Handlungsbedarf in Europa
16. Mai 2013Ist das noch Spaß, oder schon ein Kokettieren mit der großen Bedeutung, die Deutschland bei Entscheidungen in und über Europa hat? Bundeskanzlerin Angela Merkel (Artikelbild) lächelt den Moderator des WDR-Europaforums schelmisch an. Der hat sie eben nach den quälend langen Sitzungen des europäischen Rates gefragt, einem Gremium, das Einstimmigkeit verlangt. "Wenn ich da sitze, muss jeder zustimmen", antwortet die Kanzlerin. Nach einem kurzen Durchatmen, macht sie aber klar, dass sie ihre Sitzungspartner ja nicht zu irgendeinem Abstimmungsverhalten zwingen könne, weil doch jeder an die Entscheidungen seines jeweiligen Parlaments gebunden sei. Ganz so deutlich soll die deutsche Führungsrolle in Europa nicht herausgestellt werden. "Wenn man aus Deutschland Tipps gibt, wird das Entscheiden nicht leichter."
Straffes Programm für Europas Zukunft
Die Bundeskanzlerin bemüht sich während des Podiumsgesprächs, die Dissonanzen mit Frankreich über den Weg aus der Banken- und Finanzkrise zu relativieren. Sie habe ein gutes Verhältnis zum französischen Präsidenten, François Hollande. "Es muss doch noch eine Nuance geben zwischen Zerrüttetheit und Busenfreundschaft. Merkel verteidigte erneut den deutschen Sparkurs, der von Frankreich und den südeuropäischen Ländern angegriffen wird. "Wachstum entsteht aus soliden Haushalten", sagt sie. Was Europa vor allem helfen würde, besser mit Krisen umzugehen, so macht die CDU-Politikerin deutlich, wäre eine stärkere Koordination "nationaler Politiken". Mehr Kohärenz und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik sind ihr zufolge notwendig, "denn sonst kann eine gemeinsame Währung nicht existieren".
Für das in den letzten Monaten immer wieder angesprochene Problem der Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenländern der EU schlägt die Bundeskanzlerin vor, einfach flexibler zu werden. Die Leute müssten dorthin, wo es Jobs gebe, die große Arbeitslosigkeit in ihrem Wahlkreis im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sei auch nur bewältigt worden, weil die jungen Leute nun in den reicheren Bundesländern im Süden Deutschlands lebten. Auch der Kündigungsschutz, der in vielen europäischen Ländern besonders ältere Arbeitnehmer schützt, wurde von Merkel in Frage gestellt. "Immer wenn sich die Wirtschaft mal nicht so gut entwickelt, dann fliegen erstmal die jüngeren Leute raus. Wir müssen über Generationengerechtigkeit sprechen", stellt sie fest.
Höflicher Umgang gefordert
Es gibt viel Handlungsbedarf und Deutschland hat den richtigen Weg eingeschlagen – das ist auch der Tenor bei Merkels beiden Ministern, die zuvor auf dem Podium Platz genommen hatten. Außenminister Guido Westerwelle warnte zwar vor "teutonischer Hochnäsigkeit", befand aber, dass man sich in den entscheidenden Weichenstellungen nicht geirrt habe. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte im Gespräch mit seinem luxemburgischen Kollegen Jean-Claude Juncker, dass jetzt auch die kleinen europäischen Staaten Rücksicht darauf nehmen sollten, dass die großen durch ihre Bevölkerungszahl legitimiert seien, mehr Einfluss auf die Geschehnisse zu haben. Schäuble gab darüber hinaus Ratschläge zum korrekten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten in Europa. "Wir werden Frankreich nicht öffentlich kritisieren." Auf den Sitzungen darf dann hinter verschlossenen Türen gestritten werden. Wie dann abgestimmt wird, hat die Bundeskanzlerin bereits angedeutet.