Die "kompliziertesten Wahlen der Welt"
16. April 2019In Indonesien kommt an diesem Mittwoch alles zusammen: die Präsidentschaftswahl, die Parlamentswahl, dazu noch Regional- und Kommunalwahlen. Es ist eine wahrhaftige Superwahl, die dem 255-Millionen-Einwohnerland jetzt bevorsteht. Und es steht viel auf dem Spiel. Das Land steht nach 21 Jahren der Demokratie am Scheideweg. Die Rolle des Islam wird immer stärker, zudem geht es um die Frage, welche Rolle Indonesien in der sich schnell entwickelnden Region Südostasien spielen will.
Nach Schätzungen des australischen Think-Tanks "Lowy Institute" stellen sich bei diesen gleichzeitig stattfindenden Urnengängen rund 245.000 Kandidaten zur Wahl. Es geht um insgesamt rund 20.000 Sitze in den verschiedensten Parlamenten und Rathäusern. Sechs Millionen Wahlhelfer werden in rund 810.000 Wahllokalen beschäftigt sein - das Lowy Institute spricht von den "kompliziertesten Wahlen der Welt".
Bei der wohl wichtigsten Wahl, der um den neuen Präsidenten, haben die rund 190 Millionen Wahlberechtigten die gleiche Auswahl wie vor fünf Jahren. Wieder kämpfen Amtsinhaber Joko Widodo, bekannt als "Jokowi", und der ehemalige General Prabowo Subianto gegeneinander ums höchste Staatsamt. 2014 war es eine knappe Wahl. Jokowi gewann mit 53 Prozent der Stimmen. Er hatte auf Pluralität gesetzt, sein größtes Wahlversprechen: der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit. Viele im Land - darunter auch Menschenrechtsorganisationen - sind allerdings heute der Meinung, dass er an diesem Vorhaben gescheitert ist.
Subianto will diese Enttäuschung ausnutzen. In seiner Kampagne setzt er allerdings auf eine klare "Law-and-Order-Ausrichtung", kombiniert mit einer konservativ-islamistischen Ausrichtung. Er inszeniert sich selbst als starken Mann, der Indonesien in einen asiatischen "Tigerstaat" verwandeln will. Ob er damit beim indonesischen Wähler punkten kann, ist unklar. Außerhalb konservativer Kreise wird er sehr kritisch gesehen, hier kommt Jokowi mit seiner moderaten Art besser an. Wenn jetzt seine erste Amtszeit zu Ende geht, kann man konstatieren: Die Wirtschaft boomt, er kämpft gegen Terror und Drogenhandel, und in die Infrastruktur wurde viel investiert.
Die australische Publikation "Inside Indonesia" bezeichnet die Wahl als eine Abstimmung um das "kleinere Übel". Denn, so die Analysten, die beiden Kandidaten seien sich im Großen und Ganzen doch sehr ähnlich.
Ideologie und Religion spielen eine große Rolle
Beide Kandidaten haben sich als Vize-Kandidaten jemanden gesucht, der Wähler auf der jeweils anderen Seite des Spektrums anspricht. Jokowis Mitstreiter Ma´ruf Amin wird zu den religiösen Konservativen gezählt und könnte traditionelle Wählergruppen auf dem Land ansprechen. Subiantos Vize-Kandidat Sandiago Uno ist ein Investor und Geschäftsmann, dem ein guter Draht zu Indonesiens gemäßigter muslimischer Mittelklasse nachgesagt wird. Als ehemaliger stellvertretender Bürgermeister von Jakarta könnte er zudem dem Ex-General Subianto Wähler in städtischen Ballungsräumen beschaffen.
Obwohl im größten muslimischen Land der Welt Staat und Kirche eigentlich voneinander getrennt sind, war der Islam im Wahlkampf ausgesprochen wichtig. So griff Subianto den Amtsinhaber Jokowi zum Beispiel dafür an, dass er allzu weltliche Einstellungen propagiere und damit die muslimischen Prinzipien nicht respektieren würde. "Religion wird als politisches Werkzeug benutzt - gerade vor Wahlen", sagt Analyst Ray Rangkuti von der indonesischen Aufsichtsbehörde "Lingkar Madani".
Institutionelle Barrieren
Nach Jahren der Diktatur führte Indonesien erst 1998 ein demokratisches System ein. Aufgrund des Präsidialsystems mit weitreichenden Kompetenzen der Exekutive und der in der Verfassung niedergelegten Staatsphilosophie des Ausgleichs und nationalen Einheit ("Pancasila") spielt das Parlament eine relativ schwache Rolle. "Abstimmungen sind selten und werden als Zeichen gesehen, dass man es im Parlament nicht geschafft hat, Konsens herzustellen", sagt Kevin Evans vom Australia Indonesia Centre.
Hinzu kommt, dass die Hürde für Parteien, Abgeordnete ins Parlament entsenden zu können, auf 4,5 Prozent der landesweiten Stimmen angehoben wurde. 2009 waren es noch 2,5 Prozent. Neugegründete Parteien wie die sozialdemokratisch und säkular ausgerichtete PSI haben dadurch so gut wie keine Chancen, ins Parlament zu kommen.
Trotz der untergeordneten Rolle des Parlaments versuchen viele Parteien, Kandidaten ins Rennen um die Parlamentssitze zu schicken. An den Parlamentswahlen nehmen 16 Parteien teil. 27 hatten sich um die Zulassung beworben. Die Parteien haben vor allem eine Funktion bei der Aufstellung der Kandidaten für das Präsidentenamt. Denn letztere müssen nachweisen, dass sie über die Unterstützung von mindestens 20 Prozent der Abgeordneten im aktuellen Abgeordnetenhaus verfügen oder dass ihre Parteien mindestens 25 Prozent der Stimmen bei der vorangegangenen Wahl gewonnen haben. Deshalb ist der Ausgang der Parlamentswahlen auch bedeutsam für die nächste Präsidentschaftswahl in fünf Jahren.