das Gebäude krachte und in Flammen aufging. Eine Woche verging, ehe Elaine Donovan Gewissheit hatte: Bill hatte den Anschlag nicht überlebt. Die Zeit der Ungewissheit war zermürbend, erinnert sie sich: "Solange man es nicht genau weiß, hofft man immer noch."
Am 11. September griffen die Terroristen nicht nur das World Trade Center in New York an. Ein weiteres Ziel war das Pentagon in Arlington, Virginia - jener achteckige Bau, der das US-Verteidigungsministerium beherbergt, direkt an der Stadtgrenze der Hauptstadt Washington. Um 9.37 Uhr krachte der Flug American Airlines 77 in die Westseite des Gebäudes. Keiner der Menschen an Bord überlebte, und auch im Gebäude selbst gab es viele Opfer. Insgesamt starben 184 Menschen. Commander William Donovan war einer von ihnen.
Planen des Denkmals gibt Hinterbliebenen Kraft
Der 11. September 2001 hat das Leben von Elaine Donovan grundlegend verändert. Sie sieht müde aus, abgekämpft. Ein Jahr lang hatte sie nicht die Kraft, den Ort aufzusuchen, an dem der Vater ihrer drei Kinder ums Leben gekommen war. Sie habe keinen Sinn darin gesehen, sagt sie. Etwas anderes aber hat sie gestärkt: Bereits zwei Monate nach dem Attentat traf sie sich mit anderen Hinterbliebenen. Sie hatten ein gemeinsames Ziel: ein Denkmal sollte errichtet werden. Trotzdem war es hart: "Bei diesen ersten Treffen sind wir weinend reingegangen und weinend wieder rausgegangen."
Und doch gab das Projekt ihr etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte. Sie ist stolz auf das Denkmal, das auf der Seite steht, wo das Flugzeug in das Pentagon einschlug. Es besteht aus 184 sich aus dem Boden emporschwingenden Bänken, unter denen Wasser fließt. Eine Bank für jedes Opfer, angeordnet nach dem Jahr der Geburt, der Name an der einen oder anderen Seite der Sitzfläche eingraviert. Jedes Detail hat eine Bedeutung, erklärt Elaine Donovan: "Wenn man den Namen lesen kann und das Pentagon sieht, dann ist die Person im Pentagon ums Leben gekommen, wenn man den Namen sieht und gleichzeitig den Himmel, dann waren sie im Flugzeug."
Die Erinnerung bleibt lebendig
Eingeweiht wurde das Denkmal am 11. September 2008. Obwohl sie mit an seiner Verwirklichung gearbeitet hat, kommt Elaine Donovan nur selten hierher. Sie denke auch so jeden Tag an den Tod ihres Mannes, hatte ihren Kindern, die damals acht, zehn und elf Jahre alt waren, sogar viele Jahre verboten, Nachrichten zu sehen. Zu schmerzhaft seien die Fotos der Anschläge, sagt die Witwe, selbst jetzt fällt es ihr schwer, darüber zu sprechen. Doch es geht ihr gut, ergänzt sie: "Ich habe mich nicht unterkriegen lassen, und meine Kinder auch nicht." Das habe sie nicht unbedingt erwartet: "Es gab Zeiten, da habe ich gedacht, wir schaffen es nicht." Und leise ergänzt sie: "Aber wir kommen klar."
Lieutenant Michael Regan hat die Opfer des Anschlags auf das Pentagon gefunden. Er war am 11. September 2001 Mitglied der Sondereinsatztruppe des Bundesstaates Virginia. Er und seine Kollegen bilden ein Such- und Rettungsteam, das schon in der Türkei und Taiwan, auf den Philippinen und Haiti und erst vor kurzem bei dem Erdbeben in Japan im Einsatz war. Ihre Aufgabe: Überlebende finden und bergen. Drei Stunden nachdem die Boeing in das Pentagon gerast war, erreichten sie mit ihrem schweren Gerät den Ort der Katastrophe und drangen in das brennende Gebäude ein.
Auch die Helfer können nicht vergessen
Michael Regan hat viele schreckliche Szenen gesehen, sagt er, und zeigt auf die Tür, die heute wieder an derselben Stelle gebaut wurde: "Als wir in das Gebäude reingingen, lag dort gleich das erste Opfer - schwer verbrannt." Der bullige Mann lässt sich seine Emotionen nicht anmerken, aber man spürt noch immer die Fassungslosigkeit von damals, wenn er ergänzt: "Er hätte es fast noch geschafft, er lag nur drei Meter vom Eingang entfernt. Drei Meter weiter, und er wäre rausgewesen." Dass ein Opfer stirbt, weil er es nicht rechtzeitig erreicht, ist Regans größte Angst. Damals, so sagt er, in den rauchenden Trümmern, habe er sich Gefühle aber nicht leisten können. Er ist darauf trainiert, auch bei Katastrophen zu funktionieren. 50 Karten hatte er bei sich, als er die Trümmer betrat, Karten, mit denen er die Opfer markieren sollte. "Ich hatte die 50 Karten schon nach 20 Minuten aufgebraucht," sagt er nüchtern.
Der Feuerwehrmann findet es wichtig, die Erinnerung an damals wachzuhalten. "Ich finde, wir müssen unseren Kindern in der Schule beibringen, was damals passiert ist und warum, und dürfen nichts beschönigen." Es sei schrecklich gewesen: "Furchtbare Menschen haben furchtbare Dinge getan, damals, am 11. September."
Ein solcher Anschlag könne jederzeit wieder passieren, meint er, und verweist auf den Amoklauf und das Bombenattentat in Norwegen, bei dem 77 Menschen ums Leben kamen. Das verbittere ihn schon, sagt er, dass es immer wieder Menschen gebe, die so etwas tun.
Sich dem Positiven zuwenden
Ganz anders Cheryl Ryefield, die die Katastrophe mit eigenen Augen gesehen hat. Die 60-Jährige war gerade mit ihrem Auto auf dem Weg zur ihrer Arbeit im Verteidigungsministerium, als kurz vor dem Parkplatz der Verkehr plötzlich zum Erliegen kam. In New York brannten bereits die Türme des World Trade Centers, als sie in den Himmel blickte und ein Flugzeug über sich auf das Pentagon zurasen sah. Es bohrte sich in das Gebäude und explodierte vor den Augen der fassungslosen Ryefield. "'Stopp' rief ich, 'Stopp, stopp', ich wollte, dass es aufhört, und um mich herum die Menschen schrien das gleiche." Es sei wie in einem Film gewesen erzählt sie: "Es sah unwirklich aus, aber es war die Wirklichkeit."
Das Feuer zerstörte ihr Büro und erst nach einer Woche hatte sie wieder einen richtigen Arbeitsplatz. Cheryl Ryefield arbeitet noch immer im Pentagon, in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Sie hat viel mit traumatisieren Menschen zu tun. Das habe ihr selbst sehr geholfen, sagt sie zehn Jahre nach dem Anschlag: "Ich habe gelernt, eine so schreckliche Sache hinter mich zu lassen und mich auf das Positive zu konzentrieren."
Autor: Christina Bergmann, Arlington, Virginia
Redaktion: Rob Mudge