Indiens Wanderarbeiter fliehen aufs Land
30. März 2020Mit einer der größten Massenwanderungen in Indiens jüngster Geschichte droht die Gefahr, dass sich das Virus bis in die entlegensten Orte des 1,3 Milliarden Menschen Staates verbreitet. Um dies zu verhindern, hat die Regierung in Neu Delhi die Bundesstaaten aufgefordert, die Grenzen zu schließen, zurückkehrende Tagelöhner und ihre Angehörigen in provisorischen Massenunterkünften zu versorgen und zu isolieren.
Die riesige Wanderungsbewegung aus den Städten in die ländlichen Regionen droht, sämtliche Versuche der Regierung im Kampf gegen den Erreger Sars-CoV-2 zu konterkarieren. Nachdem Premierminister Narendra Modi vergangene Woche - fast ohne zeitlichen Vorlauf - einedreiwöchige Ausgangssperre im ganzen Land erlassen hatte, waren Millionen Tagelöhner arbeitslos und obdachlos geworden.
Ohne Arbeit, ohne Essen und ohne Behausung bleibt vielen von ihnen, die sich als Wanderarbeiter, Straßenhändler, Taxifahrer, Fabrikarbeiter, Haushaltshilfen, Bauarbeiter und Handwerker verdingen, nur noch eines, sich zum Teil über hunderte Kilometer in ihre Heimatdörfer durchzuschlagen, zu Fuß, da auch der Bus- und Zugverkehr gestoppt ist.
Ministerpräsident Modi entschuldigte sich bereits am Sonntag in einer Radioansprache bei den armen Menschen, weil sie wegen der Ausgangssperre Notlagen erleiden müssten. Doch leider gebe es keinen anderen Weg, um das Virus zu stoppen. Zwar hat Indiens Regierung ein Hilfsprogramm gestartet, um die Armen in der Krise zu unterstützen, viele Tagelöhner haben sich aber trotzdem auf den Weg in ihre Heimatdörfer gemacht.
Um die Wanderungsbewegung zu stoppen, kündigte die Stadtverwaltung in Neu Delhi an, 400.000 Menschen zu versorgen. Mehr als 550 Schulen stünden als Unterkünfte zur Verfügung. Im Bundesstaat Maharashtra mit der Millionenstadt Mumbai haben die Behörden 262 Notunterkünfte eingerichtet, in denen mehr als 70.000 Menschen unterkommen sollen, wie der Regierungschef des Staates auf Twitter schrieb. Der bevölkerungsreichste Staat Uttar Pradesh kündigte an, 600 Notunterkünfte einzurichten, die auch als Quarantänezentren dienen sollen. In der Stadt Surat im Westen Indiens kam es nach Behördenangaben zu Zusammenstößen zwischen mehr als hundert Arbeitern und der Polizei, nachdem die Menschen an der Ausreise gehindert worden waren.
Bislang meldeten Indiens Behörden mehr als tausend Infektionsfälle. 29 Menschen starben nach offiziellen Angaben bislang an der Lungenkrankheit COVID-19. Experten zweifeln die Zahlen jedoch an und vermuten eine hohe Dunkelziffer an Infizierten, da nur wenige Menschen getestet werden.
qu/fw (afp, dpa, epd)