Idlib: Leben zwischen Ruinen
Seit elf Jahren herrscht in Syrien Krieg. In der Region Idlib leben 2,8 Millionen Binnenflüchtlinge. Einige der Familien dort haben sich auf archäologischen Stätten niedergelassen, um keine Miete zahlen zu müssen.
Ruinen als Zuhause
Mohamad Othman erinnert sich noch gut an seine Schulausflüge zu antiken archäologischen Stätten in Syrien - nie hätte er geahnt, dass eine davon später einmal sein Zuhause werden würde. Das Zelt der Familie ist mit Steinen verankert, die Wäsche trocknen sie auf einer Leine, die zwischen Zelt und einem alten Steinportikus gespannt ist.
Früher ein Haus, heute ein Zelt
Seit zweieinhalb Jahren lebt Othman mit Frau und vier Kindern inmitten alter Ruinen in Sarjableh nahe der türkischen Grenze, gemeinsam mit 50 weiteren Familien. Maarat al-Numan - der Heimatort der Othmans im Nordwesten Syriens - war zuvor von Regierungstruppen bombardiert worden. Das Gebiet zwischen Rebellen- und Regierungstruppen war mehrfach unter Beschuss geraten. Es blieb ihnen nur die Flucht.
Saisonarbeit zum Überleben
Othman ist auf Saisonarbeit angewiesen. Manchmal muss er sich aber auch Geld leihen. Er und die anderen Familien leben zwischen den Ruinen der frühchristlichen Siedlung aus dem 5. Jahrhundert, weil sie dort keine Miete für das Aufstellen der Zelte zahlen müssen. "Wir haben unser Land nicht freiwillig verlassen, um an einem Ort zu leben, der seit Tausenden von Jahren unbewohnt ist", sagt Othman.
Gefahren für Kinder und Erwachsene
Die Kinder gehen nicht zur Schule. Die Ruinen sind ihr Spielplatz - ein ungewöhnlicher, aber auch gefährlicher Ort. Dem Fotografen der Agentur Reuters erzählt Othman: "Im Sommer haben wir es mit Skorpionen, Schlangen und Staub zu tun. Im Winter trifft uns die Kälte." In diesem Winter war es besonders schlimm: In der Region Idlib sind auch Menschen in Flüchtlingslagern erfroren.
Matsch und Ruinen in Babisqa
Unweit von Sarjableh bietet auch die antike archäologische Stätte von Babisqa etwa 80 vertriebenen Familien Schutz. Babisqa ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Mahmoud Abu Khalifa lebt mit seiner Familie in den Ruinen von Babisqa. Er erzählt, dass er früher einmal Land besessen habe. "Wir konnten davon gut leben. Wir hatten auch Tiere", sagt er. "Heute leben wir zwischen Ruinen auf Matsch."
Leben mit Schafen und Ziegen
Einige Menschen haben bei der Flucht ihre Tiere mitgenommen. So auch Mahmoud Abu Khalifa. Tagsüber laufen Schafe und Ziegen laufen inmitten der alten Steine herum, während Hühner auf dem Boden alles Essbare aufpicken, was sie finden können. Abu Khalifa lagert das Tierfutter, aber auch den Familienbesitz in einer alten Höhle.
Stützpunkt im Krieg
In den ersten Jahren es Krieges nutzten Rebellen den Ort Babisqa als Stützpunkt und operierten militärisch von alten Höhlen aus, die aus dem Felsen gehauen wurden. Bis heute sollen dort Kabel und ähnliche Überbleibsel aus dem Bestand der seinerzeitigen oppositionellen Kämpfer zu finden sein.
Wunsch nach Rückkehr
Mahmoud und Zahra Abu Khalifa haben sieben Kinder. Das Flüchtlingslager in Babisqa nennen sie alle "Kharrab Camp" - Ruinenlager. "Die Situation ist zum Verzweifeln", sagt Mahmoud Abu Khalifa. Denn die Region Idlib wird weiterhin von Regierungstruppen bombardiert. Er wünscht sich ein besseres Leben für seine Kinder. "Unsere einzige Forderung ist, in unsere Dörfer zurückzukehren."