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Im Gespräch: Wie geht es weiter mit der internationalen Raumfahrt?

17. September 2012

Zu Gast im Studio ist Thomas Reiter, Astronaut und Direktor für Bemannte Raumfahrt, ESA.

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DW: Warum sollten wir wieder zum Mond zurück kehren? Nur weil die Chinesen das jetzt vorhaben?

Thomas Reiter: Der Mond ist nach wie vor von großem Interesse für die Wissenschaft. Auch technologisch. Aber von einem Wettlauf will ich im Moment eher nicht sprechen. Der Mond ist im Fokus einiger Raumfahrtnationen: China, Russland, ich bin sicher auch die USA. Und wir Europäer werden auch wieder Gefallen an dem Mond finden.

Das heißt, die ESA hat ihn auch noch auf dem Plan?

Absolut. Wir führen gegenwärtig bei mir im Direktorat eine Studie für einen Mondlander durch, der 2018 am Südpol landen soll, wo man Wasservorräte vermutet. Dabei geht es in erster Linie darum, Technologien zu entwickeln, die uns ermöglichen möglichst präzise und weich zu landen und Hindernisse zu vermeiden. Das wäre natürlich die Voraussetzung für weitere Schritte, um vielleicht im nächsten Jahrzehnt mit Menschen zum Mond zurückzukehren.

Momentan scheinen ja die Chinesen bei diesem Lauf zum Mond die Nase vorn zu haben. Was für ein Motiv steckt dahinter? Sie sind erst vor kurzem bei dem Start der chinesischen Rakete Shenzhou dabei gewesen. Was haben Sie für einen Eindruck, gibt es möglicherweise militärische Interessen?

Bei der Raumfahrt spielen natürlich auch militärische Interessen eine Rolle. Aber ich denke, in China ist es ein breites Spektrum an Interessen, das von der Raumfahrt abgedeckt wird. Das heißt: aus wissenschaftlichen Gründen, neue Erkenntnisse zu gewinnen, Erdbeobachtung, Verfolgung des Klimawandels, Telekommunikation, Satellitennavigation. Auch China entwickelt Navigationssysteme. Und die bemannte Raumfahrt ist natürlich gewissermaßen die Königsdisziplin. Sie zeigt, dass man die gesamte Technologie im Griff hat. Und überall dort ist China heute unterwegs.

Leider hat die bemannte Raumfahrt einen immensen Nachteil. Sie ist viel teurer als die unbemannte Raumfahrt. Jetzt haben die Italiener schon angekündigt, dass sie ihre ESA-Beiträge kürzen müssen. Wie wollen Sie, angesichts der Finanzkrise, die Menschen noch davon überzeugen, dass man Geld für die bemannte Raumfahrt locker machen soll?

Wir haben in der Vergangenheit große Investitionen getätigt für unseren Beitrag an der Internationalen Raumstation (ISS) und jetzt ist es an der Zeit, die Ernte einzufahren. Es wäre dramatisch, wenn wir, nachdem wir jetzt dort so ein tolles Forschungslabor haben - das Columbus-Labor - jetzt auf halber Strecke sagen würden, wir nutzen wir es nicht mehr.

Könnten nicht Roboter die Arbeit im Weltall übernehmen?

Roboter können nicht alles machen. Natürlich wird auch an Bord der ISS in automatisierter Weise Forschung betrieben. Aber zur Durchführung vieler Experimente ist die Präsenz des Menschen einfach unerlässlich, wie beispielsweise von medizinischen Untersuchungen. Jeder, der im Labor arbeitet weiß, dass er direkt viel besser mit den Instrumenten arbeiten kann, als per Fernsteuerung.

Angeblich wird überlegt für einen Flug zum Mars nur ältere Astronauten auszuwählen. So ließe sich ein möglicher Krebsschaden ethisch eher verantworten. Ist da etwas dran?

Thomas Reiter: Es ist richtig, dass die Zellteilung bei älteren Menschen langsamer verläuft. Das heißt, wenn Zellen geschädigt sind, würde sich der Krebs nicht so schnell ausbreiten. Da gibt es eine ganze Menge von Simulationen. Aber ob man nun ältere oder jüngere Menschen nimmt, das wird sich noch zeigen, wenn wir soweit sind.

John Glenn war mit 77 Jahren der älteste Astronaut. Sie hätten da ja noch einige Jährchen. Wäre so ein Marsflug etwas für Sie?

Die Vorstellung fasziniert mich, einmal mit eigenen Füßen auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zu stehen. Aber ich habe jetzt eine andere Aufgabe. Da sind die jüngeren Kandidatinnen und Kandidaten gefragt.

Aber Sie sind doch der Direktor. Sie sind am Drücker. Sie könnten es ja sogar entscheiden.

Ich hoffe natürlich, dass ich die Vorbereitungen dafür in die Wege leiten kann, und dass ich irgendwann einmal, vielleicht im Fernsehsessel, einen Europäer oder eine Europäerin auf unserem Nachbarplaneten herumlaufen sehen werde.

Was wäre die größte Herausforderung für einen solchen Flug zum Mars?

Die Gesamtdauer liegt in der Größenordnung zweieinhalb bis drei Jahre. Die Strahlenbelastung, die Isolation, in der man für so lange Zeit ist: da gibt es noch einige technologische Probleme zu lösen.

(Interview: Ingolf Baur)