Irakischer Verfassungsentwurf unterzeichnet
30. August 2005Nach mühsamen Debatten und mehrmaligem Aufschub brachte der irakische Verfassungskonvent am Sonntag den abschließenden Entwurf der Verfassung im Parlament ein. Abgestimmt wurde nicht mehr, da das Parlament eine erste Version bereits am Montag gebilligt hatte. Präsident Dschalal Talabani sagte anschließend, damit sei der Weg frei für die Mitte Oktober geplante Volksabstimmung über die Verfassung. Trotz einiger
Konzessionen lehnte die sunnitische Minderheit Teile der Verfassung weiter ab. Vor allem ging ihr das Angebot nicht weit genug, die Ausgestaltung eines künftigen föderalistischen Irak aus der Verfassung auszuklammern.
"Demokratisch, parlamentarisch, föderal"
Bis zuletzt hatten die Mitglieder des Verfassungsausschusses noch an Details des neuen Entwurfs gefeilt, um den Forderungen der Sunniten entgegenzukommen. Danach wurde der Text von Präsident
Tschalabani und seinen beiden Stellvertretern unterzeichnet und im Parlament verlesen. Er unterscheidet sich nur unwesentlich von der ersten Version. Auch in der nun präsentierten Fassung wird der Irak als "demokratisch, parlamentarisch und föderal" bezeichnet, der Islam bleibt demnach "eine Hauptquelle der Gesetze".
Wie die neuen Bundesstaaten beschaffen sein werden, soll nun erst das neue Parlament nach seiner Wahl im Dezember entscheiden. Eine Autonomie wird bis dahin allein den Kurdengebieten zugestanden. Die Sunniten sperren sich vor allem gegen eine Autonomie der Schiitengebiete, weil sie fürchten, dann restlos von der Ölvorkommen des Landes abgeschnitten zu sein.
Proteste der Sunniten
In einer ersten Reaktion lehnten die 15 sunnitischen Unterhändler im Verfassungskonvent den Kompromiss erneut ab, ohne aber die gesamte Verfassung in Frage zu stellen. Sie könnten jene Artikel der neuen Verfassung nicht akzeptieren, welche die "territoriale Einheit des Irak, die Einheit seines Volks und seine Identität" bedrohten. An dem Referendum am 15. Oktober und den für Mitte
Dezember geplanten Parlamentswahlen wollten sie dennoch teilnehmen, um weiterhin um die "Einheit des Landes" kämpfen zu können. Die ersten Wahlen Ende Januar hatten die Sunniten - unter Saddam Hussein die Elite des Landes - boykottiert. Deshalb sind sie nur mit wenigen Abgeordneten im Parlament und haben kaum Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Als "einen Meilenstein im politischen Prozess" bezeichnete die britische EU-Ratspräsidentschaft die Vorlage des Verfassungstextes. Eine breite öffentliche Unterstützung bei dem Referendum trage zur Stabilität des Landes bei. US-Botschafter Zaömay Khalizad sagte in Bagdad, der Verfassungsentwurf sei der fortschrittlichste innerhalb der moslemischen Welt. Bis zuletzt hatten die USA
versucht, die Sunniten beim verfassunggebenden Prozess mit ins Boot zu holen.
Freilassung von Abu-Ghoraib-Häftlingen
Unterdessen ließen die US-Streitkräfte im Irak nach eigenen Angaben vom Samstag etwa 1000 Gefangene aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghoreib bei Bagdad frei. Die bisher umfangreichste Freilassungsaktion habe am Mittwoch begonnen. Die Auswahl sei von einer irakisch-amerikanischen Kommission getroffen worden und umfasse Häftlinge, denen keine schweren Verbrechen wie Bombenanschläge, Folter, Mord oder Geiselnahmen zur Last gelegt würden. Das US- Militärgefängnis war im vergangenen Jahr nach Berichten über die Erniedrigung und Misshandlung irakischer Gefangener durch amerikanisches Wachpersonal zum Skandalfall geworden. Ein US-Militärsprecher sagte, er wisse nicht, ob die Freilassung mit Forderungen von Sunniten im Zusammenhang stehe.
Denkbar ist, dass sie eine Freilassung gefangener Sunniten forderten, damit diese an dem geplanten Referendum über die neue irakische Verfassung sowie Wahlen teilnehmen können. In einer Erklärung des US-Militärs hieß es, die Freilassungen seien ein großes Ereignis im Prozess des Iraks hin zu einer demokratischen Regierung. Sie belegten auch das Engagement der irakischen Regierung, Sicherheit und zugleich Gerechtigkeit für alle Iraker herzustellen. (chr)