Interreligiöser Dialog zwischen Sarajewo und Tübingen
10. Januar 2008Die Unterschriften auf dem Abkommen zwischen den beiden Fakultäten sind noch frisch, doch an ersten konkreten Projekten wird bereits gearbeitet. Schon Anfang dieses Jahres werden zwei Absolventen der Islam-Theologischen Fakultät in Sarajewo in Tübingen studieren. Später im Frühjahr sind dann ein gemeinsames wissenschaftliches Symposium in Deutschland und eine interreligiöse Konferenz in Sarajewo geplant. Kurz danach solle es auch zum ersten Austausch von Lehrern kommen. Für Asim Zupcevic, einen der Koordinatoren der Projekte der Islam-Theologischen Fakultät in Sarajewo, hat die Zusammenarbeit ein einfaches, aber wichtiges Ziel. „Über den Islam wird in Europa viel geredet, und das ist verbunden mit viel Angst. Diese Angst entsteht aus Vorurteilen und Unwissen. Wir sollten uns besser kennen lernen, mehr übereinander erfahren und lernen. Das ist die Grundvoraussetzung für den gegenseitigen Respekt und für das Zusammenleben."
Traditionsreiche Wissenschaft
Die Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni in Tübingen sei für ihn und die Kollegen besonders wichtig, weil die Fakultät in Tübingen eine traditionsreiche Institution in Europa sei, die für Offenheit und Verständigung stehe, so Zupcevic. Um so stolzer sei man in der bosnischen Hauptstadt, dass man sich bezüglich der interreligiösen Zusammenarbeit ausgerechnet an Sarajewo gewandt habe. Asim Zupcevic erläuterte: „Die Kollegen in Deutschland waren der Meinung, dass die Erfahrung der bosnischen Muslime ganz Europa nutzen könnte. Und das trifft zu. Der Islam in Bosnien war immer offen, transparent und tolerant, besonders offen für den Austausch mit anderen Religionen und Erfahrungen und bereit, Neues anzunehmen. Und wer sich von der anderen Seite dem Islam nähert, kann auch selbst vom Islam profitieren.“
Die Islam-Theologische Fakultät in Sarajewo hat eine lange Geschichte. Seit sechs Jahrhunderten leben Muslime in Bosnien, seit dem 15. Jahrhundert gibt es in Sarajewo das Fach Islamwissenschaften. In Europa ist diese Fakultät die einzige islam-theologische an einer Universität, die ähnlich aufgebaut und strukturiert ist wie die Theologischen Fakultäten in Deutschland. Sie umfasst acht Lehrstühle und 35 Lehrkräfte. 600 junge Menschen studieren hier. Zudem versteht sich die Fakultät als Brücke zwischen dem islamischen Nahen Osten und Europa.
Nun auch studentischer Austausch
Einer der Absolventen aus Sarajewo, die dieses Jahr einige Monate an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Tübingen verbringen werden, ist Orhan Jasic. Er erzählt:
„Wir treffen uns in Bosnien regelmäßig mit unseren katholischen und orthodoxen Kollegen, die teilweise auch in anderen Städten Europas studiert haben. Und wir wissen, wie wir einander begegnen sollen, ohne einander zu verletzen. Das haben wir bereits geübt.“ Nun bekämen sie Gelegenheit, dies auch mit den evangelischen Kollegen zu tun. „Wir werden die Möglichkeit haben, ihnen den bosnischen Islam vorzustellen, der nicht nur den Glauben, sondern auch unsere Kultur und unsere Zivilisation darstellt und überhaupt nicht aggressiv, sondern absolut pazifistisch ausgelegt ist“, meint Jasic. Die Möglichkeit, Kollegen aus Deutschland kennen zu lernen, hatten in Sarajewo bisher nur Professoren. Eine wissenschaftliche Zusammenarbeit existiert bereits seit Jahren auf dem Gebiet der vergleichenden Religionsgeschichte. Nun werde es auch zum Austausch derjenigen kommen, die sich später direkt im Alltag bei ihrer Arbeit für den interreligiösen Dialog einsetzen werden, sagt Absolvent Orhan Jasic: „Von diesen Erfahrungen werden wir als Imame und die Kollegen als Pastoren in Kirchen und Moscheen predigen. Und wir werden uns so direkt für eine bessere Verständigung bei der Bevölkerung einsetzen."
Hoffnungsträger Dialog
Asim Zupcevic von der Islam-Theologischen Fakultät in Sarajewo hofft, dass vom bosnisch-deutschen Projekt nicht nur Akademiker profitieren, sondern auch alle Schichten der Gesellschaft. Er meint: „Heute müssen wir leider in der Gesellschaft eine gewisse Islamophobie feststellen. Wir wären froh, wenn wir daran etwas verändern könnten.“ Dies sei notwendig, damit der interreligiöse Dialog nicht nur ein Privileg der Akademiker bliebe, sondern sich auf die ganze Gesellschaft ausbreite. Zupcevic bedauert, dass auch unter den gebildeten Menschen oberflächliche Einstellungen zu finden seien, „die oft die einfachen, sensationslüsternen Bilder akzeptieren, die wiederum in den Medien produziert werden. Ich hoffe, dass wir mit diesem Projekt auch daran etwas verändern."
Emir Numanovic, DW-Bosnisch