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In Chattanooga bleibt man loyal

Miriam Braun, Chattanooga7. Oktober 2015

Auch in den USA werden einige der betroffenen VW-Diesel-Autos gebaut, im einzigen US-Werk des Konzerns in Chattanooga. In der Region sind die Deutschen ein wichtiger Arbeitgeber. Von Miriam Braun, Tennessee.

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Arbeiter im VW-Werk Chattanooga
Bild: Volkswagen

Jim Coppinger fährt seinen Volkswagen mit Begeisterung. "Es ist ein wirklich leistungsfähiges Auto", schwärmt er. Er pendle nach Nashville und zurück und brauche noch nicht mal 6 Gallonen Diesel. "Das ist doch unglaublich. Und der Platz auf der Rückbank, wieviele Leute da reinpassen, sagenhaft." Er fährt einen Sedan Passat, Baujahr 2013 - mit Dieselmotor. Eines der Fahrzeuge, dessen Abgase nun vermeintlich über den zulässigen Werten liegen.

Jim Coppinger ist Bürgermeister von Hamilton County, der Region, zu der auch Chattanooga gehört. Hier, unweit von Nashville, hat VW seit rund sieben Jahren sein einziges US-Werk. Vergangenen Juli rollte mit großer Zeremonie der 500.000. Passat vom Band. Volkswagen ist wichtiger Wirtschaftspartner für die Region: Zulieferer haben sich deswegen hier angesiedelt, VW ist Sponsor von Schulen und Sportvereinen.

USA VW Werkseröffnung Chattanooga
Das US-Werk in Chattanooga, eröffnet im Mai 2011.Bild: picture alliance/dpa

"Da draußen hat sich nichts verändert"

"Sie haben 2000 Jobs versprochen damals, bis zu 3000 waren es zwischenzeitlich. Sie haben alle Versprechen gehalten, die sie uns gegeben haben", sagt Coppinger und lässt sich keine Enttäuschung anmerken. Es werde bei VW Chattanooga alles für die Produktion des neuen Passat vorbereitet und auch für den Geländewagen, der Ende kommendes Jahr eigens für den US-Markt produziert werden soll. "Da draußen", sagt der Bürgermeister, "hat sich nichts verändert."

"Da draußen" ist 20 Minuten außerhalb der Stadt. Die letzten Kilometer fährt man auf dem so genannten "Volkswagen Drive". Vor dem weissgrauen Werksgebäude darf und will niemand der Arbeiter ins Mikrofon sprechen. Der Skandal sei für sie kein Thema, man mache sich keine Sorgen um seinen Job, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Klartext redet hingegen Michael Anderson von der Kanzlei Patrick, Beard, Schulman &Jacoway in Chattanoogas Innenstadt. Seine Kanzlei ist eine der vielen, die Sammelklagen eingereicht haben. "Es ist sehr ungewöhnlich, dass der Beschuldigte gleich zu Beginn zugibt, gelogen zu haben", sagt Anderson. Der Betrug sei seiner Meinung nach gut durchdacht und geplant gewesen. "Viele Leute auf unterschiedlichen Ebenen der Firma waren daran beteiligt."

USA VW Werkseröffnung in Chattanooga Darth Vader
Damals wurde groß gefeiert - sogar mit einem Mini-Darth Vader.Bild: picture-alliance/dpa

Einer der teuersten Wirtschaftsskandale?

In 37 Bundesstaaten sind bereits Klagen von enttäuschten Kunden bei den Gerichten eingegangen. Weil so viele unterschiedliche Parteien betroffen sind, werde es laut Anderson einer der teuersten Wirtschaftsskandale. Die geschätzen 18 Milliarden Dollar Schaden für VW hält er für zu wenig. Autohäuser und Mietwagenanbieter werden dazu kommen, genauso wie Menschen, die eine Schädigung ihrer Gesundheit nachweisen können.

"Wir wissen von dem, was die Firma selbst sagt und was die EPA-Untersuchungen ergeben haben, das die Mengen an Stickstoff, denen die Menschen ausgesetzt waren, das kann Asthmatikern Probleme machen", gibt Anderson zu bedenke. Er glaubt, das gesundheitsbezogene Klagen nicht auszuschließen sind. In jedem Fall, werden sich die Rechtsstreitigkeiten, laut Anderson, über Jahre hinziehen.

Chattanooga hat als einziges US-Werk eine wichtige strategische Bedeutung für Volkswagen. Für die Stadt ist VW ein großer, wenn auch nicht der größte Arbeitgeber. "Das war schon ein großes Gefühl der Enttäuschung", sagt William Kilbride von der Handelskammer und erinnert sich an den Tag, als er in der Zeitung lesen musste, dass auch Autos aus dem Werk in Chattanooga betroffen waren.

USA VW Werkseröffnung Chattanooga
Gebaut wird hier die US-Version des Mittelklassewagens Passat. Im vergangenen Jahr liefen knapp 118.000 Fahrzeuge vom Band.Bild: AP

"Für Nordamerika ist das hier das Werk"

"Ich hatte Mitgefühl für die Leute, die hier für VW arbeiten", sagt Kilbride. "Die wussten ja alle von nichts und fühlen sich ebenfalls betrogen." Der Großteil der Wirtschaft hänge hier an kleinen und mittelständischen Unternehmen. Falls einige Arbeiter bei VW vorrübergehend nicht mehr gebraucht würden, gäbe es aber weitere Branchen, um diese aufzugangen.

Um den Standort Chattanooga macht er sich keine Sorgen. "Für Nordamerika und sogar für Teile von Mexiko ist das hier das Werk", meint Kilbride. Der Skandal werde für Volkswagen schmerzhaft, das stehe ausser Frage, aber die Deutschen aus Wolfsburg seien auch ein starker Konzern: "Sie werden das gut durchstehen."

Die Stimmung in Chattanooga ist getrübt, aber man bleibt loyal. Schliesslich hat die Gemeinde den Bau des Werks vor Jahren mit fast einer halben Milliarde US-Dollar an Steuervergünstigungen unterstützt. Gerade wird weiter ausgebaut, und auch dafür hat der Bundesstaat Tennessee fast 170 Millionen bereit gestellt.

Auch William Kilbride fährt weiterhin gerne sein deutsches Auto: Einen Porsche. "Etwas schneller als ein Beetle", witzelt der Chef der Handelskammer, aber es sollte auf jeden Fall ein Wagen aus der VW-Familie sein.