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Ideologiekampagne an Hochschulen geht weiter

Liu Shenjun30. Januar 2015

Lassen sich "westliche Werte" aus Chinas Hörsälen verbannen? Chinas Bildungsminister hat diese Parole ausgegeben, aber Akademiker halten die Idee für absurd.

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Bibliothek der Universität Peking (Foto: picture alliance /dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Chinas Bildungsminister Yuan Guiren hat am Donnerstag (29.01.2015) auf einer Hochschulkonferenz in Peking gefordert, die ideologische Kontrolle in den Hochschulen zu verschärfen: Man dürfe "niemals Lehrbücher in den Seminaren erlauben, die westliche Werte verbreiten." Außerdem sollten Dozenten zukünftig darauf achten, dass im Hörsaal die Führung der Partei und der Sozialismus nicht angegriffen und diffamiert werden. Dozenten sollten sich "nicht beschweren oder persönliche Probleme äußern, um keine negativen Emotionen auf die Studenten zu übertragen." Führende Institutionen wie die Peking Universität und die Tsinghua-Universität nahmen mit ihren Vertretern an der Sitzung teil.

Bereits in dem internen Parteidokument Nr. 9 von 2013, dem Jahr des Amtsantritts von Präsident Xi Jinping , wurde vor der Verbreitung westlicher Ideen wie Konstitutionalismus oder Pressefreiheit im akademischen Bereich gewarnt. Westliche Experten waren sich jedoch uneinig, inwieweit solche Anweisungen in der Praxis durchsetzbar wären.

"Dann kann man das Institut schließen"

"Als oberster Bildungsfunktionär hat Yuan Guiren (mit seiner Direktive) öffentlich Professoren und Dozenten eingeschüchtert", sagt He Weifang, Professor an der Juristischen Fakultät der Peking-Universität, gegenüber der Deutschen Welle. Allerdings sieht er die Direktive als kaum umsetzbar an: "Das ist eine sehr schwierige Sache. Die letzten 100 Jahre gab es einen konstanten Modernisierungsprozess in China, bei dem westlichen Werte nach China eingeführt wurden, vor 1949 und auch danach. Auch sozialistische Ideen sind aus dem Westen importiert. Jetzt sind wir schon im 21. Jahrhundert, und jetzt kommt plötzlich die Ansage, westliche Werte zu boykottieren. Ich denke, das ist im Grunde genommen unmöglich“, so die Stellungnahme des Jura-Professors aus Peking.

Bildungsminister Yuan Guiren 2013 in der UNESCO-Zentrale in Paris Foto: imago/Xinhua)
Bildungsminister Yuan Guiren 2013 unter westlichem Einfluss in der UNESCO-Zentrale in ParisBild: imago/Xinhua

Er führt die Absurdität der Direktive anhand seines eigenen Gebiets auf: "Zum Beispiel in der juristischen Ausbildung, wo China zwar selbst die Lehrbücher verfasst, aber in Bereichen wie Zivil-, Verfassungs-, Straf- oder Prozessordnungsrechts auf westliche Konzepte zurückgreift. Wenn in der juristischen Ausbildung keine westlichen Werte verbreitet werden dürfen, kann man keine Vorlesung halten. Ich gebe ein Seminar mit dem Titel 'westliche Rechtsgeschichte'. Also wenn Sie westliche Werte boykottieren, kann man nicht nur meine Seminare, sondern das ganze Institut schließen."

"Akademikern Würde abgesprochen"

Der Aufruf des Ministers, die Zügel ideologisch anzuziehen, löste auch online kritische Reaktionen aus. Ein User schreibt auf dem chinesischen Portal "Sina Weibo": "Eine einheitliche Ideologie schaffen, schön und gut, aber wie soll das gehen? Eine absolut einheitliche Maßnahme ist sicherlich nicht gut." Ein anderer User schreibt "Lieber Herr Minister, die hohen Funktionäre schicken ihre Kinder direkt in die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder, wo sie unmittelbar mit westlichen Lehrbüchern Kontakt haben, was soll man dagegen tun?" Ein anderer schreibt: "Ich denke, das Ganze ist nur eine Ausrede, um die Dozenten an die Kandare zu nehmen."

Der kritische Ökonom Xia Yeliang mit seinem Entlassungsschreiben von der Peking-Universität 2013 (Foto: picture-alliance/Kyodo)
Der kritische Ökonom Xia Yeliang mit seinem Entlassungsschreiben von der Peking-Universität 2013Bild: picture-alliance/Kyodo

Der Rechtsanwalt und Juraprofessor Zhang Xuezhong kommentierte laut AP: “Yuan Guiren hat mit seiner Äußerung der Welt klar gezeigt, dass die Hochschullehrer nicht nur keine akademische Freiheit haben, sondern er spricht ihnen auch ihre Würde ab.“ 2013 war Zhang wegen seiner Forderungen nach verfassungsgemäßer Regierung von der Ostchinesische Universität für Politikwissenschaft und Recht (Shanghai) entlassen worden.

So erging es im vergangenen Jahr auch dem chinesischen Ökonomen Xia Yeliang von der Peking-Universität. Er gehört zu den Akademikern, die die "Charta 08" unterschrieben haben, einen Aufruf zu mehr Demokratie und Menschenrechten in China. Ein anderer Intellektueller, der auch die "Charta 08" unterschrieben hat, ist Liu Xiaobo. Der Friedensnobelpreisträger sitzt seit 2009 eine elfjährige Haftstrafe ab.