Ein rauflustiger Demokrat ärgert Trump
28. November 2019Das Impeachment-Spektakel geht in der kommenden Woche in eine neue Phase - mit neuen Akteuren und einem neuen Drehbuch. Diesmal werden es Mitglieder des Justizausschusses des Repräsentantenhauses sein, die im neoklassizistisch anmutenden Verhandlungssaal im Erdgeschoss eines Kongress-Nebengebäudes Platz nehmen und erst einmal Rechtsexperten befragen. Und diesmal sind Präsident Trump und seine Anwälte ausdrücklich eingeladen.
Trump hat die Wahl, erklärt der Demokrat Jerrold Nadler, der dem Ausschuss vorsitzt: "Er kann die Gelegenheit nutzen, um bei den Anhörungen vertreten zu sein, oder er kann aufhören, sich über den Prozess zu beschweren." Nadler, der wie der US-Präsident aus New York stammt und dort in der Vergangenheit erfolgreich den Widerstand gegen einen von Trumps Wolkenkratzern angeführt hat, gilt als rauflustiger Veteran der politischen Kriegsführung in Washington. Er erhöht den Druck auf den Präsidenten, der das Verfahren bisher als "Hexenjagd", "Schwindel" oder "Schwachsinn" abgetan hat.
Millionen vor den Bildschirmen
Zwischen elf und 13 Millionen Zuschauer haben die ersten öffentlichen Anhörungen verfolgt. Eine beachtliche Zahl. "Game of Thrones" etwa soll durchschnittlich von 15 Millionen geschaut worden sein. Einen dramatischen Umschwung in der öffentlichen Meinung hat es aber offenbar nicht gegeben. Die amerikanische Gesellschaft ist weiterhin gespalten in der Frage, ob Donald Trump tatsächlich sein Amt missbraucht hat und deswegen seinen Platz im Weißen Haus räumen sollte.
Und dennoch drücken die Demokraten aufs Tempo. Die Beweisaufnahme ist zumindest fürs Erste abgeschlossen, jetzt geht es um die Formulierung der Anklageschrift. Natürlich - und hoffentlich, möchte man meinen - sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlich ist aber, dass die Abgeordneten noch vor Weihnachten die Möglichkeit bekommen, über die Anklage gegen Donald Trump abzustimmen. Danach wird der Senat sein Urteil fällen.
Kann Bolton Trump schaden?
Dabei haben wichtige Zeugen noch gar nicht ausgesagt: Berater und Regierungsmitglieder aus dem direkten Umfeld des amerikanischen Präsidenten wie Außenminister Mike Pompeo, der durch einen seiner Top-Diplomaten belastet wurde, oder Trumps geschasster Nationaler Sicherheitsberater John Bolton. Sie könnten unter Eid bezeugen, ob Trump die ukrainische Regierung mit der Blockade der US-Militärhilfe wirklich erpressen wollte, damit sie seinem politischen Konkurrenten Joe Biden schadet.
Eine Befragung Boltons könnte vermutlich Erhellendes zutage fördern und Trump massiv schaden. Boltons Anwälte haben angedeutet, dass er bei vielen Treffen und Gesprächen über die Ukrainepolitik anwesend war und Wesentliches zur Klärung der Vorwürfe beitragen könnte. Aber das scheint vor allem Koketterie zu sein. Bisher weigert sich Bolton auszusagen. Während andere Zeugen mit ihrer integren Haltung in den Anhörungen beeindruckten und von einer moralischen Verpflichtung sprachen, vor dem Kongress ihre Aussage zu machen, schreibt John Bolton lieber an seinem neuen Buch, für das er angeblich einen Zwei-Millionen-Vertrag unterzeichnet hat. Der Hardliner, über den Trump einmal spöttelte, er müsse ihn mäßigen, nicht einen neuen Krieg anzuzetteln, scheint zudem noch eigene politische Ambitionen zu haben.
Ein beschleunigtes Verfahren - ohne wichtige Zeugen
Bolton beruft sich wie Pompeo und andere enge Mitarbeiter des Präsidenten auf eine Anweisung des Weißen Hauses, die Aussage zu verweigern. Es sei das Privileg des Präsidenten, dem Kongress Dokumente und Zeugenaussagen mit dem Hinweis auf Geheimhaltung und nationale Interessen vorzuenthalten. Bis gerichtlich darüber entschieden wird, könnten Monate vergehen.
Die Demokraten wollen so lange aber nicht warten. Sie argumentieren, der Prozess sollte nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Vor allem aber fürchten sie, dass ein Hinauszögern des Verfahrens den Präsidentschaftswahlkampf überschatten könnte.
Impeachment mitten im Wahlkampf
Denn genau das scheint bereits jetzt der Fall zu sein: Die Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, die gerade all ihre Kräfte und Ressourcen auf den Vorwahlkampf konzentrieren wollten, gingen in der Berichterstattung der vergangenen Wochen weitgehend unter. Statt auf Iowa und New Hampshire, die ersten Bundesstaaten, in denen über Trumps Gegenkandidaten abgestimmt wird, schaute die Nation wieder auf Washington.
Und wenn am Ende der klare Beweis fehlt, dass der Präsident sein Amt missbraucht hat - ein klarer Beweis, der auch skeptische Wähler überzeugt -, dann könnte das Verfahren sogar zu einer massiven Belastung für Trumps Gegner werden. Zwar beteuern die Demokraten ständig, es gehe ihnen allein um das Prinzip, dass niemand über dem Gesetz steht. Aber in den Augen vieler Amerikaner ist das Verfahren bisher bloß ein Spektakel, das beide Seiten nutzen, um ihre Anhänger in ihren Meinungen und Positionen zu bestätigen. Der amerikanischen Demokratie nützt das wenig. Und es könnte die Demokraten am Ende den Wahlsieg kosten.