Inspiration und Inspirierter: Rainer Werner Fassbinder
Vor 75 Jahren wurde Fassbinder geboren. Er gilt als einer der wichtigsten Filmemacher überhaupt - nicht nur in Deutschland. Der früh verstorbene Fassbinder hatte Vorbilder - und beeinflusste zahlreiche andere Regisseure.
Früh verstorbenes Kinogenie
Fassbinder wurde nur 37 Jahre alt. Doch in seiner kurzen Schaffenszeit drehte er 44 Filme. Er gehört zu den wichtigsten Filmregisseuren der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und obwohl seine Filme einzigartig sind, ist Fassbinder doch Teil der internationalen Kinogeschichte. Er hatte filmische Vorbilder - und beeinflusste Regisseure nachfolgender Generationen im In- und Ausland.
Vorbild Douglas Sirk
Fassbinders größtes Vorbild war der Hamburger Detlef Sierck. Sierck drehte 1937 mit Zarah Leander in Deutschland Filme wie "Zu neuen Ufern" und "La Habanera". Weil er mit einer Jüdin verheiratet war, verließ er Nazi-Deutschland und ging in die USA. In Hollywood gab er sich den Namen Douglas Sirk und drehte Melodramen wie "Die wunderbare Macht" (1954) mit Jane Wyman und Rock Hudson.
Douglas Sirk - Meister des Melodramas
Sirk habe Filme gemacht, "die alle so waren, wie ich sie selber gern gemacht hätte", hat Fassbinder einmal gesagt. Im Winter 1970/71 besuchte er sein großes Vorbild in Ascona, wo Sirk damals lebte. An den Melodramen Sirks - hier "Was der Himmel erlaubt" - habe er geschätzt, dass dieser Regisseur die Menschen geliebt und sie niemals karikiert habe, so Fassbinder in einem Interview.
Auf den Spuren Fassbinders: Pedro Almodóvar
So wie Fassbinder Elemente aus dem Werk Sirks aufleben ließ, so griffen europäische Regisseure wie Pedro Almodóvar (hier eine Szene aus "Labyrinth der Leidenschaften") wiederum Stilmittel Fassbinders auf. Der Spanier entdeckte Fassbinders Filme in jungen Jahren in Madrid und war fasziniert. Insbesondere dessen Einsatz von Schauspielern gegen eingefahrene Rollenerwartungen schätzte Almodóvar.
Wirrwar der Gefühle bei Almodóvar
Vor allem Almodóvars Frühwerk erinnert an die Filme Fassbinders. Starke und aufgedrehte Frauen, Männer zwischen maskulinem Anspruch und versteckter Sensibilität - auf all das trifft man in den Filmen beider Regisseure. Das Thema Homosexualität und die Spannung zwischen den Geschlechtern sind stets präsent - nicht selten werden diese grell und überspitzt, aber immer auch menschlich dargestellt.
Blühende Gefühlswelten bei François Ozon
Ist Almodóvar Fassbinders größter Fan aus dem spanischsprachigen Raum, so heißt sein französisches Pendant François Ozon. Auch hier trifft man, insbesondere im Frühwerk des Regisseurs, auf viele filmische und thematische Parallelen. Der Film "Tropfen auf heiße Steine" (2000) entstand sogar nach einem Fassbinder-Bühnenstück aus dem Jahr 1966.
Starke Frauen auch bei Ozon
Auch ein Film wie Ozons "8 Femmes" hat viel mit dem filmischen Kosmos des Deutschen zu tun. Starke, energiegeladene Frauen, divenhaftes Auftreten, kapriziöses Benehmen - ganz unterschiedliche Charaktere, die freilich alle eines eint: pure Emotion, mal offen ausgelebt, mal verhüllt hinter maskenhaftem Auftreten. Ozons weibliche Protagonisten erinnern an so manche Charaktere aus Fassbinders Filmen.
Fassbinder auch in Hollywood anerkannt: Todd Haynes
Schaut man in die USA, wo das Werk Rainer Werner Fassbinders in Filmkunstkinos schon früh präsent war und vielen Filmstudenten nahegebracht wurde, trifft man schnell auf den Regisseur Todd Haynes. Auch er ist ein Fan des Deutschen, auch Haynes Figuren erinnern immer wieder an Fassbinders vor allem weibliche Charaktere. Hier eine Szene mit Cate Blanchett und Rooney Mara aus dem Melodrama "Carol".
Indirekter Einfluss: Michael Ballhaus und Martin Scorsese
Wie beeinflusst ein deutscher Filmregisseur Hollywood? Die Antwort ist einfach. Der Kameramann Michael Ballhaus (l.) war jahrelang für Fassbinder tätig und entwarf innovative Einstellungen. Dann ging er in die USA und wurde zum Stammkameramann von Martin Scorsese. Manche Kameraeinstellungen übernahm der amerikanische Meisterregisseur. Und so ist Fassbinder auch in einigen Scorsese-Filmen präsent.
Fassbinder strahlt auch nach Asien aus: Wong Kar-Wai
In Asien ist es der in Shanghai geborene Regisseur Wong Kar-Wai, der Fassbinder am nächsten steht. Der für seine wunderschönen Bild-Tableaus bekannte Regisseur ("In the Mood for Love") sagte einst in einem Interview auf die Frage, was er am Deutschen am meisten schätzte: "Wie er seine Frauen inszeniert. Es sind starke Frauen, und er verwickelt sie stets in ein melodramatisches Geschehen."
Fassbinder-Fan Bong Joon-ho
Auch Bong Joon-ho ist ein Bewunderer des deutschen Regisseurs. Für "Parasite" (unser Bild) über unterschiedliche Familienentwürfe gewann er 2019 die Goldene Palme sowie mehrere Oscars. In einem Interview mit der Zeitung "SZ" sagte der Regisseur: "Mangel, Lust und Gier beeinflussen Menschen und Familien." Das sei ein gutes Thema, das Fassbinder beherrscht habe. Er bewundere den Regisseur sehr.
Auf Fassbinders Spuren in Deutschland: Fatih Akin
Und in der Heimat? Auch hier lassen sich natürlich Spuren im Werk so mancher Regisseure nachverfolgen. Fatih Akin zum Beispiel besetzte die Hauptrolle in seinem Film "Auf der anderen Seite" (2007) mit der Fassbinder-Schauspielerin Hanna Schygulla - kein Zufall: "Er hat mich an den jungen Fassbinder erinnert", sagte Schygulla bei der Premiere: Beeindruckt habe sie "diese Wildheit, diese Naivität".
Kraftfeld Emotionen bei Akin
Kraftvoll, von wilder Emotion - die Filme Fassbinders haben viel mit den Melodramen des Fatih Akin zu tun. Auch thematisch lassen sich Parallelen entdecken. Akin, Sohn türkischer Eltern, aufgewachsen in Hamburg, widmete sich in seinen Filmen dem Zusammenprall der Kulturen - wie hier in "Aus dem Nichts". Fassbinders "Angst essen Seele auf" war 1974 einer der ersten Filme, der das Thema aufgriff.
Im Geiste Fassbinders: Oskar Roehler
Doch es ist ein anderer deutscher Regisseur, den viele Experten als Fassbinder am nächsten stehend bezeichnen: Oskar Roehler. Und in der Tat: Roehlers Filme sprudeln vor Emotionalität, schießen manchmal übers Ziel hinaus. Charaktere und dramaturgische Linien haben oft etwas Überdrehtes, manchmal Manieriertes. Und doch sind es - wie bei Fassbinder - Filme über bundesdeutsche Gefühlswelten.
Männer in Leder: "Tod den Hippies! Es lebe der Punk!"
Nein, das ist nicht der junge Fassbinder, es ist der Schauspieler Frederick Lau in Roehlers Film "Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!". Fassbinders liebstes Utensil war die Lederjacke: Die Charaktere in Roehlers Film sind ferne Verwandte des 1982 verstorbenen Regisseurs. "Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!" spielt zu Beginn der 80er Jahre, seine rohe Künstlichkeit verstrahlt Fassbinder-Charme.
Fassbinder-Film von Oskar Roehler
Und so ist es auch kein Zufall, dass Oskar Roehler Episoden aus dem Leben des deutschen Filmregisseurs Rainer Werner Fassbinder als Spielfilm in Szene gesetzt hat. "Enfant Terrible" heißt sein über zweistündiges Fassbinder-Porträt, in dem der Schauspieler Oliver Masucci den Regisseur überzeugend darstellt. "Enfant Terrible" greift die frühen Jahre Fassbinders auf und kommt im Oktober in die Kinos.
Vor 75 Jahren, am 31. Mai 1945, wurde der deutsche Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder geboren. Er gilt als einer der wichtigsten Filmemacher überhaupt - nicht nur in Deutschland. Fassbinder starb bereits 1982 - nach einem Leben, das vor allem aus Filmemachen und Drogenkonsum bestand. Obwohl Fassbinder früh starb, hinterließ er ein umfangreiches Werk. Der Regisseur hatte ein großes Vorbild in Hollywood - und viele Fans unter den Regisseuren nachfolgender Generationen.