In Zukunft nur noch eisige Winter?
27. Februar 2005
"Jetzt ist Schluss mit der Debatte, ob wir eine globale Erwärmung haben. Jetzt geht es nur noch darum, was wir dagegen tun", sagt Tim Barnett vom Scripps Institut für Meeresforschung im kalifornischen La Jolla. Der US-Physiker wertete neun Millionen Messdaten der Nationalen Meeres- und Atmosphärenbehörde (NOAA) der USA aus und kam zum Ergebnis, dass sich die Meeresoberflächen von 1969 bis 1999 global um ein halbes Grad Celsius erwärmt haben.
Etwas ähnliches gab es schon einmal vor rund 16.000 Jahren: Damals, so haben Geowissenschaftler der Universität Bremen herausgefunden, stieg die allgemeine Wassertemperatur an der Atlantik-Oberfläche um 1,5 Grad an. Warmes, salzarmes Wasser ist leichter als kaltes, salziges, es hält sich deshalb an der Oberfläche. Über den Meeren war es also verhältnismäßig "warm". An Land jedoch herrschte Eiszeit, weil die Wärmetauscher im Meer nicht mehr funktionierten. Denn das Weltklima ist von einem System miteinander verbundener Ozeanströmungen abhängig. Verändert sich die Wasserstruktur, verändert sich auch das Klima.
Zu süß ist nicht gut
Es gibt noch ein weiteres Problem: Süßwasser. Wenn die Wassertemperatur steigt, dann schmelzen die Eisberge und Polkappen. Damit verändert sich der Salzgehalt der Meere, denn Schmelzwasser ist Süßwasser. Mehr als 20.000 Kubikkilometer Süßwasser von den abschmelzenden Polareiskappen haben sich nach Kalkulation der Meeresforscherin Ruth Curry zwischen 1965 und 1995 in den Atlantik ergossen.
Für Europa und die Ostküste Nordamerikas ist der Golfstrom der wichtigste Klimaregler. Er schiebt wie ein Förderband Meerwasser aus dem hohen Norden in die südliche Hemisphäre und transportiert es - angewärmt - an der Meeresoberfläche wieder zurück. Auf diese Weise sorgt der Golfstrom für eisfreie Häfen an der europäischen Westküste bis nach Murmansk und bringt warme Luft in den Norden. Durch den verminderten Salzgehalt des Atlantikwassers droht dieses System aus den Fugen zu geraten.
Abkühlung im Norden
Die aktuellen Studien stützen frühere Ergebnisse des Wissenschaftlers Stephan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er hat vorhergesagt, dass der Golfstrom durch den Treibhauseffekt versiegen kann. Das brächte eine "deutliche Abkühlung auf den Landmassen um den Nordatlantik herum, mit sehr kalten Wintern" - in nicht allzu ferner Zukunft. "Wenn wir ungebremst mit dem Ausstoß von Treibhausgasen weitermachen, könnte dieser Prozess zum Ende dieses Jahrhunderts beginnen", prognostiziert der Klimaexperte.
Eine besondere Rolle spiele Grönland, erläutert seine Kollegin Curry. "Grönlands Eisdecke enthält genügend Wasser, um den Meeresspiegel global um sieben Meter anzuheben", sagt sie. Zwar habe das Grönland-Eis erst kürzlich zu schmelzen begonnen, aber auch dieser Anfang gebe bereits Anlass zur Sorge. Die Eisdecke könne an Stabilität einbüßen und mit der Zeit kollabieren. Noch sei das System allerdings intakt, beruhigt die Forscherin. Es sei auch nicht sicher, dass es zur Katastrophe kommt.
Eisbären bedroht
Ob das globale Muster der Meeresströmungen auch künftigem Schmelzwasser noch standhalten kann, hängt offenbar ganz davon ab, wie schnell sich das Eis abbaut und wo genau das Schmelzwasser auf den Meeres-Zyklus trifft. Dass außer dem Klima auch die Ökosysteme bedroht sind, verdeutlicht die Biologin Sharon Smith von der Universität von Miami.
Mit dem Verlust der Eisschollen würden Eisbären, Walrosse, Seelöwen und Seehunde ihrer Lebensgrundlage beraubt. Selbst Vögel hätten zu leiden, wenn sich die Farbe des Meeres durch das Schmelzwasser verändert und sie ihre Beute unter der Wasseroberfläche nicht mehr erkennen können. (arn)