Internationale Presseschau zum G20-Gipfel
8. Juli 2017Die "Washington Post" widmet sich dem mit Spannung erwarteten Treffen von US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin beim G20-Gipfel.
"Trump begrüßte seinen russischen Kollegen mit den Worten, es sei eine Ehre ihn zu treffen. Nein, das ist falsch. Es ist keine Ehre mit einem Staatsführer zusammenzusitzen, der seine friedlichen Nachbarn überfällt, der heimlich in den Wahlkampf demokratischer Nationen eingreift und der Gewalt an innenpolitischen Gegnern und Journalisten toleriert, wenn nicht sogar dirigiert. Das heißt nicht, dass es falsch wäre, miteinander zu sprechen. (…) Ob aber aus Gesprächen eine echte Zusammenarbeit mit dem Putin-Regime erwachsen kann, muss sich erst weisen. Dabei gäbe es genügend bilaterale Themen zu klären. Wünschenswert etwa wäre es, wenn sich beide Staaten auf eine inoffizielle Gangart beim Cyberwar einigten, so wie sie es einst im Nuklearkonflikt taten. Dabei könnte man sich gegenseitig zur Nichteinmischung in künftige Wahlen verpflichten und Regeln für Verstöße vereinbaren. Klar aber muss auch sein: Derartige Bestrebungen dürfen die Untersuchungen von Kongress und FBI über Russlands bisherige Aktionen auf diesem Gebiet keinesfalls außer Kraft setzen."
Die britische "Times" schreibt zum ersten Treffen von Putin und Trump:
" Trump sollte den Schmeicheleien Putins widerstehen (…) Das ultimative Ziel des russischen Präsidenten mag darin bestehen, dass die Ukraine formell zu einem neutralen Staat erklärt wird. Dem sollten sich die USA jedoch widersetzen, denn es würde bedeuten, dass der Westen Russland das Recht zugesteht, seine Einflusssphäre mit Gewalt abzustecken. Bei zwei vordringlichen Themen haben beide Länder gemeinsame Interessen. Russland sollte Teil einer vereinten Front gegen die Atomwaffentests von Kim Jong Un sein. Zudem sollten Moskau und Washington sich über die Verwaltung des Luftraums über Syrien verständigen, während nun der Krieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat in die Endphase geht. Die Grundstimmung (des Treffens) war positiv und zuversichtlich. Doch um wieder Vertrauen zu Putin aufzubauen, wird weit mehr erforderlich sein."
Die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" meint zum Auftreten des US-Präsidenten in Hamburg:
"Das Risiko für Trump besteht darin, das zu werden, was er so vehement angeprangert hat: Jemand, der redet, aber nicht handelt (...). Er hat sich über Obamas Missachtung der roten Linie in Syrien lustig gemacht (...) und sich unvorsichtigerweise in Nordkorea selbst eine solche Linie gezogen, die kürzlich überschritten wurde. Seine Glaubwürdigkeit steht seitdem auf dem Spiel. Auf keiner der derzeitigen Großbaustellen hat Trump bis jetzt den alles andere als idealen Stand der Dinge verändert. Doch um genau zu sein: Er hat die Europäer wachgerüttelt. Er hat Ihnen zu verstehen gegeben, dass sie wieder enger zusammenrücken und für ihre Sicherheit sorgen müssen."
"Die Presse" aus Wien blickt auf die Auswirkungen von Trumps Politik auf mögliche neue Allianzen innerhalb der G20-Gruppe:
"Für Staaten wie China und Russland, die bisher allein schon aufgrund ihrer autoritären Ausrichtung keinen glaubwürdigen globalen Führungsanspruch stellen konnten, ist Donald Trump ein Geschenk des Himmels. Eifrig stoßen sie in das Vakuum, das er mit seinem Rückzug aus internationaler Verantwortung hinterlässt. (...) China und Russland ist jedes Mittel recht, um den Westen zu spalten und zu schwächen. Denn das erhöht ihr Gewicht in der Welt. Nur deshalb dienen sie sich nun Europa als Partner an. Als Alternativen zum Bündnis mit Amerika taugen die Autokratien jedoch nicht."
Die niederländische Zeitung "De Telegraaf" beschäftigt sich mit den Krawallen beim G20-Treffen:
"Migration, Klima, Handel, Terrorismus: Es stehen genügend wichtige Themen auf der Tagesordnung der G20 in Hamburg. Aber der durchschnittliche Fernsehzuschauer sieht vor allem randalierende Demonstranten, brennende Autos und Zerstörungen an Gebäuden. (…)Demonstrationsfreiheit ist ein wichtiges Recht, das es zu schützen gilt, in Hamburg jedoch schwer missbraucht wurde. Ein harter Kern von Demonstranten, selbsternannte Autonome, ist der Ansicht, dass die Anwendung von Gewalt nicht allein dem Staat vorbehalten ist. (…) Pardon, aber wenn alle Interessengruppen ihre Standpunkte mit Gewalt geltend machen, dann ist dies das Ende sowohl der Demokratie als auch des Rechtsstaats."
Die "Neue Zürcher Zeitung" wirft abschließend einen kritischen Blick auf die Runde und die Politik der G20-Staaten im Generellen:
"Kein Gremium hat die G20 gewählt, und ihre Mitglieder unterstehen keiner Rechenschaftspflicht - weder gegenüber den UN noch gegenüber den über 170 Nichtmitgliedstaaten. Letztere sind von den Beschlüssen des Klubs gleichwohl betroffen. Dass dies an der Glaubwürdigkeit der G20 kratzt, ist zwar auch den Mitgliedern bewusst. Doch der Status quo wird mit dem Totschlagargument verteidigt, nur mit einer informellen Struktur - will heißen: ohne Regelwerk - rasch auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Flexibilität, so die Botschaft, kommt vor Rechtsstaatlichkeit. (...) Selbstverständlich steht es Staaten frei, untereinander Klubs zu bilden, und Dialog ist eigentlich immer gut. Wenn diese Klubs aber Regeln vereinbaren, die auf undurchsichtige Weise extraterritoriale Wirkung entfalten und oft vor allem Nichtmitglieder betreffen, denen die Mitsprache verwehrt bleibt, ist dies nichts anderes als krude Machtpolitik."
(Mit Material von dpa)