Iran entgeht vorerst einer Verurteilung
9. August 2005Alle hektischen Bemühungen im Vorfeld waren vergeblich: Die internationale Atomenergie-Organisation IAEO konnte sich am Dienstag (9.8.2005) nicht auf eine Iran-kritische Resolution einigen. Unter den 35 Mitgliedern des so genannten Gouverneursrats der IAEO waren vor allem Vertreter der blockfreien Nationen Südafrika, Malaysia und Brasilien gegen eine zu deutliche Verurteilung Teherans, das am Montag Teile der Atomanlage von Isfahan wieder in Betrieb genommen hatte. Noch Stunden vor der Sitzung hatten sich EU-Diplomaten bemüht, die Mitglieder des Rates dafür zu gewinnen, Teheran ultimativ aufzufordern, die Uran-Konversion zu beenden und die Verhandlungen mit der Europäischen Union fortzusetzen. Die blockfreien Staaten sahen darin einen Angriff auf das im Atomwaffensperrvertrag verbriefte Recht aller Unterzeichnerstaaten auf ein ziviles Atomprogramm.
Warnung an den Westen
Der Leiter der UN-Atombehörde, Mohammed el Baradei, forderte Iran auf, "eine Entscheidung zu überdenken und die Lage nicht weiter zu eskalieren". Vor der Sitzung hatte er die Hoffnung geäußert, dass die gegenwärtige Krise um die Reaktivierung des iranischen Atomprogramms "nur ein Schluckauf im Prozess, nicht aber ein ständiger Bruch" sei. Auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder rief Teheran zum Einlenken auf.
"Der IAEO-Gouverneursrat kann keine rechtlichen Schritte gegen uns einleiten", hatte vor der Sitzung Mohammed Saaidi erklärt, der als Vizeleiter der iranischen Atomenergie-Organisation Hauptansprechpartner des Westens ist - und der demnächst durch den ultrakonservativen Politiker Ali Laridschani abgelöst werden soll. Der scheidende Verteidigungsminister Ali Schamchani warnte das Ausland vor möglichen Angriffen auf Irans Atomanlagen. Alle Anlagen seien militärisch mit Flugabwehr-Einrichtungen gegen militärische Schläge geschützt. Sollte der Westen sie dennoch angreifen, werde Iran "alle bisherigen internationalen Verpflichtungen fallen lassen".
Anreicherung nicht geplant
In der umstrittenen Anlage Isfahan, so argumentiert Irans neuer Präsident Mahmud Ahmadinedschad, habe Teheran auf internationale Besorgnisse Rücksicht genommen. In einem Telefonat habe er UN-Generalsekretär Kofi Annan darauf hingewiesen, dass Iran "geduldig" darauf gewartet habe, bis die IAEO ihre Überwachungskameras installiert hatte. Erst dann seien die nicht versiegelten Teile der Forschungsanlage geöffnet worden. Saaidi betont in diesem Zusammenhang, dass die Anlage in Isfahan nur dazu diene, das gasförmige Uranhexaflorid herzustellen, das für die eigentliche Urananreicherung benötigt wird. Das fertige Uranhexaflorid werde in Isfahan gelagert, bis eine Einigung über die nächste Phase getroffen werde, sagte Saaidi. In der nächsten Stufe soll das Gas in die Zentrifugen der derzeit noch geschlossenen Uran-Anreicherungsanlage im benachbarten Natans gespeist werden. Dort kann atomarer Brennstoff für Kraftwerke und Material für Atomwaffen hergestellt werden. Der Sprecher des Höchsten Nationalen Sicherheitsrats, Ali Akamohammadi, kündigte am Dienstag jedoch an, Iran werde die Urananreicherung in der Atomanlage Natans nicht aufnehmen.
Teheran fühlt sich nicht ernst genommen
Diese Anreicherung wurde gemäß der Vereinbarung mit dem EU-Trio Deutschland, Frankreich und Großbritannien vom November 2004 suspendiert. Die Pause bei der Anreicherung hat Teheran allerdings von Fortschritten bei den Verhandlungen abhängig gemacht, die es nicht sieht. Mit den bisherigen EU-Vorschlägen, die wirtschaftliche Anreize sowie die Lieferung von Brennstoff für Atomkraftwerke vorsahen, zeigte sich Teheran absolut unzufrieden. "Das ist so, als würde man versuchen, ein Kind mit einem Stückchen Schokolade zu beruhigen", meint Kasem Daschalali, der Sprecher der Sicherheitskommission im Parlament. Der designierte Chefunterhändler Laridschani verglich die EU-Angebote mit einem "Bonbon für eine einzigartige Perle".
In dem Streit bahnt sich ein neuer Konflikt zwischen den USA und Iran an. Wie die "New York Times" am Dienstag berichtete, schließen die USA nicht aus, dem neuen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der im kommenden Monat vor der UN-Vollversammlung in New York sprechen will, ein Visum zu verweigern. Grund sei die angebliche Verwicklung des ultrakonservativen Politikers in die Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in Teheran vor 25 Jahren. Das iranische Außenministerium warnte am Dienstag vor einem "großen Fehler". (stu)