Instex wirkungslos gegen US-Sanktionen
31. Januar 2020Wie kann man mit dem Iran Handel treiben, ohne US-Sanktionen zu verletzen, die man obendrein für illegal hält? Und: Wie vermeidet man dabei, die USA unter Donald Trump allzu sehr zu verärgern? Diese Fragen stellten sich die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens nach dem einseitigen Rückzug der US-Amerikaner aus dem Atomabkommen.
Denn die "E3", wie die europäischen Unterzeichnerstaaten des Abkommens kurz genannt werden, wollen unbedingt am Atomdeal von 2015 festhalten. Der soll verhindern, dass Iran Atomwaffen baut – was wiederum ein nukleares Wettrüsten in der Region zur Folge hätte. Als Gegenleistung für den Rückbau des iranischen Atomprogramms sieht der Atomdeal den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen vor.
Washington hat seit seinem Ausstieg 2018 eine Flut von Sanktionen gegen Teheran verhängt. Die fügen Iran schweren wirtschaftlichen Schaden zu, vor allem beim lebenswichtigen Öl-Export. Die Ölausfuhren sind mittlerweile auf ein Fünftel dessen gesunken, was noch im Frühjahr 2018 verkauft wurde.
Zugleich wirken die Sanktionen auch auf europäische Unternehmen: Die USA drohten mit hohen Geldstrafen oder auch dem Ausschluss vom US-amerikanischen Markt. Deshalb haben sich sowohl Großunternehmen als auch Banken fast vollständig aus Geschäften mit dem Iran zurückgezogen.
Wirtschaftliche Vorteile oder Atomprogramm?
Angesichts der ausbleibenden wirtschaftlichen Vorteile ist Teheran von seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen abgerückt. Seit Mai 2019 in fünf zuvor angekündigten Schritten, alle 60 Tage. Deshalb haben die "E3" Anfang Januar auch den sogenannten Streitschlichtungsmechanismus des Atomdeals ausgelöst. Experten beunruhigt vor allem Irans Ankündigung vom November, die tief in einen Berg eingegrabene Urananreicherungsanlage Fordo wieder in Betrieb zu nehmen.
Zuletzt hat Iran am 5. Januar erklärt, sich nicht mehr an die Beschränkung der Zahl von Zentrifugen halten zu wollen. All diese Schritte, betonte Teheran wiederholt, könnten umgehend rückgängig gemacht werden. Voraussetzung: Die anderen Unterzeichner des Atomabkommens müssen ihren Teil der Vereinbarung einhalten. Soll heißen: Verschafft uns wirtschaftlich Raum zum Atmen, sonst steigen wir aus. Damit sitzen die "E3" zwischen den Stühlen: Sie müssen die US-Sanktionen umgehen, um den Iran an Bord zu halten.
Bereits vor einem Jahr, am 31. Januar 2019, verkündeten die Außenminister Deutschlands, Englands und Frankreichs deshalb die Gründung von Instex. Das ist die Abkürzung für "Instrument for Supporting Trade Exchanges". Im Titel der gemeinsamen Erklärung wird Instex als "Zweckgesellschaft zur Ermöglichung legitimen Handels mit Iran" beschrieben. Damals ausdrücklich mit dem Ziel, zur Aufrechterhaltung des Atomabkommens beizutragen.
Als europäische Initiative ist Instex im französischen Finanzministerium in Paris angesiedelt. Geleitet wird der Zahlungskanal von dem deutschen Diplomaten Michael Bock. Weil die US-Sanktionen den Iran weitestgehend vom internationalen Finanzsystem abgeklemmt haben, ist Instex als eine Art Börse für den Tauschhandel zwischen Europa und dem Iran angelegt.
Vereinfacht gesagt: Wer Teppiche aus Iran importiert, zahlt an Instex. Und damit wird die Rechnung eines Lieferanten für Krebsmedikamente bezahlt. Auf iranischer Seite gleicht eine Verrechnungsstelle, die Instex vergleichbar ist, die Ansprüche von Importeuren und Exporteuren aus.
Der zentrale Punkt: Zwischen Iran und Europa fließt kein Geld, nur Information. Um die USA nicht allzu sehr zu verärgern, beschränkt sich Instex auf den Handel mit humanitären Gütern: Medikamente, Medizinprodukte und Nahrungsmittel. Die stehen aber ohnehin nicht auf den US-Sanktionslisten. Umgekehrt hat der Iran an nicht sanktionierten Produkten allerdings wenig mehr anzubieten als Teppiche, Pistazien und andere Landwirtschaftsprodukte.
Keine einzige Transaktion
Soweit die Theorie. Doch ein Jahr nach der Gründung ist noch keine einzige Transaktion über Instex abgewickelt worden. Entsprechend enttäuscht ist Michael Tockuss vom Vorstand der Deutsch-Iranischen Handelskammer e.V. in Hamburg. "Wir sind ja noch nicht einmal so weit, dass wir eine Telefonnummer weiter geben können, wenn ein Unternehmen bei uns anruft und sagt: Wir würden uns gerne mit Instex in Verbindung setzen", berichtet Tockuss im Gespräch mit der DW.
In der Praxis spiele Instex für den europäisch-iranischen Handel keine Rolle: "Für uns ist das seit mindestens einem halben Jahr ein politisches Projekt. Es sollte der iranischen Seite Hoffnung signalisieren", bilanziert Michael Tockuss.
Hoffnung, die enttäuscht wurde: Der deutsch-iranische Handel ist wegen der US-Sanktionen nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes in den ersten elf Monaten des Jahres 2019 gegenüber 2018 weiter eingebrochen: um knapp die Hälfte auf nur noch rund 1,5 Milliarden Euro. Viele private Unternehmen schrecken aus Angst vor den US-Amerikanern vor Geschäften mit dem Iran zurück.
Weshalb der iranische Botschafter in Deutschland kürzlich aus seinem Frust keinen Hehl machte: "Man sollte seine Fähigkeiten richtig einschätzen, bevor man Verpflichtungen eingeht", sagte Mahmoud Farazandeh in Richtung Auswärtiges Amt. "Wenn Sie einen Scheck ausstellen, dann sollten Sie vorher Ihr Konto checken, ob Sie überhaupt das Geld haben, um Ihr Versprechen einzulösen oder nicht."
Erste Deals erwartet
In Instex-Kreisen gibt man sich dennoch optimistisch. Der erste Deal werde in Kürze erwartet, heißt es – ohne dass gesagt würde, worum im Detail es geht. Ein Erfolg wäre jedenfalls bitter nötig. "Wir brauchen den ersten Deal als Voraussetzung für alle weiteren Planungen", hat die DW aus Instex-Kreisen erfahren. Gegenseitiges Misstrauen habe die Prozesse sehr zäh werden lassen.
"Die Iraner waren skeptisch, ob nach der ersten Transaktion überhaupt noch etwas folgt. Deswegen musste Teheran davon überzeugt werden, dass es eben nicht nur einen Testfall gibt, sondern dass da weitere Deals bereits in der Vorbereitung sind."
Und warum hat sich der Vorbereitungsprozess so lange hingezogen? "Wenn ein Staat wie der Iran sich mit drei europäischen Staaten einigen muss über all die Fragen, die mit so einem Transaktionsinstrument zusammenhängen, dann vergeht leider viel zu viel Zeit."
Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik kommt zu einer anderen Fazit: "Man könnte daraus schließen, dass die politische Unterstützung von höchster Ebene in diesem Falle nicht so stark war wie es notwendig gewesen wäre."
USA erhöhen den Druck
Das könnte durchaus mit US-Druck zu tun haben. Obwohl sich Instex auf den Handel mit humanitären Gütern beschränkt, missfällt den US-Amerikanern die Instex-Idee grundsätzlich. Im letzten Mai etwa hat das US-Finanzministerium einen Brief an den Instex-Präsidenten geschickt. Darin warnt dieses: "Aktivitäten, die US-Sanktionen verletzten, können schwerwiegende Konsequenzen haben – einschließlich des Verlustes des Zugangs zum US-Finanzsystem".
SWP-Experte Lohmann ist überzeugt: "Ich glaube, dass die Aufsichtsräte, die beteiligten Ministerialdirektoren aus den Außenministerien grundsätzlich mit dem Risiko rechnen, zum Beispiel nicht mehr in die USA einreisen zu können, wenn direkt gegen sie oder Instex vorgegangen würde."
Dass Instex als Rettungsanker gegen die US-Sanktionen versagt hat, wird inzwischen auch öffentlich so gesagt. In der Regierungspressekonferenz vom 15.Januar gestand Außenministeriumssprecher Rainer Breul ein: "Wir können die wirtschaftlichen Vorteile, die der Iran sich durch das Abkommen versprochen hat und die durch den Ausstieg der US-Amerikaner nicht mehr möglich sind, nicht eins zu eins kompensieren. Das geht nicht."
Kein "Game-Changer"
Die Europäer haben den Iranern offenbar zu viel versprochen. Denn unter Instex sind Geschäfte mit Öl und Gas nicht vorgesehen. Aber genau dort liegt Irans Reichtum. "In den Größenordnungen, die der Iran braucht und die auch die Bereitschaft des Iran aufrechterhalten sollen, weiter seinen Verpflichtungen unter dem Atomabkommen nachzukommen, werden über Instex keine Geschäfte abgewickelt werden können", so Sascha Lohmann. Ursprünglich war durchaus angedacht, auch die für Iran so lebenswichtigen Energieexporte über Instex abzuwickeln.
Dass Instex schließlich doch eher eine politische und symbolische als eine wirtschaftliche Rolle spielen würde, sei im Sommer 2019 deutlich geworden, analysiert Ellie Geranmayeh, Iran-Expertin beim European Council on Foreign Relations, ECFR. Da seien die sehr engen Grenzen deutlich geworden, innerhalb derer Instex angesichts Washingtons aggressiver Iran-Politik arbeiten könne. "Instex ist kein 'Game-Changer' mehr", resümiert Geranmayeh. "Und es ist kein Hebel mehr für die Europäer, um Iran zu überzeugen oder zu zwingen, seine nuklearen Aktivitäten zurückzufahren."
Um Iran nennenswerten Handel zu ermöglichen, braucht es nach Überzeugung des grünen Europaabgeordneten Sven Giegold mehr als einen staatlichen Transaktionsmechanismus wie Instex: "Wenn wir dem Iran versichern wollen, dass er auch was davon hat, wenn er auf Atomwaffen verzichtet, dann ist die Konsequenz, dass man eine staatliche Öl-Handelsgesellschaft gründet." Dafür bräuchte es allerdings einen klaren politischen Willen der Europäer, eigene Interessen notfalls auch gegen den Willen der US-Amerikaner zu verfolgen. Instex zeigt, wie schwer das ist.